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Volume Nro. 95, Montag, den 13. May 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

„Za, Meister!" sprach ein dumpfe, doch sehr 
vernehmliche Stimme. 
„Wie heißt das Fräulein?" — 
„Antonte von Riedau." — 
„Sag an, was weißt du von ihr?" 
„Antonie von Riedau ist die Tochter eines 
Obersten, der vor neun Monaten auf dem Schlacht, 
selbe starb. Der brave Mann erwarb sich aber 
durch seinen Heldentod wenig Dank: denn der 
Sohn des Fürsten, dem er sein Leben geopfert 
hatte, verfolgte kurz nachher die sanfte, tugend 
hafte Antonie mit wollüstigen und so gefährlichen 
Nachstellungen, daß sie, begleitet von ihrer treff 
lichen Mutter, aus ihrem Vakerlande flüchten 
mußte." — 
„So kämpfen sie wohl hier, unter einem 
fremden Himmel, mit dem Elend des Man, 
gels?" — 
„Nein, sie sind reich, und haben ihr Vermö, 
gen gerettet." 
„Für jetzt wissen wir genug, treuer Asta, 
rot! — Verschwinde!" — 
Der Kobold verschwand; die Lichter entzün 
deten sich wie von selbst; der Baron athmete 
freier. 
„Seid Ihr mit Aftarots Berichte zufrieden?" 
fragte Cagliostro. 
„Zch bin darüber entzückt;" antwortete der 
Baron: „Aber " 
„Zch verstehe dieses Aber;" fiel der Graf 
ein. „Zhr trauert, weil Antonie Euch flieht; Zhr 
wünscht, daß ich meine Macht, die Herzen der 
Menschen zu lenken, für Euch anwende." 
„Ach, wenn es möglich wäre!" seufzte der 
zärtliche Schäfer. 
„Kleingläubiger, mir ist nichts unmöglich! — 
Laßt Euch nach neunmahl neun Stunden bei Frau 
von Riedau anmelden; Zhr werdet Zutritt erhal, 
ten. — Doch erwartet nicht, daß Euch die sittsa 
me Antonie sogleich als ihren Auserwählten be 
handle. Die Zeit bringt erst Rosen. — Kommt 
heute über acht Tage gegen Mitternacht wieder 
zu mir. Zch werde Euch dann sagen, was Zhr 
weiter thun sollt, um zu einem glücklichen Ziele 
zu gelangen." — 
Frohes Muthes bedankte sich der Baron mit 
stattlichen Worten, legte leise eine Goldbörse auf 
den Tisch, und wollte sich empfehlen. Aber zür, 
nend sagte der Graf: „Nehmt Euer Gold zurück! 
Zch mache selbst so viel, als ich brauche." —Der 
Baron schämte sich, baß er Wasser ine Meer Hane 
tragen wollen, und trat mit tausend Entschuldi 
gungen ab. 
Pünktlich nach neunmahl neun Stunden ließ 
er sich bei Frau von Riedau zum Besuch melden, 
ward höflich angenommen, und zu seinem höchsten 
Erstaunen erzählte sie ihm ihreSchicksale mit den 
selben Worten, deren sich Astarot bedient hatte. 
Aber eben so genau traf auch Cagliostro's Vor- 
hersagung ein, daß Antonie ihren Verehrer nicht 
als den Auserwählten ihres Herzens behandeln 
würde. Still, kalt und verlegen, schien sie seine 
Gegenwart nur mit Zwang zu dulden. Zn die 
ser Stimmung fand er sie drei Tage hinter ein 
ander. Am vierten machte er einen Versuch, durch 
den Sonnenstrahl köstlicher Zuwelen den trüben 
Himmel ihres Angesichts aufzuheitern; allein er 
umwölkte sich noch mehr. Sie wies das Anerbie 
ten mit Unwillen zurück, -und selbst die Mutter, 
die sich sonst günstiger gegen ihn bezeigte, trat 
jetzt auf Antoniens Seite, und verbat sich, mit 
Beziehung auf ihren eigenen Reichthum, alle Ge, 
schenke. 
„Aber, mein Himmel!" — sagte der Baron 
in einem weinerlichen Tone - „soll und muß ich 
denn durchaus das nette Kästchen wieder nach 
Haufe tragen?" — 
„Dieser Selbstmühe will ich Sie allenfalls 
überheben;" versetzte Frau von Riedau. „Es mag 
hier in meinem Schranke unberührt stehen, dis 
Sie es durch Ihren Bedienten abhohlen lassen." 
Es war natürlich, daß Kauz mir diesem Gan, 
ge verschont blieb. Dagegen mußte er von seinem 
unmuthigen Herrn manchen Vorwurf über den 
Grafen Cagliostro erdulden. „Wenn dieser Fan 
tast," sagte der Baron, „die Herzen der Men 
schen so am Zügel hat, wie er sich rühmt: warum 
lenkt er sie nicht zu meinem Besten? — Auch 
soll er mir, einem klugen Manne, nicht weis ma 
chen, daß sein Astarot geredet habe. Nein, es 
war der Herr Graf selbst, der, wie ein Mario- 
nettenspicler, zwei Rollen sprach. Darum wurden 
die Lichter ausgelöscht; aber ich sah deutlich, daß 
Astarot nicht die Lippen bewegte." 
„Sollte wohl ein. Geist körperlicher Werkzeu 
ge zum Sprechen bedürfen ?" entgegnete Kauz. 
Dieser Einwand führte den Baron ine rechte 
Geleis des Glaubens an Cagliostro zurück, und 
in der bestimmten Mikternachrstunde begab er sich, 
von seinem treuen Diener begleitet, wieder zum 
Grafen. 
„Zhr erfrecht Euch also doch, vor meinem 
Angesichte zu erscheinen?" fuhr der Wunderkhäter
	        
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