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Volume Nro. 55, Montag, den 18. März 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

«ls zwei Zähren brachte er zwei andereOpern mit 
dem nämlichen Beifall auf die Bühne. 
Nach dem Beispiel der größten Künstler machte 
er eine Reise nach Italien. Nachdem er sich ein 
Jahr zu Florenz aufgehalten hatte, gieng er nach 
Venedig zur Zeit des Karnevals. Er machte sich 
nicht bekannt, aber fein Talent verrieth ihn. Er 
spielte bei einer Maskerade dieHarfe. Dominica 
Scarlatti, der geschickteste italiänische Virtuose 
auf diesem Instrument, hörte ihn, und rief aus: 
Das kann nur derSachse oder der Teufel 
seyn, der so spielt. 
Händel fand seines Gleichen nicht auf der 
Orgel, und nur Scarlatti konnte man im Har 
fenspiel mit ihm vergleichen. Was diesen beiden 
Meistern zur Ehre gereicht, ist, baß sie, obgleich 
Rivale in der Kunst, unter einander Freunde wur 
den. Händel sprach von Scarlatti nie anders, als 
mit der größten Hochachtung, und wenn man dem 
Italiäner über seinen Vortrag Lobsprüche ertheil 
te, so nannte er den Deutschen, und machte ein 
Kreuz vor ihm, um durch dieß Zeichen seine große 
Ehrfurcht für den Namen Händel auszudrücken. 
Als Händel'in Rom war, komponirre er auf 
Bitten des Kardinals Orkobont eine Sinfonie^ 
Die Aufführung derselben dünkte den Musikern 
seines Konzerts, an deren Spitze der berühmte 
Corelli stand, etwas schwer. Dieser Künstler, 
dessen Milde und Bescheidenheit seinen Talenten 
gleich kam, beklagte sich selbst über die Schwierig 
keit mehrerer »Passagen. Händel gab ihm einige 
Anleitung zur Ausführung dieser Gänge? da er 
aber sah, daß Corelli sie ihm noch nicht zu Danke 
spielte, so riß er ihm das Instrument ziemlich 
stolz und ungestüm aus der Hand, und spielte 
sie dem guten Corelli vor, der dieses Beweises 
von Händtls Ueberlcgenheit nicht bedurfte, und 
pur bewundernswürdiger Sanstmuth zu Händel 
sagte: mein lieber Sachse, diese Musik ist 
ein französischer Stil, und davon verste 
he ich nichts. 
Der Kardinal Pamfilo machte ein Gedicht 
mit dem Titel: II trionfo del tempo, worin Hän 
del mit.betn Orpheus verglichen und vergöttert 
tvurde. Händel, der seinen Werth wohl fühlte, 
trug kein Bedenken, diesen Text in Musik zu set 
zen, und dieß war (wie der Verfasser dieses Denk 
mals bemerkt) viellelcht der einzige Weg, auf dem 
Händel seine Talente zeigen konnte, ohne seinen 
Ruhm zu vergrößern. 
Auf die dringendsten Einladungen gieng Hän 
del im Jahr 1710 nach England, wo Ehrenbozeu- 
gungen und reiche Belohnungen seiner warteten. 
In den ersten Jahren seines Aufenthalts zu Lon 
don gab er nur sehr wenig Opern, weil dieStük- 
ke, die man da aufführte, vonAttilio undBuo- 
n011 eint in Musik gesetzt waren, und diese Män 
ner die Direktion des Operntheaters hatten. Hän- 
dels Gönner veranstalteten eine Subscription zu 
einer neuen Akademie der Musik im Hay-Mar 
ket, von welcher er die Direktion haben sollte. 
Die Subscription, deren Fonds sich auf fünfzig« 
tausend Pfund Sterling belief, kam mit einer 
beispiellosen Schnelligkeit zu Stande, wie nur bei 
einer Nation zu erwarten war, bei weicher edle 
Freigebigkeit, Gemeingrist und Reichthum sich mit 
Enthusiasmus verbündet, und der Nationalgeist 
selbst den Luxus und die Eitelkeit der Bürger auf 
Gegenstände führt, die das Volk intcresstren. 
p Händels Oratorien fanden nicht die verdiente 
Aufnahme. Er fetzte indeß die Aufführung dersel 
ben fort, und sein Messias, den man im An 
fange kalt aufgenommen hatte, gewann in der 
Folge den größten Beifall. Das Interesse, wel« 
ches das Publikum für dieses Oratorium bewies, 
bewog den Komposireur, es jährlich zum Besten 
des Hospi rgls, der Findlinge aufzuführen, 
einer Anstalt, die damals noch in ihrer Kindheit 
war und nur durch Privatwohlthätigkeit unter, 
halten wurde. 
Händel, überall gesucht und beliebt, brachte 
sein Leben im Umgänge mit den ersten Personen 
von Range, von Geist und Talenten zu. Ost 
speiste rrrnit dem Dichter Pope bei dem Grafen 
von Burlington. Pope, der so ein Zartgefühl 
für die Harmonie der Verse hatte, besaß keinen 
Geschmack für die Musik? seine Seele war den 
Reizen dieser göttlichenKunst gänzlich verschlossen, 
wiewohl er ihre Wirkung feurig und geistvoll ge 
nug'in seiner Ode, die heilige Cäcilia, besun 
gen hat. Er gestand oft, daß ihm die schönsten 
Musikstücke gar kein Vergnügen machten. Aber 
Händeln schätzte er sehr, auf das Wort feines 
Freundes Arbuthnot, der zn ihm einige Mal 
sagte: „machen Sie Sich die höchste Idee von sei 
nen Talenten, und seine Talente werden immer 
noch Ihre Vorstellung übertreffen." 
Das Glück begünstigte dieses große Genie, 
und man behauptet, er habe ein Vermögen von 
mehr als zwauzigtaufend Pfund Sterling hinter 
lassen. Er ward in der Westminsterabtei beigesetzt. 
M - e.
	        
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