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von da aus von tiefet außerordentlichen und bescheidenen Frau die
Rede ward in der übrigen Welt! — Und biinahe gänzlich und»
kann«, trat sie hier, Anfang AprilS, ans, »nd überraschte je
den durch die Vollendung, die Tiefe, di- Feinheit und Korrektheit
ihres Spiels. Ich gestehe e§ — so sehr ich den edlen Schwung des
deutschen voetischen Geistes i» schätzen weiß, so sehr ich die Ein
sichten deutscher Aestheriker, und zumal in Rücksicht auf Mimik,
achte, so wenig hielt ich von der Slusübung der darstellenden
Kunst in Deutschland; und eine lange Erfahrung hatte mich genö
thigt, in praktischer Hinsicht, die deutschen Schauspieler im gan
zen, und bis auf einige wenige Ausnahmen, hinter di- Französi
schen zu setzen. Unter diese seltenen Ausnahmen gehört unstreitig
Mad. Krickeberg — und sie übertrifr sogar alles, waS ich von
einer deutsche» Schauspielerinn erwarte«. — Würdig ist sie ganz,
an »er Seite eine« JfflandS zu spielen, ihn >» unterstützen, »nd
von ihm unterstützt zu werden. — Die Akk, wie sie hier die Okra,
via dargestellt hat, ist vielleicht für jede andere unerreichbar, selbst
für die hochgepriesene Raucvnrk und O u ch e n o y; und allein
könnte man solch- Darstellung voll der geistreichen Mad. Talma,
Wanhove sich versprechen. — Die IInverurählre war gleich
falls eine vollendete Darstellung von Mad. K ri ckeb erg. — In
dem Lustspiele: „Habe ich nicht recht," hat sie die Julie
gespielt, mit derselben Anmuth, Laune, Leichligkeir, die ich so oft,
auf der großen Pariser Bühne, an der Mademois. Contat be
wundert habe. — Kurz, cS ist mir sehr erfreulich, diese hochgebil,
dere, eminente Fra» auf dem Lübeckischen Theater zu sehen. —
Verstehen kann ich aber durchaus nicht, wie ein solches Talent ge,
rade auf dem Lübeckischen Theater anzutreffen ist? — Das ganze
Publikum scheint auch diesen Vortheil sehr zu fühlen. — Eine sol
che Erscheinung muß indessen Epoche in den hiesigen Kunstannaleir
machen; sie muß ein ernstes Studium, und eine rege Aufmerksam
keit unter den wackeren Mitgliedern unserer Schanspkelergeselljchaft
von neuem befördern, und in ihren höheren Kunstausichren ent
wickeln. — Mad. Krickebergs Tochter, Mad. Spengler?
zeigt sich der trefflichen Schule der Mutier würdig — ,unge, mun
tere Rollen spielt sie vorzüglich angenehm. — Hr. S p en g l er ist
ein Mann, der mir köstlichen Narurgaben, mir einem warmen
und reine» Gefühle, eine» unaussprechlichen Eifer vereinigt, und
sich ganz einem Kunststudium widmet, das schöne Früchte hervor
dringen muß. — Hr. Krickeberg, ein braver, sehr gebildeter
deutscher Mann, har hier noch nicht gespielt. - Er war, seit Zäh
ren, Direktor deö Fürst,- Schweriner Theaters. — Nun har diese
Anstalt, des Drangs der Zeit wegen, sich «usiösen müssen, und
sich mir dem Lübeckischen vereinigt. — Da das verarmte Lübeck
auch kein stehende« Theater da» ganze Jahr zu erhalten vermochte,
so spielt die, „„toi der Direktion des allgemein geschätzten Herrn
Leop. Löwe »erstnigre G sellfchaft, den Winter in Lübeck, den
Somm.r in Rostock und Doberan. Seit vier Wochen ist sie auch
schon dorthin abgereist. — Eine» empfindlichen Verlust haben wir
an Hrn. Vio zu bedauern, der nun mit seiner ächlkomischen Lau
ne das Publikum in Tarlsruhe erheitert. Dagegen aber sind
wir der Bewcgniß überhoben, unsere Philomcle, die mit Recht
s» beliebt Mae. Richardi, t j ne Schwester deS Hrn. Dir. Lö
we, zu vernehren, wie wir es eine Zeit lang gefürchtet haben. —
Diel früver h ire ichZhnen dies« kurzen Bemerkungen, wovon Sie,
sowohl als von den b>iden gedruckten Aufsätze», den beliebigen Ge
brauch machen können, mitgetheilt, wenn dl« grossen Ereignisse
der letzten Wochen nicht meine ganze Aufmerksamkeit gefesselt
hätten- —
Mit Hochachtung
Zhr ergebenster
Dellers.
