Path:
Volume Nro. 65, Montag, den 1. April 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

$59 
gen würde, zu beschwichtigen wußte. Sie nahm, 
auf die wiederholte inständige Erinnerung dessel 
ben, unter diesen Umständen seiner Familie we 
nigstens mit Lebensmitteln beizuspringe», der 
Tochter den Korb aus der Hand, und indem sie 
ihn dem Knaben gab, sagte sie ihm: „er solle an 
den Miwenweiher, in die nahgelegnen Waldberge 
hinaus gehn, und ihn der daselbst befindliche» 
Familie des fremden Offiziers überbringen. „Der 
Offizier selbst," solle er hinzusetzen, „befinde sich 
wohl; Freunde der Weißen, die selbst viel der 
Parthei wegen, die sie ergriffen, von den Schwar 
zen leiden müßten, hätten ihn in ihrem Hause 
mitleidig aufgenommen. Sie schloß, daß, sobald 
die Landstraße nur von den bewaffneten Neger- 
haufen, die man erwartete, befreit wäre, man so 
gleich Anstalten treffen würde, auch ihr, der Fa, 
milie, ein Unterkommen in diesem Hause zu ver 
schaffen. — Hast du verstanden? fragte sie, da 
sie geendet hatte. Der Knabe, indem er den 
Korb auf seinen Kopf setzte, antwortete: daß er 
den ihm beschriebenen Möwenweihcr, an dem er 
zuweilen mir seinen Kameraden zu fischen pflege, 
gar wohl kenne, und daß er Alles, wie man es 
ihm aufgetragen, an die daselbst übernachtende 
Familie des fremden Herren bestellen würde. Der 
Fremde zog sich, auf die Frage der Alten: ob er 
noch etwas hinzuzusetzen hätte? noch einen Ring 
vom Finger, und händigte ihn dem Knaben ein, 
mit dem Auftrag, ihn zum Zeichen, daß es mit 
den überbrachten Meldungen seine Richtigkeit ha 
be, dem Oberhaupt der Familie, Hrn. Strömli, 
Jju übergeben. Hierauf traf die Mutter mehrere, 
die Sicherheit des Fremden, wie sie sagte, ab 
zweckende Veranstaltungen; befahl Toni, die Fen 
sterladen zu verschließen, und zündete selbst, um 
die Nacht, die dadurch in dem Zimmer herrschend 
geworden war, zu zerstreuen, an einem auf dem 
Kaminsims befindlichen Feuerzeug, nicht ohne 
Mühseligkeit, indem der Zunder nicht fangen 
wollte, ein Licht an. Der Fremde benutzte diesen 
Augenblick, um den Arm sanft um Toni'6 Leib 
zu legen, und ihr ins Ohr zu flüstern; wie sie 
geschlafen? und: ob er die Mutter nicht von dem, 
was vorgefallen, unterrichten solle? doch auf die 
erste Frage antwortete Toni nicht, und auf die 
andere versetzte sie, indem sie sich aus feinem Arm 
loswand: nein, wenn ihr mich liebt, kein Wort! 
Sie unterdrückte die Angst, die alle diese lügen 
hafte» Anstalten in ihr erweckten; und unter dem 
Vorwand, dem Fremden ein Frühstück zu berei 
ten, stürzte sie in daö untere Wohnzimmer herab. 
Sie nahm aus dem Schrank der Mutter 
den Brief, worin der Fremde in seiner Unschuld 
die Familie eingeladen hatte, dem Knaben in die 
Niederlassung zu folge»; und auf gut Glück hin, 
ob die Mutter ihn vermissen würde, entschlossen, 
im schlimmsten Falle den Tod mit ihm zu leiden, 
flog sie damit dem schon auf der Landstraße wan 
dernden Knaben nach. Denn sie sah den Züng- 
ling, vor Gott und ihrem Herzen, nicht mehr als 
einen bloßen Gast, dem sic Schuh und Obdach 
gegeben, sondern als ihren Verlobten und Ge 
mahl an, und war Willen«, sobald nur seine Par 
thei im Hause stark genug seyn würde, dies der 
Mutter, auf deren Bestürzung sie unter diesen 
Umständen rechnete, ohne Rückhalt zu erklären. 
„Nanky," sprach sie, da sie den Knaben athemlo« 
und eilfertig auf der Landstraße erreicht hatte: 
„die Mutter hat ihren Plan, die Familie Hrn. 
Strömli's anbetreffend, umgeändert. Nimm die 
sen Brief. Er lautet an Hrn. Strömli, das al 
te Oberhaupt der Familie, und enthält die Ein 
ladung, einige Tage mit Allem, was zu ihm ge 
hört, in unserer Niederlassung zu verweilen. — 
Sey klug und trage selbst alles Mögliche dazu bei, 
diesen Entschluß zur Reife zu bringen; Congo 
Hoango, der Neger, wird, wenn er wiederkömmt, 
es dir lohnen!" Gut, gut, Base Toni, antwor 
tete der Knabe. Er fragte, indem er den Brief 
sorgsam eingewickelt in ftine Tasche steckte: und 
ich soll dem Zuge, auf seinem Wege hierher, zum 
Führer dienen? „Allerdings," versetzte Toni; „da« 
versteht sich, weil sie die Gegend nicht kennen, von 
selbst. Doch wirst du, möglicher Truppcnmärsche 
wegen, die auf der Landstraße statt finden könn 
ten, die Wanderung eher nicht, als um Mitter 
nacht antreten; aber dann dieselbe auch so beschlcu 
nigen, daß du vor der Dämmerung des Tage» 
hier eintriffst. — Kann man sich auf dich verlas 
sen? fragte sie. Verlaßt euch auf Nanky! antwor 
tete der Knabe; ich weiß, warum ihr diese weiße, 
Flüchtlinge in die Pflanzung lockt, und der Ne 
gcr Hoango soll mit mir zufrieden seyn! 
Hierauf trug Toni dem Fremden das Früh 
stück auf; und nachdem es wieder abgenommn 
war, begaben sich Mutter und Tochter, ihre 
häußlichen Geschäfte wegen, in das vordere Wohr 
zimmer zurück. Es konnte nicht fehlen, daß di 
Mutter einige Zeit darauf an den Schrank tra> 
und, wie es natürlich war, den Brief vermißt 
Sie legte die Hand, ungläubig gegen ihr Gedäch 
niß, einen Augenblick an den Kopf, und frag' 
Toni: wo sie den Brief, den ihr der Fremde g
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.