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Volume Nro. 64, Sonnabend, den 30. März 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

Tagesbegebenheiten. 
Aus Kurland. 
(Schluß.) 
©i« «st« SoriltUanj war nach lern Klipse« gnS Wielands 
Werken, die Erasien, welche den Amor in einem mit Blumen ge 
schmückten Korbe -mporiragen, erstere durch III bis «jährige Mäd 
chen, letzt,r« durch einen riäbrigen Knaben repräseniire. Die Dor- 
steliung gelang sehr. Die Bestair und Haltung der belebte» Bilder 
war dem g wählten Gemählde einsprechend, eben s» auch die 
zweite Vorstellung, Amor und Psyche, in dem Moment, alS lei 
tete den schlafenden Sohn CycherenS mit »er Lampe drlenchtet, 
und »oll süßen Erstaunens erkennt. Die Bestallen waren gerade 
von der Größe, wie st« in der »restlichen Maruiorgruppe im Tau, 
rischen PalaiS in Petersburg IN sehen stnd, im Uebirgange von 
dem Kinde rum Jüngling und >»r Jungfrau. Die Lieblichkeit, 
Zarlheir und Schöne indessen war hier in den athmend'n Bildern 
nichi weniger anschaulich, obgleich ein griechisches Gewand ste 
züchtig umstoß. Nun folg» da§ Urtheil deö Paris, nach einem Ge 
mählde von Angelika Kaufmann. Diese Vorstellung befriedigte 
am wenigsten; denn die Göriinnen, durch eben dieselben jungeil 
Mädch-n vorgestell-, waren nielir durch ihre Arrribure, als durch 
Ausdruck und Hallunz kenni ich, »nd den »arren kindlichen See 
len konnte nimmer der Ausdruck ein« statten Gattinn des Donne 
rers, noch die steif« Würde der Minerva, oder di« kokette Zuver- 
stcht der DeniiS gelingen; nur Paris war durch Gestalt und AuS, 
»ruck an seinem Plah, und hielt mir lächelut« Richiermiene den 
goldnen Apfel in der Hand. Desto entzückender war die nun fol 
gende Vorstellung- Niobe, die mit Verzweiflung im wilden, zum 
Himmel gerichteten Blick »orschreiter, während ihr letztes Kind stch 
in ihrem Schooße verbirgt und mir gewandt«, ausgestreckter Hand 
den lödrenden Pfeil des f«n hinneffenden PhoiboS Apollon gleich 
sam von stch abwehre» will. Niobe hat die eine Hand l«m Him 
mel, wie im Krampfe, erhoben, indeß die andere ihr letztes Kind 
noch umschließt. Im halb geöffneten Munde, »m den die Wer, 
zweistung rücke, scheint ein Bvrwurs gegen die Götter zu erst»:-», 
und die ganze Gestalt starrte ein leidendes, tief erschütterndes Le 
ben, wie der Dichter ste beschreibt: 
Und sie erstarrte vor Gram. Ihr regt kein Lüftchen die Haare: 
Blutlos wird und bleich »aS Gesicht, auf traurigen Wangen 
Steh« das Aug' unbewegt, nichts Lebendes bleibt in dem Bildniß. 
