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Volume Nro. 24, Sonnabend, den 2. Februar 1811

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue8.1811 (Public Domain)

Sturmwind begünstigte ihre Wuth, und in kurzer 
Zeit war fast ganz London in einen Aschenhau- 
fen verwandelt. Die Einwohner sahen sich genö- 
thigt, auf dem Lande Zufluchlsörter zu suchen, wo 
sie an den dringendsten Bedürfnissen Mangel lit, 
len und der ungünstigen Witterung bloßgestcllt 
waren. Endlich wurde die Sradt wieder aufge 
baut, und dieser Unfall wurde sogar eine Wohl 
that für sie, indem man den Mängeln abzuhelfen 
suchte, welche so viele traurige Ereignisse herbeigr, 
führt hatten. Die Straßen, welche vorher eng, 
schmutzig und winkiich gewesen waren, wurden 
breiter, gemacht und sorgfältig nach der Schnur 
gezogen; die Häuser wurden gesünder und beque 
mer eingerichtet; die obern Stockwerke sprangen 
nicht, wie vorher, über das untere hervor, und 
die einander gegenüberstehenden Dächer stießen 
nicht mehr aneinander; endlich ließ man auch die 
Luft freier durch die Sladc cirkuliren, wodurch 
eben sowohl ansteckende Krankheiten vermieden 
wurden, als die sorgfältigere und umsichtigere Er 
bauung der Häuier der Ausbreitung der Feuers- 
brünnste sich in den Weg stellte. Seit dieser Zelt ist 
London gegen dergleichen Unfälle hinlänglich ge 
schützt gewesen; seine Bewohner können jetzt in 
dieser Hinsicht sorgenfrei leben, und haben eben 
so wenig etwas von der Zukunft zu befürchten. 
Noch heutiges Tages bedauern die Englän 
der, daß man zu der Zeit, wo London aus den 
Schutthaufen wieder hervorging, nicht die Gele 
genheit benutzte, die sich damals darbot, um es 
zu der schönsten Stadt der Welt zu machen. Man 
entwarf zu diesem Zweck mehrere Pläne; die des 
berühmten Christoph Wren und Zohn Eve 
lyn wurden vor den übrigen ganz besonders aus 
gezeichnet. Carl der Zweite, welcher von seinen 
Reisen durch Europa einen sehr gebildeten Ge 
schmack mit zurück gebracht hatte, und überhaupt 
sehr vielen Sinn für die schönen Künste nährre, 
wollte sie auch wirklich in Ausführung bringen; 
als man aber damit den Anfang machen wollte, 
entstanden die fürchterlichsten Sttcirigkeiten und 
Zänkereien. Zeder Eigenthümer eine« Hauses, 
das durch die Feuersbrun>.st zerstört worden war, 
forderte gerade dieselbe Stelle wieder zurück, auf 
der ft», Haus vorher gestanden hakte, und fast 
alle wollten wieder auf demselben Grunde fort? 
bauen. Um die Zwistigkeiten zu beendigen und 
die Sache aufe reine zu dringen, wurden Schieds 
richter ernannt, und da das EigenthumHrechr für 
unverletzbar erklärt ward, so wurde es auch in 
diesem Falle respektlrt. Daher kömiiit es, daß 
London in mehreren Quartieren wieder »den so 
unregelmäßig aus dem Schure aufstand, als es 
vor dem Brande gewesen war, und man den all» 
gemeine» Nutzen dem Privatincercsse aufopferte. 
Eine sehr verwerfliche Sparsamkeit machte das 
Uebel noch uckheilbarer, und man begriff nicht, 
mindestens schien man es nicht zu begreifen, 
daß die Fremden, welche von allen Seiten her 
beigeströmt seyn würden, um in London die 
schönste und regelmäßigste Stadt der Welt zu be 
wundern, seine Bewohner hinlänglich für die 
kleinen Opfer entschädigt haben würden, die sie 
dem Ruhme und dem größer« Flore ihrer Vater, 
stadt dargebracht hätten. Weitläuftiger kann mau 
dies in dem Werke selbst dargestellt finden; leider 
erlaubt »ne der Raum nicht, bei diesem einzelnen 
Gegenstände länger zu verweilen. 
Auch die Einrichtung des ganzen Werks ver, 
dient alle« Lob. Nach einer historischen Einlei, 
tung, welche deutlich, lebhaft und anziehend ge 
schrieben ist, wird der Leser mit den Merkwürdig 
keiten der Sradt ausführlich bekannt gemacht. Es 
werden ihm die Kirchen, Hospitäler- Palläste und 
vorzüglichsten Landhäuser, welche in den Umge 
bungen dieser Residenzstadt liege», vorübergcführt. 
Wenn man die Paulskirche abrechnet, so sind die 
Kirchen nicht« weniger, als Londons glänzendster 
Theil; die zum heil. Georg von BloomS- 
bury, zur heil. Maria, zum heil. Martin 
und zum heil. Dunstan würden in einer der 
Hauptstädte des festen Landes kaum bemerkt wer 
den. Zndessrn fesselt schon die Pauiskirche die 
Aufmerksamkeit zu sehr, als daß man nach ihr 
noch einer andern Znteresse abgewinnen könnte. 
Sie hat, so wie auch die Westminster - Abtei 
und die Capelle Heinrich« des Siebenten, zu ei 
nem sehr langen und äußerst interessanten Eapi, 
tel Stoff geliefert. Unter den übrigen Gebäu 
den zeichnen sich au«; die Börse, die Bank, 
das Hotel der Garde z» Pferde, das Hotel de« 
Lord-Mayor, der Banker-Saal, das Sommer, 
fct-Houie und das Monument. So nennt man 
eine Säule von 202 Fuß Höhe, welche von Chri 
stoph Wren zum Gedächtniß der Feuersbrunnst im 
Jahre 1666 erbauet wurde. Diese Säule hätte 
auf gar keinen schlechter» Platz gestellt werden kön 
nen; aller Effekt ist durch Mangel an Perspektive 
vernichtet, ,a unmöglich gemacht worden. Sie 
drohet den Einsturz, und man soll, wie re heißt, 
Willens sey», sie abzutragen. 
Vorzüglich in den Umgebungen von London 
hat sich der englische Luxus und wahre Pracht
	        
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