Sturmwind begünstigte ihre Wuth, und in kurzer
Zeit war fast ganz London in einen Aschenhau-
fen verwandelt. Die Einwohner sahen sich genö-
thigt, auf dem Lande Zufluchlsörter zu suchen, wo
sie an den dringendsten Bedürfnissen Mangel lit,
len und der ungünstigen Witterung bloßgestcllt
waren. Endlich wurde die Sradt wieder aufge
baut, und dieser Unfall wurde sogar eine Wohl
that für sie, indem man den Mängeln abzuhelfen
suchte, welche so viele traurige Ereignisse herbeigr,
führt hatten. Die Straßen, welche vorher eng,
schmutzig und winkiich gewesen waren, wurden
breiter, gemacht und sorgfältig nach der Schnur
gezogen; die Häuser wurden gesünder und beque
mer eingerichtet; die obern Stockwerke sprangen
nicht, wie vorher, über das untere hervor, und
die einander gegenüberstehenden Dächer stießen
nicht mehr aneinander; endlich ließ man auch die
Luft freier durch die Sladc cirkuliren, wodurch
eben sowohl ansteckende Krankheiten vermieden
wurden, als die sorgfältigere und umsichtigere Er
bauung der Häuier der Ausbreitung der Feuers-
brünnste sich in den Weg stellte. Seit dieser Zelt ist
London gegen dergleichen Unfälle hinlänglich ge
schützt gewesen; seine Bewohner können jetzt in
dieser Hinsicht sorgenfrei leben, und haben eben
so wenig etwas von der Zukunft zu befürchten.
Noch heutiges Tages bedauern die Englän
der, daß man zu der Zeit, wo London aus den
Schutthaufen wieder hervorging, nicht die Gele
genheit benutzte, die sich damals darbot, um es
zu der schönsten Stadt der Welt zu machen. Man
entwarf zu diesem Zweck mehrere Pläne; die des
berühmten Christoph Wren und Zohn Eve
lyn wurden vor den übrigen ganz besonders aus
gezeichnet. Carl der Zweite, welcher von seinen
Reisen durch Europa einen sehr gebildeten Ge
schmack mit zurück gebracht hatte, und überhaupt
sehr vielen Sinn für die schönen Künste nährre,
wollte sie auch wirklich in Ausführung bringen;
als man aber damit den Anfang machen wollte,
entstanden die fürchterlichsten Sttcirigkeiten und
Zänkereien. Zeder Eigenthümer eine« Hauses,
das durch die Feuersbrun>.st zerstört worden war,
forderte gerade dieselbe Stelle wieder zurück, auf
der ft», Haus vorher gestanden hakte, und fast
alle wollten wieder auf demselben Grunde fort?
bauen. Um die Zwistigkeiten zu beendigen und
die Sache aufe reine zu dringen, wurden Schieds
richter ernannt, und da das EigenthumHrechr für
unverletzbar erklärt ward, so wurde es auch in
diesem Falle respektlrt. Daher kömiiit es, daß
London in mehreren Quartieren wieder »den so
unregelmäßig aus dem Schure aufstand, als es
vor dem Brande gewesen war, und man den all»
gemeine» Nutzen dem Privatincercsse aufopferte.
Eine sehr verwerfliche Sparsamkeit machte das
Uebel noch uckheilbarer, und man begriff nicht,
mindestens schien man es nicht zu begreifen,
daß die Fremden, welche von allen Seiten her
beigeströmt seyn würden, um in London die
schönste und regelmäßigste Stadt der Welt zu be
wundern, seine Bewohner hinlänglich für die
kleinen Opfer entschädigt haben würden, die sie
dem Ruhme und dem größer« Flore ihrer Vater,
stadt dargebracht hätten. Weitläuftiger kann mau
dies in dem Werke selbst dargestellt finden; leider
erlaubt »ne der Raum nicht, bei diesem einzelnen
Gegenstände länger zu verweilen.
Auch die Einrichtung des ganzen Werks ver,
dient alle« Lob. Nach einer historischen Einlei,
tung, welche deutlich, lebhaft und anziehend ge
schrieben ist, wird der Leser mit den Merkwürdig
keiten der Sradt ausführlich bekannt gemacht. Es
werden ihm die Kirchen, Hospitäler- Palläste und
vorzüglichsten Landhäuser, welche in den Umge
bungen dieser Residenzstadt liege», vorübergcführt.
Wenn man die Paulskirche abrechnet, so sind die
Kirchen nicht« weniger, als Londons glänzendster
Theil; die zum heil. Georg von BloomS-
bury, zur heil. Maria, zum heil. Martin
und zum heil. Dunstan würden in einer der
Hauptstädte des festen Landes kaum bemerkt wer
den. Zndessrn fesselt schon die Pauiskirche die
Aufmerksamkeit zu sehr, als daß man nach ihr
noch einer andern Znteresse abgewinnen könnte.
Sie hat, so wie auch die Westminster - Abtei
und die Capelle Heinrich« des Siebenten, zu ei
nem sehr langen und äußerst interessanten Eapi,
tel Stoff geliefert. Unter den übrigen Gebäu
den zeichnen sich au«; die Börse, die Bank,
das Hotel der Garde z» Pferde, das Hotel de«
Lord-Mayor, der Banker-Saal, das Sommer,
fct-Houie und das Monument. So nennt man
eine Säule von 202 Fuß Höhe, welche von Chri
stoph Wren zum Gedächtniß der Feuersbrunnst im
Jahre 1666 erbauet wurde. Diese Säule hätte
auf gar keinen schlechter» Platz gestellt werden kön
nen; aller Effekt ist durch Mangel an Perspektive
vernichtet, ,a unmöglich gemacht worden. Sie
drohet den Einsturz, und man soll, wie re heißt,
Willens sey», sie abzutragen.
Vorzüglich in den Umgebungen von London
hat sich der englische Luxus und wahre Pracht