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Volume Nro. 77., Dienstag, den 18. April 1809

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue6.1809 (Public Domain)

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der Neapolitaner das Wort und sagte: „Ach! jetzt 
begreife ich, was ihr Alle wollt." (Indem er sich 
zu Verneuil wandte): „Mein Herr, waren Sie es 
nicht, der mich mit einem Briefe in Neapel beehr 
te? und darf ich die Urfach nicht wissen, weshalb 
Sie, der Sie mich vorher gar nicht gekannt haben, 
und eben so wenig von mir dazu aufgefordert wur 
den, mir diesen Dienst erzeigten? ..." Bet die 
ser sehr bestimmten Anrede hefteten Alle neugierige 
Blicke auf Verneuil, der sich bald von seiner Be 
stürzung erholte, und zu ihm sagte: „Sind Sie 
mit Ihrem Aufenthalt auf dem Schlosse zufrieden, 
und freuen Sie Sich, biedere Verwandten gefun 
den zu haben, die Sie vorher nicht kannten?" 
O ick freue mich unbeschreiblich darüber, und 
Ich segne unaufhörlich den Tag, an welchem ich 
dieses Haus zum ersten Male betrat. 
„Und Sie, mein Herr Bremond — fuhr 
Verneuil fort — was sagen Sie dazu, daß Sie 
jetzt einen so achtungüwerthen Vetter in Ihrem 
Hause beherbergen, der Ihre freundliche Aufnahme 
so sehr zu schätzen weiß?" 
Ich wünsche mir Glück, ihn zu besitzen. 
„Nun, so umarmen Sie mich Beide, und 
grollen Sie dann mit mir, wenn Sie den Muth 
dazu haben." 
Bulletin der Tageöb 
Berlin, den 16. April. 
Ein sefit yochachtungswürdiger Gelehrter in Berlin hat in Be 
treff der in Nrv. 8g des Freimüthigen enthaltenen Notiz über den 
Ursprung der Fadel vom Ringe in LcssingS Nathan folgende Be 
merkung eingesandt 
„Indem ich daS Donnerstagsblatt durchlief, daS einen so in 
teressanten Aufsatz über Petrarca enthalt, ist mir ein anderer btt 
rühmrer airer Italiener eingefallen, Boccai, nicht ohne einige 
Verwunderung, daß er den Herausgebern der eleganten Zelrunll 
und deS Freimüthige» so unbekanrt ist. Im Bvccaz nämlich steht 
schon die Erzählung von den drei Ringen; ja auch in ei 
ner noch älteren Novellensammlung, deren Verfasser vor Dante 
lebte. Der Fragende ist hier wirklich derselbe Saladin, den wir 
im Nathan dem Weisen sehen; und der Befragte ist ein klugerJu- 
de, Namens Neldisedek. Lessing selbst sagt ln seinen Schriften, 
daß er die Fabel aus dem Boccaj gtnommtn habe; und in einem 
periodischen Blatte stand ste vor erwa -L Jahren verdeutscht. Also 
brauche» wir »ichr an den neueren Aurangzeb verwiesen zu wer 
den: sondern können an ;<x> Jahre höher steigen. Ist denn die Er 
zählung von dem Inden und dem Mogoiischen Kaiser so gedruckt, 
daß ste Lessing schon harre lese« können? Ja, ich möchte fragen: 
ist das Faktum auch wahr? Denn es wäre doch sehr sonder- 
Hterauf erzählte er ihnen Punkt für Punkt 
den eben so natürlichen, als lebhaften Wunsch sei 
nes Freundes, beim Anblick des schönen SchiosseS, 
des Parks und der übrigen Gürten, was für ein 
Gedanke ihm da durch den Kopf gefahren fei, und 
was für Folgen er gehabt habe — die er indeß frei 
lich weit entfernt gewesen, voraus zu sehen. 
Bremond seiner SeitS sagte ihm aber: daß 
sich zufälligerweise zu jener Zeit, wo sein Brief an 
gekommen sei, ein Franzose in Neapel aufgehalten 
habe, der seinen Namen führe, und vielleicht sogar 
ein wenig mit ihm verwandt sei, daß er freilich 
nie einen Fuß nach Mexiko gesetzt, auch keine Mil 
lion im Vermögen habe, wohl aber ein gutes, bie 
deres, gefühlvolles Herz besitze, und ihnen ver 
sprochen hätte: sich „ie wieder von ihnen zu tren 
nen... . Der alte Vetter war sehr gerührt, und 
verpflichtete sich durch einen neuen Schwur, dieses 
Versprechen zu erfüllen; alsdann umarmte man 
sich gegenseitig, mit Thränen im Auge. 
Alle aber sagten Verneuil den wärmsten, auf 
richtigsten Dank für seine Vermittelung, segneten 
von Herzen seine glückliche Lüge, nöthigten 
ihn, einige Tage bei ihnen auf dem Schlosse zuzu 
bringen, und drangen ihm daö Versprechen ab, 
sie in Zukunft alljährlich auf einige Zeit zu be 
suchen. Kuh n. 
g e b e n h e l t e n. Nro. 77. 
bar, daß sich dasselbe Gespräch zwischen einem Orientalischen Für 
sten und einem Juden zweimal so genau zngelragen hätte." 
— In Hamburg ist ein Theokrat, d. i. Priester und König des 
Neuen Listamcntö im Reiche Gotteö und Jesü Christi, ausgestan 
den, wie man a»S foigender Anzeige im Nied ersäch fisch rn 
Anzeiger steht: 
„Die Benennung meiner Wohnung, auf dem Kamp, Theo- 
crariesd. h. GoiteSceicl, oder Himmelreich), befaßt: dieHaurt- 
angelegenheiten der Menschen, nämlich die unenigeldiiche »nd 
durch Gotte-G-ist geleitete, Gott gebe! mit seligem Erfolg be 
krönte, Veranstaltung zur Vereinigung dir lln- und Irrgläubigen 
zur ersten apostolischen Reinheit der christlichen Kirche, nach der 
auch von Luther, laut s-ineS klelntn KatechiSmi, einzig dazu IUI» 
Grunde gelegten göttliche» Offenbarung in der heilige» Schrift. 
Hamburg, im Merz igng. 
Nikolaus Arnold Bueck, 
Theocrak, d. i Priester und König des 
Neuen TestameniS im Reiche GorieS 
und Jesn Christi." 
— Die Frankflirrer Messe fällt, um voraus zu sehen war, 
schlecht auS.
	        
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