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Volume Nro. 67., Dienstag, den 4. April 1809

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue6.1809 (Public Domain)

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Bulletin der Tagesbegebenheiten. o. 67. 
Vermischte Nachrichten. 
Paris starb kürzlich eine alte »nd sehr reiche Gräfin. 
Ausser Geschenken und Pensionen für alle ihre Diensilenke stattete 
Ke auch noch alle Töchter derselben auS. Nur ihr Mann ein zwei- 
rer Ehe) fiel leer durch, weil er zu sehr Libertin war. Dafür «er« 
machte sie seiner Mätresse eine sehr ansehnliche Summe, weil, wie 
sie sagte, sie von ihrem Manne nichts anders zu erwarten habe, 
alS i>» Alter vergessen, und hülfloS verlassen I» werbe». 
— Folgender merkwürdige Vorfall hat in den vergangenen 
Monaten das Kriminalgericht von Paris beschäftigt. Ein Miekh- 
kulscher spielte den -Lsten Novbr. v. 2. mit einem Oeparremenral- 
Soldaten, der vorher sein Stailjunge war, Karte» in einer Wein 
schenke der Vorstadt Honvrö. Der Kutscher schlug den, Soldaten 
vor, um seinen Säbel !U spielen, weil er kein anderes Pfand, 
noch Geld hätte. Auf des Soldaten Bemerkung! daß der Säbel 
nicht ihm gehöre, versetzte der Kutscher: „So spiele um Dein 
Ohr!" — Das ist etwas anderes; das Ohr ist mein, und folglich 
kann ich darum spielen. — Der Soldat verlor die Partyie, und 
der Kutscher sagte: „Zahle mir zwei Bouteillen Wein, oder ich 
schneide Dir das Ohr ab!" — Ich habe kein Geld; schneide es ab, 
wen.. D» willst! — Dabei legre der Soldat den Kopf auf den 
risch bin. — „Ich will gleich Deine Affaire machen! ich gehe nur 
zuvor noch bei Sei»!-- - Als dc-rKutscher zurückkam, setzte er sich 
nebln den Soldaten, zog ein M-ffr heraus, und ergriff ihn beim 
Ohre. Der Solda, glaubte: er woure ihn nur kneiveu, und lieg 
,S geschehen; allein der Kutscher schnitt daS Ohr ad, und »eigre 
,S den Gästen mir den Worten: „Er har es verspielt; es ist mein!" 
— Man fragte ihn: „Und wenn jener seinen Kopf verspielte, hät 
tet ihr ihn auch abgeschnitten?" - Eben so! antwortete der Kut- 
f(f)ec. — „Der Schuft!" rief der Soldat, indem er steh das blu 
tende Ohr wusch, „er hat mir'S wirklich abgeschnitten, ich hätte 
es doch nicht geglaubt!" — Der Kutscher wurde den folgenden 
Tag eingezogen. Er ist 4r Jahr alt, und schien nüchterner gewe 
sen zu sein, als der rgjährige Soldat. Letzterer wurde im Hospita 
le geheilt. DaS Ohr war glatt weggeschnitten, und er hört nun 
hart. Der Kutscher ist zu vierjähriger Gcfängnißstrafe und zwei 
stündiger Ausstellung verur'heill worden. 
— In Nro. 6c. des Morg-nbiatt-s v. d. Z. wird aus Berlin 
von KotzcbueS älterer Geschichte Preussens geschrieben: ste macht 
bei unS viel glückliches Aufsehen, »nd dürfte klassisch 
werden. DaS glückliche 21» fsehe» ist eine nagelneue Wen 
dung, dir aber schwerlich Nachahmer finden dürfte; waS aber daS 
klassisch werden anlangt: so ist dleS vollends absurd. Ein 
Buch, daS schon vollständig erschienen ist, kann eben so wenig 
klassisch, alS gut oder schlecht werden; eS ist schon, waS eS ist. — 
ES scheint, al§ wenn manche Mitarbeiter an dieser Zeitung der 
Meinung wären, in einem Morgenblatte müsse man i»w ilen 
gleichsam a»S der Schlafmütze reden, um die Illusion zu erhöhen, 
und an die Nüchternheit des Morgens zu erinnern; der Correfpon- 
denk aus Berlin scheint unter diese zu g hören; aber dafür wird 
Er auch schwerlich klassisch werden. 
