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Volume Nro. 77, Donnerstag, den 18. April 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

ZoS 
sten haben neben der humoristischen und romanti 
schen Darstellung, den zarten, innigen, feierlichen, 
rührenden, ernsten und majestätischen Ausdruck so 
in ihrer Gewalt gehabt, als Zos. Haydn. Kein 
anderer vielleicht hat sich zugleich so reich und fast 
unerschöpflich mannichfaltig, und doch zugleich auch 
überhaupt so einfach, naiv und anspruchlos in sei, 
nen Werken gezeigt, wie dieser unsterbliche Mei 
ster. Zst bei diesem eine große Klarheit ein her 
vorstechendes Merkmal; so scheint dagegen die.Kom- 
posicionen eines mit ihm sehr verwandten Genies, 
des großen Mozart, eine besonder?Tiefe, Fülle 
und Energie des Ausdrucks auszuzeichnen. Zudem 
Haydn bei einer gewissen Popularität immer schön 
und edel bleibt, so seht dagegen Mozart durch et 
was Kühnes, Großes und Erhabenes in Erstau 
nen. So verwandt beide Genies in ihren Pro 
dukten erscheine», so innig beide ergötzen, so nimmt 
man doch bald einen freien Unterschied in ihrer 
Manier wahr. Beide können denselben Gegen 
stand gleich interessant behandeln, beide können 
populär, launig, gefällig, erhaben, rührend seyn; 
aber gewisse feine Züge werden ihre verschiedene 
Manier kenntlich machen, und bei Haydn wird 
die Kraft und Bedeutung oft mehr in der Aus, 
breitung und kontrastirenden Mannichfaltigkeit, bei 
Mozart mehr in der gedrängten Fülle und gros 
sen Einheit liegen, so baß man (wenn Tonkünst 
ler mit Dichtern verglichen werden dürfen) zwi 
schen Haydn's und Wieland'r Genius, und 
dann zwischen Mozarl'e und GLthe's oder 
Schiller'« Stil einige Aehnlichkeit finden möch 
te. Solche Meister haben großen Einfluß auf die 
Behandlung der Musik gehabt und gewissermaßen 
eigene Schulen gebildet, d. h. ihr Charakter in 
der Komposition hat ähnliche Genies begeistert, 
und so haben z. D. Winter und Eberl, jener 
in Opern und Kirchenstückeu, dieser inZnstrumen- 
talwerken der Kammermusik, vorzüglich in Mo 
zarts Geist mit eigener Originalität ihre Kunst 
auf das glücklichste ausgeübt. Nach Haydn schei 
nen sich unter andern vorzüglich der berühmte C h e- 
rubini, und zum Theil Beethoven (der sich 
aber doch mehr Mozart nähert) gebildet zu habbn, 
ohne deshalb minder originell zu seyn, und ohne 
selbst oft einen Mozartischen Genius zu verleug 
nen. Unter den ältern Komponisten findet sich 
zwischen Händel. Graun und Zo. Seb. Bach 
einige Verwandtschaft, wiewol der leztere die an 
dern alle an tiefgeschöpfter Reichhaltigkeit, Fülle 
und Regelmäßigkeit der harmonischen Kunst über 
trifft, und dagegen meist weniger populär ist. K. 
Ph. Emanuek Bach bildete auch wieder eine ei 
gene Manier und gleichsam eine Schule, in wel 
cher Männer, wie E. W. Wolf, Häßler und 
I. A. P. Schulz sich auszeichneten. Zhm in 
feiner zarten, gesangreichen, oft kühnen und er 
habenen, gedankenvollen (und nur selten etwas 
eigensinnigen oder schwülstigen) Musik konnte man 
vielleicht den Barden Klo pflock vergleichen. Cle- 
menti, der in seinen Clavier-Compositionen ori 
ginell in den Zdeen, und eben so gefällig und 
einschmeichelnd, als kraftvoll und erhaben ist, ver 
einigt mit dem Geschmeidigen, Brillanten der ita 
liänischen Musik, die Kraft und den Reichthum 
der deutschen Harmonie; er hält gewissermaßen 
das Mittel zwischen Haydn und Mozart; er ist 
klar, ohne leer; prächtig und erhaben, ohne 
schwülstig zu seyn. Er verschmäht das Gemeine 
und ist immer voll edeln Ausdrucks. Auch besitzt 
er die Kunst in der Manier älterer und neuerer 
Componisten zu schreiben, und wetteifert in seinen 
Fugen mit Seb. Bach. An süßer gefälliger Me 
lodie und tiefem harmonischen Gehalt scheint ihm 
der große Virtuose Dussek ähnlich, welcher bei 
seiner Originalität übrigens nicht leicht mit einem 
andern Componisten zu verwechseln ist. 
C. F. Michaelis. 
Fortuna. 
Vor einiger Zeit erschien im Reiche der Plan 
zu einer äußerst sonderbaren Lotterie. Ein Mäd 
chen — Fortuna nannte sich die Schöne — er 
klärte: sich ausspielen zu lassen. Sie hakte 16000 
Rthl. baares Vermögen, war 23 Zahre alt, hatte 
eine ihrem Stande angemessene Erziehung genos 
sen, und versicherte mit aller Bescheidenheit, daß 
sie eine von sonstigen Fehlern ihres Geschlechts 
entfernte, reine, sittliche Jungfrau sey. Ein Ku 
pferstich, der dem Lokterieplane beigefügt war, 
stellte ein volles üppiges Mädchen von lieblicher 
Gesichtsbildung dar. 
„Es haben viele," erzählte sie in dem Plane, 
„um meine Hand geworben: allein mein Vater 
hatte an jedem Ausstellungen zu machen. Bis 
auf einen liebte ich keinen meiner Brautwerber, 
weil ich fürchtete, daß alle nur um mein Vermö 
gen, keiner um mein Herz buhlte: dieser eine um 
fing aber mich mit reiner Liebe ohne alle Neben 
absichten; allein weil auch diesem mein Vacer 
meine Hand versagt hatte, so faßte ich den festen 
Vorsatz, so lange, als mein Vater lebt, unverhei-
	        
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