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Volume Nro. 92, Donnerstag, den 9. May 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

Tagesbegebenheiten. 
Aus Petersburg. 
5{u£» «in» schon fanfl« s«stlft(t«n Akademie der russischen Spra 
che, besitzen wir auch jetzt noch eine Gesellschaft der Freunde der 
russis. Sprache, welche vor rj Lagen »öffnet ward. Der Stifter 
»»selben ist der schon langst beeühmke Dichter und Schriftsteller, 
der ehemalige Iustilminister, Geheimerarh Derschawin. Ein schö 
ner Saal in seinem Hause, festlich ausgeschmückt von dem Sänger 
der Feiize, — einem Lobgedicht aus Katharina die' Zweite, das 
mir jedem dieser Gattung in die Schranken treten kann — faßte 
bei der Eröffnung, außer den ?'» Mitgliedern eine glänzende Ver 
sammlung von mehr alS aco Herren und Damen, die durch Ein 
laßkarten dai» eingeladen waren. Nut» de» Mitgliedern strahlen 
die Namen eln-s Derschawin, Lschischkof, Graf Ehwastaf, Fürst 
Golützin, Oleni», Druschinin, Fürst SchachovSkey, Fürst Gort- 
schakof Lwof und «rilof, und bürgen für da§ ästhetisch Schöne. 
Die Gesellschaft wild in 4 Abtheilungen ringecheilt, deren jede ei 
nen Vorsteher har. Außer diesen wird noch ein Präses unter den 
sechs älter» Mitgliedern gewählt, der die Arbeiten von fünf jün 
ger» diriglrt, mit denen noch 3> Ehrenmitglieder, von denen die 
meisten abwesend sind, verbünde» werden. Der Zweck dieses litera 
rischen Vereins ist: Die russische Litte,atur r» vervollkommnen, 
durch öffentliche Vorlesungen die Zahl ihrer Verehr» iu v-rgrö- 
ß-rn, indem sie Nacheisrung veranlassen, den guten Geschmack 
und dessen Nichtigkeit ausrecht,n erhallen, gegen den itzr eink-i- 
ßenden falschen mir Nachdruck »> kämpfen, den Schl immer mehr 
und mehr zu »«schönern, die Sprache von fremden N-venSarien, 
dem Geiste derselben zuwiderlaufenden Konstruktionen zu reinigen, 
feste Regeln ln Hinsicht von Grammatik und Aussprache IN be 
stimmen, und die Herausgabe voriüglicher Werke zu besorgen. 
Die erste Sitzung der Gesellschaft ward durch folgend« Vorlesun 
gen gefeieir, welche um g Uhr Abends ihren Anfang nahmen. 
Admiral Lschlschkos diel, eine Eröffnungsrede üb» den Werth 
und die Vollkommenheiten der russlschen Sprache. — Fürst Gort- 
schakof laS eln Gedicht „die Unsterblichkeit" vor, und der lie 
benswürdige Dichter «rilof drei Fabeln, die mit eben der geist 
vollen, satirischen Feder geschrichen waren, durch die seine Lust 
spiel« bei Ich», noch so oft wiederholten Aufführung von neuem 
gefallen. Nach jedrr Sitzung wird ein Journal gemacht, welches 
öffentlich bekannt wird, und alle ; Monat kommen die Arbeiten 
der Gesellschaft inm Druck. So ist bis jetzt der Plan dieses nütz 
lichen und lobenSwerrhen Institutes, dessen fernere Modistkazio- 
NIN der Einsender dieses dem deutschen Publikum bekannt machen 
wird. Auf dem hiesigen deutschen Hoftheat» sind während dem 
Schluffe desselben, da in der Fastenieir kein Schauspiel seyn darf, 
an neuen Glücken einstudirr worden: Opern — das Waisenhaus 
und die Schwrlierfamilie; Trauer-, Schau, und Lustspiele, die 
Braut von M'ssna, auf namenrlichtn Befehl de« Ober-Direktors, 
Od»kammerherrn Narischkin, Bapard, Minnesänger, zugemauerte 
Fenster, blind geladen, von «otzebue, Hausfreunde, Oheim, von 
Jfflaud, argwöhnische Liebhaber von Dretzner, die Neugierigen 
von Schmidt. Auch ein Trauerspiel von Herrn Bork, renomir 
ren Lhearerdichl» und Archikomikur „Raoul Blaubart" in - Ak 
ren. Mit Eendrlllou, übersetzt von dem Doktor Schmied», Mu- 
fik vom trefflichen Sreibelt, wird das Lhearer am zweiten Oster 
tage eröffn». Konzerte, nach dem Zettel — grobeKonzerre, 
hatten wir diese Fastenieir vielleicht über dreißig. Herr Fischer 
debükirle mir dem unverschämlen Prei« von io Rubel pro Bill«. 