A. Ueber eine Erscheinung auf der hiesige» Bühne,
Aus einer höheren Region der Kunst steigt die Künstlerin zu
uns, die wir mit Entzücken, mir Vewmidcrung, die holde Röme
rin darstellend, sahen, welche einst des RömervoikS Stolz, und
der Eäsareufamilte Zierde war; die Gattin des wilden Antonius,
die Schwester Augusts, die Freundinn VirgilS, deren Thränen,
deren Rührung bei dem „Tu iVluioc-Il»» eris“ des Dichter», eben
so berühmt, »nd dts Aufbewahr, »s für die spätere Nachweir -den
so würdig sind, als der herrliche Gesang selbst. Ganz dieselbe hol
de Frau, die satte Mutter, die treue Bürgerin Roms, die Fürstin
war vor »ns. Nichts hatte die Künstlerin versäumt zur Vollen
dung der Darstellung. An ihr konnle man besonders bemerken,
das Tiefgedachle des Ganzen und des Einzelnen, so daß dieses in
dir vollkommensten Harmonie, in dem genauesten Ebenmaß, flch
zu jenem fügte. Wie richtig, wie schön accentuirr, wie lebendig,
wie voll Neborzeiigung, wie klar für Herz und Verstand wa-d Al
tes von der Künstlerin ausgesprochen! Wie traf alles, was treffen
sollte: und welche seelenvolle Töne in die Gemüther der Zuschauer
unwiderstehlich hineindrängen, gleich Aeols Hauch in die Saiten
der Harfe! Uns doch, mit welcher Abgemessenheit und weiser Spar
samkeit aller Gederden, aller darstellenden Kräfte, brachte die Künst
lerin die größte Wirkung hervor! Kräfte werden gar zu oft Ver
schwender, ohne da§ Ziel zu erreichen. Hier wurde sicher und fest.
Mit leichler Anstrengung, getroffen» weil — richtig gezielr
wurde! WaS lag nicht alles in einem ruhig hingeworfenen Blicke
der Okr avia, in der Biegung des Tons bei einem einzigen Wor
te? Nur-anhaltendes »nd mit Liebe getriebenes Studium, von ei
nem hellen, gebildeten Geiste, von einem zarten Gefühle unter
st,itzt, vermag eine solche Vollendung zu bewirken. Anstand und
Gang waren an der Künstlerin edel, bestimmt, leicht, und voll
Bedeurung. Selbst der Anzug war höchst schicklich, und erinnerte
an manche Werke der alten Bildnerei. Wäre, neben so viel vor-
rrefflichem, noch Etwas zu wünschen übrig gewesen, vlellcichr wä
re es, hie und da, in dem römischen Weibe elwus mehr von die
ser Energie und Majestät, die Rom allen seinen Kindern gab, und
wodurch sie ein gleichsam koloffalisches Ansehen gewannen; zumal
da, wo die Republik «nd das Znceresse »eö Darerlandet erwähnt
wird. — Doch-'weiß die geschickte Künstlerin, (die selbst das Me
chanische ihrer Kunst in große Acht nimmt, wie wir es deurlich
bemerkt haben) wie weil ihr physisches Vermögen reich«; — und
möglich ist es auch, daß sie das schöne Bild der Sanfrmurh und
der Hingebung, die der Dichter, an der Hand der Geschichre, aus-
stellre, nichr durch fremdarrige grelle Züge entstellen wollre? —
und dann dürste diese leise gewagte Rüge sich in ein lauteg
der brsser» Einsicht der Künstlerinn verwandeln. — Wie eL de«
sei, so bleibt eS ohne Zweifel, daß unsere var rländische Bühne,
über die seltene Erscheinung, sich Glück wünschen kann.—Und denn
mag dies die Veranlassung weiden, daß der Derf. obiger Zeilen,
bei künftiger Wiedereröffnung der thearraiische» Spiele, einig- Be,
rrachrungen über die darstellende Kunst in diesen Blättern mir,
theilt.