Path:
Volume Nro. 6, Dienstag, den 8. Januar 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

schrecklicher Angst, hinter ihr Rosalie, leichenblaß, 
an Lanihcns Arme, - 
Die Tante ergriff mich, als stünde auf mei 
nem Kopfe ein Preis. „Gut, daß ich Sie finde. 
Rosalie ist unwohl. Zch muß hier bleiben. Bei 
Marien und Florentinen. Fahren Sie mit ihr 
— mit der Rofalie — Lanih fährt selbst. — Es 
könnte was passiren. Nacht ist es — Sie ist al 
lein — Fahren Sie mit." 
Das ist wieder eine gute Parthie, dachte ick, 
da sollst du Nosalien hüten, gegen einen Husaren- 
Adjutanten hüten; wäre doch die infame Reise tn's 
- Lager, wo der Pfeffer wächst. 
Marie kam, um gute Nacht von Rosalien zu 
nehmen. „Cediren," raunte sie mir in das Ohr, 
„mich einem Prinzen cediren, pfui, pfui, pfui. 
Zn meinem Leben vergesse ich Ihnen das nicht. 
Zch konnte, ich wollte mit dem Prinzen nicht tan 
zen, er war vorhin bei dem ersten Tanze unartig, 
ungezogen gegen mich gewesen, und Sie, — Sie 
wollen ihm mich cediren?" 
„Fräulein, meine himmlische Marie, wußte 
ich denn das alles?" 
„Auch wenn Sie das nicht wußten. Ein Mäd, 
chen, das sich Zhnen anvertraut, müssen Sie nie 
cediren, nie, nie, auch keinem Prinzen!" 
Sie war doch wieder gut. Wenn Sie sprach, 
wurde sie immer wieder gut. Sie reichte mir die 
Hand. „Gute Nacht, dummer Mensch," sagte 
sie lachend, und gieng in die Gesellschaft zurück. 
Zch hob Rosalien in den Scheibenwagen. Zch 
setzte mich nebe» sie. Lanitz auf den Bock. Er 
fuhr selbst. Zn Karriere gieng es der Stadt zu. 
Rofalie bat um Gotteewillen, nicht so rasch zu 
fahren, aber erst, als wir auf die Chaussee, auf 
das Pflaster kamen, griff Lanitz in die Zügel. 
Zch hatte die Kranke in meinen Arm gelehnt. 
Sie meinte, sie läge so recht gut, es sey ihr bes, 
ser. Der Versucher trat wieder zu mir« Dem 
Husarenadjulanten ein Bein zu stellen, meine äl 
tern Rechte geltend zu machen, mich für den heu 
tigen überfreundlichen guten Morgen zu rächen, 
das, das brütete der böse Dämon, der mich auf 
dieser ganzen Reise, von Anbeginn an, begleitete, 
bald in mir aus. „Fahr Du nur, mein Brüder 
chen, da draußen auf Deinem Bocke, wir wollen 
in unserm huschigen Wägelchen schon nachkom 
men," dachte ich, zog die üppige Rosalie dichter 
an mich, und küßte ihr Stirn und Wange. Zch 
umfaßte, ich umschlang das reihende Mädchen. 
Sie schwieg. Lanitz hatte seine Augen auf die 
Mohrenschimmel geheftet. Das wußte das Mäd 
chen. Rofalie drängte noch enger sich an mich. 
Die Lippen zitterten mir von süßer Freude. Zn 
der Tiefe ihres Busens sogen sie glühenden Nek 
tar. Rosalie schlang rasch ihren Arm um mich. 
Zhre kleinen Finger krampflen sich auf meiirer 
Achsel zusammen. Sie knipp, daß ich hätte laut 
aufschreien mögen, aber ich schwieg. Man hätte 
mir Arm und Bein ausrenken können, ich hätte 
geschwiegen. Zch dachte an den alten Oberforst 
meister und an seinen Satz von der Stunde. 
Rosalie stöhnte, als ob sie aus einer Ohn 
macht erwachte. Sie klagte über das Stoßen des 
Wagens: ich setzte sie auf meinen Schooß. Rosa 
lie lößte sich das Leibchen und alle Bänder. Der 
Hammer zur Stunde des Oberforstmeisters hob 
aus, eben sollte sie schlagen, die seelige Stunde — 
da hielt der Wagen. Zch fuhr ans Fenster. Wir 
standen in einer schmalen Straße vor einem klei 
nen Hause. Das war nicht die Wohnung der 
Tante Polangen. Zch stutzte. 
„Steigen Sie aus," lispelte mir Lanih vom 
Bocke durch die Fensterscheibe in den Wagen, „stei 
gen Sie aus, lieber Freund. Wie geht es Dir, 
liebe Rosalie?" 
„Ach Gott, nicht gut. Zch glaube, ich habe 
den ganzen Weg in Ohnmacht gelegen. Macht 
nur, daß ich herauskomme. Der Wagen stieß! 
ich konnte fast nicht länger es aushalten." 
Zch war unterdessen ausgestiegen. „Fragen 
Sie doch hier einmal," versetzte Lanih, „hier in 
dem kleinen Hause nach Madame Kolbe, ich weiß, 
hol mich der Teufel, nicht recht gewiß, ob sie 
hier, oder darneben wohnt. Es ist ja so pechfin 
ster, daß man die Hand nicht vor sich sehen 
kann." 
Zch stutzte wieder, und klopfte an den Fen 
sterladen des kleinen Hauses. Rosalie wimmerte 
in dem Wagen. 
„Eine alte Frau öffnete den Laden. Zch frug 
nach Madam Kolbe." 
„Kolbe? Kolbe? Madam Kolbe? nein, die 
weiß ich nickt." 
„Die Hebamme! in'ö drei Teufelsnamen," 
polterte Lanitz vom Bocke herunter. 
„Ach die, ja die wohnt hier neben an. Dicht 
neben an."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.