Uebrigenö forderte er vielmehr Bewundrung, alS er er 
hielt. Nomberg, der bescheidene gefällige Künstler entzückte 
von neuem in zwei unerhört angefüllten Konzerten, und hatte i 
S Rubel daS Bill» eine unverhälknißmäßig größere Einnahme, 
alS ebengenanuter Bassist, dem am Konzerttage zwar erst der obige 
PreiS von »er Polizei untersagt wurde. Für AlleS di-S wird er 
fich rächen und sagen, daß d«S hiesige Publikum keinen Geschmack 
har. Herr Sreibelt, der Russisch-Kaiserlicher Kapellmeister gewor 
den, gab «in Konzert, welches sehr voll und eben so bewundert 
ward. ES ist ein gcniqlischer Eompostteur. Herr Hofmann aui 
Frankfurth a. M. zeigte uns sein angenehmes Talent und seine 
Festigkeit auf dem «lavier. Herr Möser, ein bekannt» Violin 
spieler, machte mit u Liebhaberkonzcrlcn und einem Beneftzkon- 
zerr eine recht gut berechnete Finanzoperation. Herr Seidler und 
Herr Lafont gaben Violinkonzerte, so wie auch ein Herr Beer 
wal», bei »essen Konzert aber «ine vollkommene Anarchie unt-r 
den Orchestermitgliedern entstand, so daß die Meister forigingenl! 
Ein seit dem streu Monat seiner Geburt blinder Herr Gilin, spielte 
ln seinem Lonz-rre eine Phantasie, mir der einen Hand auf dem 
Fortepiano, mir der andern auf der Guitarre, und dann ein 
Allegro »oa seiner sehr artigen Komposition anf dem Forte 
piano, wob«! ihm di« übrigen Blinden deS Kaiserlichen Jn- 
stirureS der Blinden akkpmpagnirten Auch eine zehnjährigeTenloi, 
ftll« St. Preur spielte ziemlich gut auf der Harfe. Ei» elfjäh 
riger Flötenspieler aus Wien, Joseph Wolfram, gab auch ein 
Konzert. Er har vlel Talent, „iid seine Läufe macht er mir Run 
dung, Fertigkeir und Reinheit, nur scheine tr schon schwindsüchtig 
zu seyn. Der brave FerlenhiS »freute uns mir feinem englischen 
Horn in einem hübschen Konzert. Ich übergeht die vielen andern 
Kvnzertgebknden, und bewunderte nur, wie gütig daS hiesige Pu 
blikum, selbst dergleichen miserable Epilenen der Vokal - und I», 
strumentalmustk unrerstützt. Diese Nnkerstützung ward aber auch 
im reichlichen Maaße, dem «onzerr zum Besten der Wittwen «er 
storbener Musikkünstler, in welchem man baS Oratorium von.Che- 
rudini, »Nb eine große Phantasie mit vollem Orchester von dem 
achrungSwerlhen N e uko mm zu hören bekam. Soll ich noch sagen, 
daß beides ungethellteu Beifall erhielt? — Auch dje Oberdirekcion 
ließ die Schöpfung von Haydn geben, in welcher Hr. und Dem. 
Pucci, und der liebenswürdige talentvolle Sänger und Schauspie 
ler des russischen HosthearerS, Samviloff, sangen. Aus Slockholm 
kam vor mehreren Monaren ein MechaNikuS, Holländer von Ge« 
dürr, ein Herr MajuS hieher, der, wie er eben ftin mechanifch- 
oplisch-PhystscheS Kunstkabinet »öffnen wollte, sich hinlegte und — 
starb. Seine Wittwe giebt itzt die angekündigten Vorstellun 
gen, aber ihre großen Unkosten werden schwerlich wieder einkom 
men. Besser glücke« eS einen IahrmarkeSiaschenspieler, der sich 
und eine Menge unglaublicher Künste, PhanraSmagvrien UHtrüm- 
brcs chinoUes, alS Herr Mechanik»; Schäfer ankündigte. Er 
hatte ein »oller Hau§ — und war» ausgezischt. Nächstens mehr 
von beiden! — 
Karl»«.
	        
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