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Volume Nro. 63, Freitag, den 29. März 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

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Freitag, 
oder 
Nro. 6Zl 
D e r Freimüthige 
den 2g. März. 
Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser. 
Die Auferstehung der Aerzte. 
- -Ptolomäus Philadelphias setzte 70 Juden nieder, 
welche das alte Testament ans dem Hebräischen 
ins Griechische übersetzen mußten. Diese Leute 
übersetzten, jeder für sich, die Bibel von Wort 
zu Wort so vollkommen gleich, daß alle 70 Ueber- 
sehungen in keinem Buchstaben von einander ab 
wichen. Dies trug sich zu einer Zeit zu, da noch 
kein Leibnih behauptet hatte, es gebe nicht zwei 
völlig gleiche Dinge (also auch nicht zwei völlig 
gleiche Köpfe) in der Welt. Alle diese 70 Juden 
übersetzten die Stelle im Jesaias, Cap. 26, V. 14. 
„Die Aerzte werden keinesweges wieder auferste 
hen." Dies ist unendlich oft wieder abcopirt, 
und in der Vulgata der Katholiken ist es auch 
stehen geblieben. In den Psalmen, und zwar 
Pf- 66, d. 11, haben die Dollmetschcr eben dies 
Urtheil wider die Aerzte fragweise gesprochen. Zu 
allem Glück har Mart. Luther den Aerzten den 
Gefallen gethan, es im Deutschen anders zu ge 
ben. Es ist auch in der Thar in dem ganzen Zu 
sammenhange der Rede gar nicht möglich, das 
Wort: „Aerzte" im Jesaias zu sehen. Die Ju 
den können indeß sehr leicht auf diesen Irrthum 
gekommen sein. Sie übersetzten das alte Testa 
ment aus dem Hebräischen, wo die Buchstaben 
nicht punctirt und also ohne Hülfülauter waren. 
Sie konnten folglich leicht ein Schin (,cd) für 
ein Sin (ß) oder ein Cholem (langes o) für ein 
Schurek (langes u) lesen, oder ei» Wort anders 
punckiren, als es sein sollte. Wenigstens ist es 
hier gewiß so gegangen. Im Grundtexte standen 
im angeführten Orte diese Buchstaben O'diZI- 
Die Dollmetscher haben es also: „Rofim" gele 
sen, welches: „die Aerzte" bedeutet. Allein mit 
viel besserm Rechte lesen es unsere Gottesgelehr 
ten: „Itelaira“. Dies Wort bedeutet entweder 
eine gewisse Art Völker, womit die Kinder Isra 
els zu streiten hatten, oder überhaupt die Riesen 
oder Enakskinder. Von diesen sagt der Text, sie 
sollen nicht wieder auferstehen, das ist, sie sollen 
sich nicht wieder über die Kinder Israels erheben 
und sie von neuem unter das Joch bringen. Auf 
diese Weise begreift man auch leicht, was die fol 
genden Worte sagen wollen, wenn eö heißt: „Du 
„hast sie heimgesucht, vertilgt, und zu nichte ge 
macht alle ihr Gedächtniß." Es hat indeß an 
dere Gelehrte gegeben, welche für Refaim — die 
Weltwcisen lasen; ich weiß aber nicht, ob sich die 
Philosophen dagegen vertheidigt haben. 
K. F. W. Fleischer.
	        
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