— In Amsterdam ist eine Landkarte erschienen, auf welcher 
die Ueberschwemmung angegeben ist, die dieses unglückliche Land 
vor Kurzem betraf. Man -rstannt über den ungeheuern Umfang 
derselben. Der Text, der mit der Karte verkauft wird, enthält 
die umständliche Beschreibung. Oer König hat ->>,ooo Gulden, auS 
feiner eigenen Kaffe, zur Unterstützung der Verunglückten gegeben; 
eine gleiche Summe har die Königin, die sich in Paris aufhält, 
übersandt. Die im ganzen Königreiche gesammelte Kollekte be 
trägt schon über 720,000 Gulden. Die Regierung denkt ernstlich 
darauf, Vorkehrungen zu treffen, die daS Unglück in der Zukunft 
verhüten. Mehrere Plane dazu sind dem Könige überreicht, »nd 
der Zweck seiner jetzigen Reise nach Oberyffel ist, diese Plane an 
Orr und Stelle zu prüfen. 
— Die ganze Sammlung in Amsterdam für die überschwemm 
ten Gegenden beträgt 250,000 Fl. 
— Unweit Stenay in Frankreich ist ein Adler von der großen 
Gattung geschossen worden, dessen Flsigelbreike 7 Fuß beträgk. 
— Herr Haßt och, Musiker und Sänger beim Frankfurter 
Theater, har ols einen Beweis besonderer Hold von Sr. Hoheit 
dem Fürsten Primas, für eine von ihm gefertigte mustkaiische 
Messe, die goidne Medaille erhallen. 
— Die Gerichtshöfe von Zürich sind gegenwärtig mit einem 
Rechkshandel beschäftigt, welcher ans de» empörenden Handel 
mit Kindern Bezug har, die man nach dem Findelhause zu 
Mailand verschickt. 
— Der Persische Gesandte in Paris ist Freimaurer geworden. 
Er har am Johannisfeste im großen Orient von Paris eine inte 
ressante Anrede gehalten, die fein Dollmelfcher übersetzte; zugleich 
»lächle er der Loge »lil einen, schön-» «p-rstsch-n Eiib-l ei» Ge 
schenk, her dem Großmeister beim Einrrirr immer vorgetragen 
Wird. 
— AlS man kürzlich im Olympischen CirkuS zu Paris die erste 
Vorstellung der Einnahme von Coruiina gab, belustigte 
sich daS Publikum sehr an einem eben so drolligten, aiS unerwar 
teten Auftritte. Eine elegante Skallmeistcrin hatte durch ihre 
Kunst allgemeine Bewunderung erregt, als ein plumper Bauer, 
mit Gamaschen und Holzschuhen, von seinem Sitze ausrief: er 
könne das eben so gut machen. Di- Zuschauer nahmen ihn beim 
Worte. Der Bauer steigt herab in die Reitbahn, und schreibt in 
seinem possieriichen Anzüge auf eine ungeschickte Art einher, steigt 
Mühsam zu Pferde, fällt einigemal ziemlich »ngeschickr herunter, 
steigt wieder aus, ui.d wird von seinem Renner znm Entsetzen al 
ler Zuschauer davon g-sützrk. Im Au.enbiicke der höchsten Täu 
schung, »nd alö der Renner mir der größten Schnelligkeit davon 
lief, ändert Plötzlich der Bauer sein ganzes Wesen; er richtet sich 
auf der Kruppe d-S Pferdes in die Höhe, wirft seine Holzschnhe, 
seinen Rock, sein- zwei Westen, seine acht GiletS, feine Perücke, 
seine Gamaschen, seine Strümpfe, seine PanraionS, »nd sogar 
sein Hemde von sich, und jetzt steigt aus dieser groben Verhüllung 
der junge Franconi im elegantesten Anzüge hervor; 'S war ein 
wahres Feenspiel. 
— Der berühmte Professor Cesarotti, der kürzlich in Pa 
dua starb, arbeitete in den letzten Monaten seines LebenS an einer 
Italienischen Uebersttznng der philosophstchen Schriften des Pro 
fessors Salat zu LandSljUt, den er tili einen scharfsinnigen D-»< 
ker sehr schätzte. Der Tod übereilte ihn, bevor er Diese Hebet* 
setzung vollenden konnte.
	        
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