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melodiös, und, wenn sie nur etwas rasch gespielt
werden, von vielem Effekt. Wir machen alle
Freunde der Guitarre auf sie aufmerksam.
W.
Ueber Herrn D. Kolbe'S Sprachreinigungs-
Versuche.
' (Schluß.)
Nicht überflüßig scheint uns s) ein gros
ser Theil der wissenschaftlichen Kunstausdrücke.
Wir geben gern zu, daß die gemeinfaßliche, für
das Volk bestimmte Darstellung dessen, was aus
den Untersuchungen der Denker aller Zeiten als
endliches Ergebniß hervorgegangen, der alten, seit
Jahrhunderten eingeführten Kunstsprache nicht nur
entbehren könn?/ sondern dieselbe sogar als hem
mend und zweckwidrig vön sich wtife; und dies
ist's wohl auch, was Leibnitz meint, wenn er
in der unten angeführten Stelle *) sich gegen den
Gebrauch ausländischer Kunstwörter im Vortrage
philosophischer Wahrheiten zu erklären scheint. Er
selbst konnte sich ihrer nie einschlagen, und selbst
da, wo er Gegenstände des gemeinen Lebens be
handelt, wimmelt sein deutscher Styl von barba
rischen Ausdrücken und Wendungen. Ja er ge
steht an einem andern Orte, daß im Vortrage
wissenschaftlicher Erkenntnisse eine gewisse Kunst
sprache schlechterdings unvermeidlich sey. '*) Und
dem ist wohl auch also. Unsere wissenschaftliche
Bildung ist nicht, wie die Sprache, unser selbstge
schaffenes Eigenthum. Auf den Höhen griechischer
Bildung sproßte zuerst die Blume reiferer Erkennt
niß ; günstige Lüfte wehten den befruchtenden Blu
menstaub herüber in die neuere Zeit, und neue,
nitgesehene Blumengebilde keimten hervor, man
nigfaltig an Dust und Gestalt, je nachdem Him
melsstrich, Boden und Pflege ihr Gedeihen beför
derten oder aufhielten. Aber durch die vielfach
veränderte Form schimmert immerfort die ursprüng-
•) „lllnd igitur pro certo habendem est, quleqmd termi-
uis pojnilarilms explicari non potest, esse imlluni et
• philosophia velut pecnliari quodasn carmine arcen-
duB. S. Leibn. diss, de Stilo philos. j. XIII.
«. d. SB.
•*) Terminis technicis plane carendnm ab iisque caven-
dum eil, quoad fieri potest; sieri aotera »emper
non potest prolixitatis causa, quae otitnra esset, ai
utrudnm esset Semper TOCabtUit popularibns.“ S. #its.
«»>». S- A. ». «.
liche Bildung hindurch, und nie vermag der Do,
den das Fremde so ganz sich anzueignen, daß es
alles, was von seinem Ursprünge ihm beiwohnt,
verliere und in Gestalt und Blüthe und Frucht
dem Einheimischen gleich werde. Es möchte nicht
schwer fallen, zu beweisen, daß, wollten wir von
der Sprache der neuern Wissenschaften alles, was
aus alten Sprachen in sie übergegangen, scho,
nungslos abscheiden, ihr völliger Untergang zu be-
fürchten stünde. Die Gründer wissenschaftlicher
Lehrgebäude, tue sich jetzt so frei und leicht in den
gewohnten Formen bewegen, würden in dem en,
gen, fremden Kleide neuer Wortbildungen unge
lenk und unbeholfen einhcrschreiten, und nie oder
doch nur langsam zum Ziele gelangen. Es läßt
sich mit ziemlicherGewißheit behaupten, daß, wenn
Kant statt der philosophischen Kunstsprache, deren
er sich bediente, überall nur ächt-deutsche Aus
drücke hätte gebrauchen sollen, die Kritik der rei
nen Vernunft nie zu Stande gekommen wäre.
Und gesetzt auch, es wäre ihm gelungen, wie viel
häufiger würde feine Lehre mißverstanden worden
seyn, als sie es ohnedem schon ward. Mit den
Worten Kategorie, Kritik, Metaphysik, Subjekt,
Prädikat re. re. verbindet jeder, dem die Untersu
chungen früherer Denker nicht ganz unbekannt sind,
den richtigen Begriff, und wo Kant hier und da
von dem angenommenen Gebrauche abwich, da be
dürfte es oft nur einer kurzen Andeutung, um
mögliche Mißverständnisse zu verhüten. Wie ganz
anders würde es geworden seyn, wenn er jeden
dieser Ausdrücke mit einem gleichbedeutenden va
terländischen hätte vertauschen sollen! — Wie-reich
und fügsam auch immer unsere Sprache seh, hier,
wo es auf schnelles Verstehen, auf das Festhalten
eines bestimmten Begriffe ankam, hätte sie sicher
lich nicht ausgereicht, und unzählige Mißverständ
nisse, endloser Wortstreit, und vielleicht, wenn
die Streiter ermüdet wären, gänzlicher Zusammen
sturz des Lehrgebäudes — wären die unausbleib
liche Folge gewesen. — „Aber soll denn, was in
den Schulen der Weisen als ausgemachte Wahr
heit erfunden worden, nimmer übergehen in das
Leben des Volks? Soll der Baum der Erkennt
niß, der als hoher lebendiger Sproß bas Auge
der Menschheit erfreuen, seine tausend Aeste so
gern durch den Weltraum breiten möchte, ewig
eingezwängt in das enge Behältniß eines Treib
hauses unter den schirmenden Händen seiner Pfle,
ger zusammenwachsen, ein verkrüppelter Sturz?"
— Wer möchte dies auch wolle»! Aber meint ihr,
die ihr also sprecht, es bedürfe nur eines reindeut-