350
ich diesem Verlangen nicht zu widerstehen ver
mochte, sondern ihm folgen mußte, wohin cs mich
zog, so fügt' ich mich drei» und ergab mich der
Liebe. Und darin setzte ich meine Tugend, daß
ich alles that, was in meinen Kräften stand, um
durch das, wozu meine sündenhafte Natur mich
hinzog, weder dir noch mir Schmach zu bereiten.
Zu dem Ende hatte mir die mitleidige Liebe und
das gütige Schicksal einen verborgenen Weg ge
zeigt, auf dem ich ohne jemandes Vorwissen mein
Verlangen befriedigen konnte. Und dieses, von
wem du es auch erfahren habest, oder wie du es
wissest, ich läugne es nicht. Nicht der Zufall führ
te mich, wie es mancher ergehen mag, in feine
Arme,.sondern nach reiflicher Ueberlegung, crkohr
ich ihn vor jedem andern, und mit größter Be
sonnenheit führt' ich ihn bei mir ein, und durch
weise Beharrlichkeit, v»n meiner sowohl, als von
seiner Seite, habe ich lange Zeit, was,ich ver
langte, genossen. Wohl habe ich aus Liebe gesün
digt; dennoch aber scheint mir's, als ob du, dem
gemeinen Wahne mehr als der Wahrheit huldi
gend, allzu bitter mich tadelst, wenn du sagst, es
hätte dich nicht so geschmerzt, wen» ich einen ade-
iichen Mann zu dem erkohren, was ich mit ei
nem Manne von niedrigem Stande gethan. Du
bedenkst nicht, daß du so nicht meinen Fehler,
sondern den des Schicksals tadelst, das oft wol
die Unwürdigsten erhebt und die Würdigste» sin
ken läßt. Doch lassen wir dies! Betrachte jetzt
nur einmal den Ursprung aller Dinge, und du
wirst sehen, daß wir alle von einem Fleische un
ser Fleisch empfangen, und daß alle Seelen von
einem und demselben Schöpfer mit gleichen Kräf
ten, mit gleichen Fähigkeiten und gleichen Tugen
den geschaffen sind. Die Tugend war es, die im
Anfange uns, die wir Alle gleich geboren wurden
und geboren werden, unterschied, und diejenigen,
so von ihr einen größer» Antheil erhalten, und
es zeigten in ihrem Leben, wurden Adeliche ge
nannt, die übrigen aber Unadeliche; und wiewohl
späterhin ein anderer Gebrauch dies Gesetz unter
drückt hat, so ist es dennoch nicht aufgehoben,
und weder durch Natur noch durch Sitte kraft
los geworden. Darum enveiset sich der, so tu
gendhaft handelt, ossenbar als edel, und wenn er
anders genannt wird, so fehlt nicht Er, sondern
der, so ihn anders benennt. Sieh nur umher
unter allen deinen adelichen Herren, und prüfe
ihre Tugenden, ihre. Sitten und ihr Benehmen,
und von der andern Seite betrachte Guiscardo's
Weise, und du wirst, wenn du andere unbefan
gen zu urtheilen vermagst, gestehen, daß er der
Edelsten einer, alle deine Edeln aber Nichtswür
dige seyen. Was Guiscardo's Tugend und ritter
lichen Sinn anbelangt, so habe ich nicht fremder
Urtheile vertraut, sondern deinen Worten und
meinen Augen. Zn Allem, was einen wackern
Jüngling ehrt, wer hat ihn je so erhoben, wie
du? Und gewiß nicht mit Unrecht; denn, wenn
meine Augen mich nicht getäuscht haben, so hast
du ihm kein Lob ertheilt, das er nicht späterhin,
und zwar herrlicher, als deine Worte es auszu
drücken vermochten, bewährt hätte; und wäre ich
ja in diesem Falle getäuscht worden, so wäre es
durch dich geschehen."
„Wirst du nun noch sagen, daß ich mich ei
nem Menschen von niederem Stande ergeben?
Du würdest eine Unwahrheit sprechen. Wolltest
du aber vielleicht sagen: einem armen, so kann ja
niemandem die Armuth, wie oft wohl der Reich
thum, den angebornen Edelsinn rauben. Schon
viele Könige und viele große Fürsten waren arm,
und viele von denen, die das Feld bestellen und
Rinder hüte», waren einst reich, oder sind es noch.
Deinen lehren Zweifel aber, ibas du nämlich mit
mir beginnen solltest, laß immerhin fahren. Wenn
du in deinem hohen Alter noch aufgelegt bist, et
was zu thun, was du in jünger» Zähren ver
schmähtest, mich nämlich grausam zu behandeln,
so laß deiner Grausamkeit nur freien Lauf; ich
bin nicht geneigt, dich mit Bitten zu bestürmen,
da ich diesen Fehltritt, wenn es einer ist, ja selbst
herbeigeführt habe. Dieses aber versichere ich dir,
daß, was du auch über Guiscardo verhängt ha
best, oder noch verhängen mögest, wenn du njcht
mir ein Gleiches thust, ich es mit diesen meinen
eignen Händen thun werde. So geh denn, und
vergieße deine Thränen bei Weibern, und tödte
immerhin mit einem grausamen Streiche uns bei
de, wenn du meinst, daß wir es verdient."
Der Prinz kannte das hohe Gemüth seiner
Tochter, glaubte aber dessen ungeachtet nicht, daß
sie ihre Drohungen erfüllen würde. Er verließ sie
daher, und beschloß, sich auf keine Weise an ihrer
Person zu vergreifen, wohl aber durch des An
dern Bestrafung die Gluth seiner Liebe zu kühlen.
Darum befahl er den beiden, die den Guiscardo
bewachten, denselben ohne Geräusch, in der fol
genden Nacht zu erdrosseln, und das Herz des
Ermordeten ihm zu überbringen. — Diese thaten
auch, wie ihnen befohlen.
(Der Schluß folg«.)