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Gelegenheit auch kennen, und wußte die Geschich«
. . ten, die er dort erlebte, eher, als Sie alle.
Die Regimenter marschirten am Ende aus
einander, die Zelter wurden abgebrochen und je-
- de« eilte nach Hause. Zu dem Behuf bestellte ich
mir drei Pferde Extrapost. Ich ging selbst auf
da« Posthaus, weil ich keinen Bedienten mit
hatte.
„Ein Glück," antwortete der Postsekretair,
„baß Sie nicht einige Minuten später kamen;
Sie erhalten gerade die letzten Pferde." Zn dem
Augenblick kam eine Dame mit einem jungen
Mädchen, und ersuchte den Sekretair um eine
Postchaise und, zwei Pferde.
Die Postchaisen waren alle längst in Stücken
gefahren und die Pferde kamen vor spät Abend
nicht zurück. Er versprach die Pferde auf Mor
gen. So lange konnte die Dame nicht warten.
Sie mußte heute fort. „Und wenn Sie mir die
Pferde vierfach bezahlen wollen, ich kann nicht.
Es ist alle«, was nur in der Stadt Pferde hat,
aufgeboten, zur Post sie zu stellen: ich habe heute
'sechs und siebenzig Vierspänner expeblrt, die an
dern habe ich gar nicht gezählt. Di.e Pferde auf
den Dörfern sind zu den Militairfuhren reqninrt;
kurz Sie müssen warten." Mit, diesem Bescheid
ging der Mann in seine Stube zurück, und ließ
die Dame stehen.
Zn einem Postexpeditions-Zimmer ist man
schon ein halber Reisender. Die conventionelle
Welt liegt hinter dem Menschen, sobald er den
Wanderstab in der Hand hat. Man ist ungebun,
dener, unbefangener.
Zch frug die Verlegenen, wo sie hinzureisen
gedächten, „Q mir gehl es fatal, ganz fatal,"
entgegnete die Dame, „ich kam hierher und hattd
mit meinen Verwandten aus Sporcnberg mir ein
Rendezvous gegeben: diese sollten meine Nichte
hier wieder mir zurücknehmen. Allein meine Leut
chen sind nicht gekommen. Zch logirte hier bei
meinem Bruder, dem Geheimen-Rath Roman;
dieser geht heute auf Commission und schließt sein
Hau« zu, folglich muß ich heute fort; ich wollte
mit meinem Bruder zu Hause fahren, dessen Com-
missionereise geht durch meinen Ort. Da« war
alles schon besprochen, und darum sandte ich mei
nen Wagen, gleich nach meiner Ankunft, zurück;
allein jetzt muß ich meine Nichte selbst begleiten,
und eine Postchaise nehmen, und nun soll ich
nicht einmal Pferde, nicht einmal einen Wagen
bekommen. Zch muß nun ein Logis im Wirths-
hause nehmen, ich muß
„Gar nicht« müssen Sie, meine — ich weiß
nicht, wen ich die Ehre habe —"
„Ich bin die Forst-Räthinn Riedel."
Eehorsanrer Diener. Freut mich, die Ehre —
gar nicht«, wollte ich sagen, meine beste Frau
Forsträthinn, brauchen Sie in Zhrem Plane zu
ändern. Zch reise diesen Augenblick ab; ich fahre
über Sporenberg, ich habe einen bedeckten, beque
men Wagen, c« wird mir ein Vergnügen seyn,
die Demoiselle Nichte —
Das Mädchen ward roth. Die Tante machte .
einen Knix. „Sehr gütig, ungemein gütig," ent
gegnete sie — „aber ich weiß nicht, wen" —
„Zch heiße von Osten" antwortete ich mit
dreuster Summe, und setzte hinzu, um sie siche
rer zu machen, „und bin Bräutigam. Sie riski-
ren also nicht«."
„Der Herr Baron von Osten? der Herr Da-
rou von Osten? der künftige Herr Schwiegersohn
unser« werthen Herrn Oberforstmeisterö? freut
mich, freut mich unendlich, die Ehre zu haben,
Zhncn meine gehorsamste Devotion persönlich be
zeugen zu dürfen, und Zhnen meinen unterthä-
nigsten Glückwunsch zu Dero Vermählung münd
lich darbringen zu können."
„Kennen Sie meine Braut?" frug ich, halb
todt vor Angst.
Nein, gnädiger Herr, ich habe nicht die Eh
re, nicht die Ehre. Der Herr Oberforstmeister
sind zwar der gnädigste Herr Vorgesetzte meine«
Mannes, allein wir sind die Entferntesten im De
partement Zhres Herrn Schwiegervaters; wir
wohnen über 17 Meilen auseinander."
. „Zch weiß, ich weiß. Nun, wie steht e«,
Frau Forsträthinn, wollen Sie mir die Demoiselle
Nichte anvertrauen?"
„Ach, liebwerthester Herr Baron, ich weiß
nicht, ob wir uns unterstehen dürfen, Ew. Gn»,
den zu incommodiren."
„Sprechen Sie doch nicht von Zncommodi-
ren; ich habe einen Platz im Wagen leer. Sie
gehören zum Departement meines Schwiegerva
ter«, Sie sind in Verlegenheit, der alte Herr
würde mir nicht verzeihen, wenn ich seiner guten
Frau Forsträthinn nicht einmal diese kleine Ge,
fälligkeit erweisen wollte."
Mein Vorschlag ward endlich nach vielen
Komplimenten und Entschuldigungen angenommen.
Beide eilten in ihr Logis, ich in Pas Meinige.
Zn einer halben Stunde kam die Nichte. Ein
Mädchen trug ihre wenigen Habfeligkeiten. Der
Geheimerath, der, wie aus den Reden des Mäd-