Tagesbegebenheiten.
Aus Kurland.
(Schluß.)
©i« «st« SoriltUanj war nach lern Klipse« gnS Wielands
Werken, die Erasien, welche den Amor in einem mit Blumen ge
schmückten Korbe -mporiragen, erstere durch III bis «jährige Mäd
chen, letzt,r« durch einen riäbrigen Knaben repräseniire. Die Dor-
steliung gelang sehr. Die Bestair und Haltung der belebte» Bilder
war dem g wählten Gemählde einsprechend, eben s» auch die
zweite Vorstellung, Amor und Psyche, in dem Moment, alS lei
tete den schlafenden Sohn CycherenS mit »er Lampe drlenchtet,
und »oll süßen Erstaunens erkennt. Die Bestallen waren gerade
von der Größe, wie st« in der »restlichen Maruiorgruppe im Tau,
rischen PalaiS in Petersburg IN sehen stnd, im Uebirgange von
dem Kinde rum Jüngling und >»r Jungfrau. Die Lieblichkeit,
Zarlheir und Schöne indessen war hier in den athmend'n Bildern
nichi weniger anschaulich, obgleich ein griechisches Gewand ste
züchtig umstoß. Nun folg» da§ Urtheil deö Paris, nach einem Ge
mählde von Angelika Kaufmann. Diese Vorstellung befriedigte
am wenigsten; denn die Göriinnen, durch eben dieselben jungeil
Mädch-n vorgestell-, waren nielir durch ihre Arrribure, als durch
Ausdruck und Hallunz kenni ich, »nd den »arren kindlichen See
len konnte nimmer der Ausdruck ein« statten Gattinn des Donne
rers, noch die steif« Würde der Minerva, oder di« kokette Zuver-
stcht der DeniiS gelingen; nur Paris war durch Gestalt und AuS,
»ruck an seinem Plah, und hielt mir lächelut« Richiermiene den
goldnen Apfel in der Hand. Desto entzückender war die nun fol
gende Vorstellung- Niobe, die mit Verzweiflung im wilden, zum
Himmel gerichteten Blick »orschreiter, während ihr letztes Kind stch
in ihrem Schooße verbirgt und mir gewandt«, ausgestreckter Hand
den lödrenden Pfeil des f«n hinneffenden PhoiboS Apollon gleich
sam von stch abwehre» will. Niobe hat die eine Hand l«m Him
mel, wie im Krampfe, erhoben, indeß die andere ihr letztes Kind
noch umschließt. Im halb geöffneten Munde, »m den die Wer,
zweistung rücke, scheint ein Bvrwurs gegen die Götter zu erst»:-»,
und die ganze Gestalt starrte ein leidendes, tief erschütterndes Le
ben, wie der Dichter ste beschreibt:
Und sie erstarrte vor Gram. Ihr regt kein Lüftchen die Haare:
Blutlos wird und bleich »aS Gesicht, auf traurigen Wangen
Steh« das Aug' unbewegt, nichts Lebendes bleibt in dem Bildniß.
