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Volume Nro. 63, Freitag, den 29. März 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

D i e Verlobung. 
(Fortsetzung.) 
Die Mutter bcmcrkre, indem sie nach der 
ÄZanduhr sah, daß ee überdies nahe an Mitter 
nacht sey, nahm ein Licht in die Hand, und for- 
dertc de» Fremden auf, ihr zu folgen. Sie führte 
ihn durch einen langen Gang in das für ihn be 
stimmte Zimmer; Toni trug den Ueberrock des 
Fremden und mehrere andere Sachen, die er ab 
gelegt hatte; die Mutter zeigte ihm ein von Pol 
stern bequem aufgestapeltes Bett, worin er schla 
fen sollte, und nachdem sie Toni noch befohlen 
harte, dem Herrn ein Fußbad zu bereiten, wünsch 
te sie ihm eine gute Nacht und empfahl sich. Der 
Fremde stellte seinen Degen in den Winkel und 
legte ein Paar Pistolen, die er im Gürtel trug, 
auf den Tisch. Er sah sich, während Toni das 
Bett vorschob und ei» weißes Tuch darüber brei 
tete, im Zimmer um; und da er gar bald, aus 
der Pracht und dein Geschmack, die darin herrsch 
ten, schloß, daß es dem vormaligen Besitzer der 
Pflanzung angehört haben müsse: so legte sich ein 
Gefühl der Unruhe wie ei» Geyer um sein Herz, 
und er wünschte sich, hungrig und durstig, wie er 
gekommen war, wieder in die Waldung zu den 
Seinigen zurück. Das Mädchen hatte mittlerwei 
te, aus der nahbelegenen Küche, ein Gefäß mit 
warmem Wasser, von wohlriechenden Kräutern 
duftend, hereingeholt, und forderte den Officier, 
der sich in das Fenster gelehnt hatte, auf, sich 
darin zu erquicken. Der Officier ließ sich, wäh 
rend er sich schweigend von der Halsbinde und 
der Weste befreite, auf den Stuhl nieder; er 
schickte sich an, sich die Füße zu entblößen, und 
während das Mädchen, auf ihre Kniee vor ihm 
hingekauert, die kleinen Vorbereitungen zum Bade 
besorgte, betrachtete er ihre einnehmende Gestalt. 
Zhr Haar, in dunkeln Locken schwellend, war 
ihr, als sie niederknieete, auf ihre jungen Brüste 
herabgerollt; ein Zug von ausnehmender Anmuth 
spielte um ihre Lippen und über ihre langen, über 
die gesenkten Augen hervorragenden Augenwim- 
er hätte, die auf die Farbe, die ihm anstö 
ßig war, schwören mögen, daß er nie etwas Schö 
neres gesehen. Dabei fiel ihm eine entfernte Aehn- 
lichkcit, er wußte noch selbst nicht recht mit wem, 
auf, die er schon bei seinem Eintritt in das Haus 
bemerkt hatte, und die seine ganze Seele für sie 
in Anspruch nahm. Er ergriff sie, als sie in den 
Geschäften, die sie betrieb, aufstand, bei der Hand, 
und da er gar richtig schloß, daß es nur ein Mit 
tel gab, zu erprüfen, ob bas Mädchen Gefühl habe 
oder nicht, so zog er sie auf seinen Schooß nieder 
und fragte sie: „ob sie schon einem Bräutigam 
verlobt wäre?" Nein! lispelte das Mädchen, in 
dem sie ihre großen schwarzen Augen in lieblicher 
Verschämtheit zur Erde schlug. Sie setzte, ohne 
sich auf seinem Schooß zu rühren, hinzu: Konelly, 
der junge Neger aus der Nachbarschaft, hätte 
zwar vor drei Monaten um sie angehalten; sie hätte 
ihn aber, weil sie noch zu jung wäre, auögeschla- 
gen. Der Fremde, der, mit seinen beiden Hän 
den, ihren schlanken Leib umfaßt hielt, sagte: „in 
seinem Vaterlande wäre, nach einem daselbst herr 
schenden Sprichwort, ein Mädchen von vierzehn 
Zähren und sieben Wochen bejahrt genug, um 
zu hcirathen." Er fragte, während sie ein klei 
nes, goldenes Kreuz, das er auf der Brust trug, 
betrachtete: „wie alt sic wäre?" — Fünfzehn 
Zahre, erwiederte Toni. „Nun also!" sprach der 
Fremde. — Fehlt es ihm denn an Vermögen, um 
sich häußlich, wie du es wünschest, mit dir nieder 
zulassen?" Toni, ohne die Augen zu ihm aufzu 
schlagen, erwiderte": o nein!-«-Vielmehr, sprach sie, 
indem sie das Kreuz, das sic in der Hand hielt, 
fahren ließ: Konelly ist, seit der letzten Wendung 
der Dinge, ein reicher Mann geworden; seinem 
Vater ist die ganze Niederlassung, die sonst dem 
Pflanzer, seinem Herrn, gehörte, zugefallen. — 
„Warum lehntest du denn seinen Antrag ab?" 
fragte der Fremde. Er streichelte ihr freundlich 
das Haar von der Stirn und sprach: „gefiel er 
dir etwa nicht?" Das Mädchen, indem sie kurz 
mit dem Kopf schüttelte, lachte: und ans die Frage 
des Fremden, ihr scherzend ins Ohr geflüstert: ob 
es vielleicht ein Weißer seyn müsse, der ihre Gunst 
davon tragen solle? legte sie sich plötzlich, nach ei 
nem flüchtigen, träumerischen Bedenken, unter ei 
nem überaus reizenden Erröthen, daß über ihr 
verbranntes Gesicht aufloderte, an seine Brust. 
Der Fremde, von ihrer Anmuth und Lieblichkeit 
gerührt, nannte sie sein liebes Mädchen, und 
schloß sie, wie durch göttliche Hand von jeder 
Sorge erlößt, in seine Arme. Es war ihm un 
möglich, zu glauben, daß alle diese Bewegungen, 
die er in ihr wahrnahm, der bloße elende Aus 
druck einer kalten und gräßlichen Verrätherei seyn 
sollten. Die Gedanken, die ihn beunruhigt hat 
ten, wichen, wie ein Heer schauerlicher Vögel, 
von ihm; er schalt sich, ihr Herz nur einen Au 
genblick verkannt zu haben, und während er sie 
auf seinen Knieen schaukelte, und den süßen Athem 
einsog, den sie ihm heraufsandte, drückte er,
	        
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