Mit Beben füllte diese Darstellung die Zuschauer, und wech, 
selke »ah« augenthm mit »et folgenden, die in einer daß Her» rüh 
renden Famiiienscene bestand. Sin« Mutter, auf eine« Armstuhle 
sitzend, empfängt den Morsengruß von ihren Kinder». Hini« ih 
rem Sluhlt stch» die beinahe erwachsenen, rochier NN» Sehn, 
»iS hätten ste eben »er Mutt« die Hand geküßt, und diese nun 
den »üngereu Geschwistern übrrlaffeu. Ueder den Stuhl reckt auf 
den, nach ihm reichenden Muererari» gestützt, ein kleines MädKen 
den Kopf, und scheine den Mund zum Kuffe ,u spitzen, während 
ein Anderes stch an ihreKnie schmiegt, und noch ein Anderes dnrch 
den gebogenen Ar>n durchdlickr. SS war ein ii-dlichrS Bild »eS 
stillen Familienglück« in Mnrter- und Kindesliebe, und man sah, 
daß rS eine wirkliche Mutter war, die ihr eigen,§ häusliches Leben 
spielte. Nun folgte Cornelia, di« Mutter der Drachen, die aus ihre 
Söhne, a>§ ihren schönste» Schmuck, deuret, während die ste besu 
chende vornehme Römerinn b-n ihrige» i» bdelgesteine» und Per 
len leigte. Auch dieses Bild war schön, »nd mit einer passenden 
Deutung auf die jetzige Zeit >u bestehen, wo mir der Schmuck 
ein« Cornelia noch übrig bleiben kann, während die Perlen 
der Essig ini Schicksale aller Völker bald alle aufgelöst hat» 
und di« Cdelgesteine von demselben Schicksale »u Pulver ge 
schlagen werden. Di« Schiußvorstellung war die Verkündi 
gung. Ein Engel kniet vor Maria, die mir gesenkrem, de» 
mürhlgem Blick, und auf die Brust g egrem Arm die Ver 
kündigung deS EngeiS anhöre, der mit der einen Hand eine 
Lilie an Maria reicht, mit der andern auf d-n Himmel beulet, a«S 
dem « die Botschaft bringt. Dilse Vorstelln, g war wirklich s» 
gelung-n, so in Costume, Gestaltung der Figuren und ihreS Mimi 
schen AuSdruckS richtig gehaittn, daß ste den reinsten Kunstgenuß 
gewähren muß». Mir diesem letzten schönen BitSe schloffen sich 
hie mimisch'» Vorstelhungen, und nun ward getan,k, bis schon ge 
gen Mitternacht die Thüre deS Nebenzimmers noch einmal auffwg 
und ein schöner, hell «leuchtetkr Christbaum für alle anwesenden 
Sinder Chkistgeschenke trug, die von der Dam«, «eiche in der leh 
ren mimischen Vorstellung den Engel repräseuiirt hatte, in dem 
selben Costume, mir ausgebreitetem Schwaneugefieder, ausgetheilt 
wurden. Die Bescherung der Kinder, von denen kein einriges leer 
ausging, «hielt dadurch auch für die erwachsenen Zuschauer «was 
heiliges, magisch!«, und ward so wieder ein bewegliches schönes 
Gemählde voll Würde, Ausdruck und Rührung. Alle die kleinen 
aufmerksam g-soannren Gesicht«, Mil dem Ausdruck »er frendigm 
Erstaunens, oder des höchsten Jubels, jeder, froh und seelig in 
seine», empfangene» Geschenk sollte ein solcher Anblick seeiiger 
Kindheit irgend -in Her; ungerührt lasst» können? Und gewiß wird 
solch -in Tag den Kindern, wenn auch sie längst schon in die Lei 
den deS Schicksals und menschlich« Noch und Plage eingeweiht 
worden, alS ei» süßeS Traumbild erscheinen, und ste «halten so 
eine Mirgade für die Phantast-, die so gern »nd so glücklich In 
die Kind-kleit lurückblickr, und werden sich selbst im Alk« aller 
der liedlichen Bilder «innern, di- st- hl« erschaut, und deS En 
gels, der die Gaben austheilte, und der Freudenchränen unb der 
Sprünge, mit denen ste st- empfingen. Wer, gedrängt i» die FeS, 
fei der Zeit und deS Schicksals, nicht allenthalben Freude genießen 
«nd um stch verbreiten kann, vermag doch den Kindern, diesen 
Glücklichen, mir d« Rosendinde um das klare freudige Aug», ste so 
leicht Ul geben» uud er thue es gern: denn hier ist ihm allein' 
nur möglich, da« Glück in gchiegeuem reinen Gl«»««, ohne Mi 
schung schwan-r trüder Schlacken, zu v«ehe,len. So endete sich 
der schöne Abend, der den Nachgennß froher Erinnerungen a«S 
dem »Iren Jahre in daS heramiahende neue rief. 
Man find« in allen öffencltchen Dtättern f» häufig die Er>äh< 
lung solcher Begebenheiten, wo Menschen litten, wo fie Tod »her 
El nd traf. Doch gilt — das frage ich euch, ihr fühlenden Her- 
gen — gilt die Stunde einer Schlacht, in der Hunderte von Men 
schen starden oder verwundet wurden, gilt fie mehr a-i Interesse, 
als die Erzählung eines frohe» Abends, wo 50 Menschen wirk 
lich einig und von H«,en froh waren 7 
— PP —
	        
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