Mit Beben füllte diese Darstellung die Zuschauer, und wech,
selke »ah« augenthm mit »et folgenden, die in einer daß Her» rüh
renden Famiiienscene bestand. Sin« Mutter, auf eine« Armstuhle
sitzend, empfängt den Morsengruß von ihren Kinder». Hini« ih
rem Sluhlt stch» die beinahe erwachsenen, rochier NN» Sehn,
»iS hätten ste eben »er Mutt« die Hand geküßt, und diese nun
den »üngereu Geschwistern übrrlaffeu. Ueder den Stuhl reckt auf
den, nach ihm reichenden Muererari» gestützt, ein kleines MädKen
den Kopf, und scheine den Mund zum Kuffe ,u spitzen, während
ein Anderes stch an ihreKnie schmiegt, und noch ein Anderes dnrch
den gebogenen Ar>n durchdlickr. SS war ein ii-dlichrS Bild »eS
stillen Familienglück« in Mnrter- und Kindesliebe, und man sah,
daß rS eine wirkliche Mutter war, die ihr eigen,§ häusliches Leben
spielte. Nun folgte Cornelia, di« Mutter der Drachen, die aus ihre
Söhne, a>§ ihren schönste» Schmuck, deuret, während die ste besu
chende vornehme Römerinn b-n ihrige» i» bdelgesteine» und Per
len leigte. Auch dieses Bild war schön, »nd mit einer passenden
Deutung auf die jetzige Zeit >u bestehen, wo mir der Schmuck
ein« Cornelia noch übrig bleiben kann, während die Perlen
der Essig ini Schicksale aller Völker bald alle aufgelöst hat»
und di« Cdelgesteine von demselben Schicksale »u Pulver ge
schlagen werden. Di« Schiußvorstellung war die Verkündi
gung. Ein Engel kniet vor Maria, die mir gesenkrem, de»
mürhlgem Blick, und auf die Brust g egrem Arm die Ver
kündigung deS EngeiS anhöre, der mit der einen Hand eine
Lilie an Maria reicht, mit der andern auf d-n Himmel beulet, a«S
dem « die Botschaft bringt. Dilse Vorstelln, g war wirklich s»
gelung-n, so in Costume, Gestaltung der Figuren und ihreS Mimi
schen AuSdruckS richtig gehaittn, daß ste den reinsten Kunstgenuß
gewähren muß». Mir diesem letzten schönen BitSe schloffen sich
hie mimisch'» Vorstelhungen, und nun ward getan,k, bis schon ge
gen Mitternacht die Thüre deS Nebenzimmers noch einmal auffwg
und ein schöner, hell «leuchtetkr Christbaum für alle anwesenden
Sinder Chkistgeschenke trug, die von der Dam«, «eiche in der leh
ren mimischen Vorstellung den Engel repräseuiirt hatte, in dem
selben Costume, mir ausgebreitetem Schwaneugefieder, ausgetheilt
wurden. Die Bescherung der Kinder, von denen kein einriges leer
ausging, «hielt dadurch auch für die erwachsenen Zuschauer «was
heiliges, magisch!«, und ward so wieder ein bewegliches schönes
Gemählde voll Würde, Ausdruck und Rührung. Alle die kleinen
aufmerksam g-soannren Gesicht«, Mil dem Ausdruck »er frendigm
Erstaunens, oder des höchsten Jubels, jeder, froh und seelig in
seine», empfangene» Geschenk sollte ein solcher Anblick seeiiger
Kindheit irgend -in Her; ungerührt lasst» können? Und gewiß wird
solch -in Tag den Kindern, wenn auch sie längst schon in die Lei
den deS Schicksals und menschlich« Noch und Plage eingeweiht
worden, alS ei» süßeS Traumbild erscheinen, und ste «halten so
eine Mirgade für die Phantast-, die so gern »nd so glücklich In
die Kind-kleit lurückblickr, und werden sich selbst im Alk« aller
der liedlichen Bilder «innern, di- st- hl« erschaut, und deS En
gels, der die Gaben austheilte, und der Freudenchränen unb der
Sprünge, mit denen ste st- empfingen. Wer, gedrängt i» die FeS,
fei der Zeit und deS Schicksals, nicht allenthalben Freude genießen
«nd um stch verbreiten kann, vermag doch den Kindern, diesen
Glücklichen, mir d« Rosendinde um das klare freudige Aug», ste so
leicht Ul geben» uud er thue es gern: denn hier ist ihm allein'
nur möglich, da« Glück in gchiegeuem reinen Gl«»««, ohne Mi
schung schwan-r trüder Schlacken, zu v«ehe,len. So endete sich
der schöne Abend, der den Nachgennß froher Erinnerungen a«S
dem »Iren Jahre in daS heramiahende neue rief.
Man find« in allen öffencltchen Dtättern f» häufig die Er>äh<
lung solcher Begebenheiten, wo Menschen litten, wo fie Tod »her
El nd traf. Doch gilt — das frage ich euch, ihr fühlenden Her-
gen — gilt die Stunde einer Schlacht, in der Hunderte von Men
schen starden oder verwundet wurden, gilt fie mehr a-i Interesse,
als die Erzählung eines frohe» Abends, wo 50 Menschen wirk
lich einig und von H«,en froh waren 7
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