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Bulletin der Tagesbegebenheiten. o. 67.
Vermischte Nachrichten.
Paris starb kürzlich eine alte »nd sehr reiche Gräfin.
Ausser Geschenken und Pensionen für alle ihre Diensilenke stattete
Ke auch noch alle Töchter derselben auS. Nur ihr Mann ein zwei-
rer Ehe) fiel leer durch, weil er zu sehr Libertin war. Dafür «er«
machte sie seiner Mätresse eine sehr ansehnliche Summe, weil, wie
sie sagte, sie von ihrem Manne nichts anders zu erwarten habe,
alS i>» Alter vergessen, und hülfloS verlassen I» werbe».
— Folgender merkwürdige Vorfall hat in den vergangenen
Monaten das Kriminalgericht von Paris beschäftigt. Ein Miekh-
kulscher spielte den -Lsten Novbr. v. 2. mit einem Oeparremenral-
Soldaten, der vorher sein Stailjunge war, Karte» in einer Wein
schenke der Vorstadt Honvrö. Der Kutscher schlug den, Soldaten
vor, um seinen Säbel !U spielen, weil er kein anderes Pfand,
noch Geld hätte. Auf des Soldaten Bemerkung! daß der Säbel
nicht ihm gehöre, versetzte der Kutscher: „So spiele um Dein
Ohr!" — Das ist etwas anderes; das Ohr ist mein, und folglich
kann ich darum spielen. — Der Soldat verlor die Partyie, und
der Kutscher sagte: „Zahle mir zwei Bouteillen Wein, oder ich
schneide Dir das Ohr ab!" — Ich habe kein Geld; schneide es ab,
wen.. D» willst! — Dabei legre der Soldat den Kopf auf den
risch bin. — „Ich will gleich Deine Affaire machen! ich gehe nur
zuvor noch bei Sei»!-- - Als dc-rKutscher zurückkam, setzte er sich
nebln den Soldaten, zog ein M-ffr heraus, und ergriff ihn beim
Ohre. Der Solda, glaubte: er woure ihn nur kneiveu, und lieg
,S geschehen; allein der Kutscher schnitt daS Ohr ad, und »eigre
,S den Gästen mir den Worten: „Er har es verspielt; es ist mein!"
— Man fragte ihn: „Und wenn jener seinen Kopf verspielte, hät
tet ihr ihn auch abgeschnitten?" - Eben so! antwortete der Kut-
f(f)ec. — „Der Schuft!" rief der Soldat, indem er steh das blu
tende Ohr wusch, „er hat mir'S wirklich abgeschnitten, ich hätte
es doch nicht geglaubt!" — Der Kutscher wurde den folgenden
Tag eingezogen. Er ist 4r Jahr alt, und schien nüchterner gewe
sen zu sein, als der rgjährige Soldat. Letzterer wurde im Hospita
le geheilt. DaS Ohr war glatt weggeschnitten, und er hört nun
hart. Der Kutscher ist zu vierjähriger Gcfängnißstrafe und zwei
stündiger Ausstellung verur'heill worden.
— In Nro. 6c. des Morg-nbiatt-s v. d. Z. wird aus Berlin
von KotzcbueS älterer Geschichte Preussens geschrieben: ste macht
bei unS viel glückliches Aufsehen, »nd dürfte klassisch
werden. DaS glückliche 21» fsehe» ist eine nagelneue Wen
dung, dir aber schwerlich Nachahmer finden dürfte; waS aber daS
klassisch werden anlangt: so ist dleS vollends absurd. Ein
Buch, daS schon vollständig erschienen ist, kann eben so wenig
klassisch, alS gut oder schlecht werden; eS ist schon, waS eS ist. —
ES scheint, al§ wenn manche Mitarbeiter an dieser Zeitung der
Meinung wären, in einem Morgenblatte müsse man i»w ilen
gleichsam a»S der Schlafmütze reden, um die Illusion zu erhöhen,
und an die Nüchternheit des Morgens zu erinnern; der Correfpon-
denk aus Berlin scheint unter diese zu g hören; aber dafür wird
Er auch schwerlich klassisch werden.
— In Amsterdam ist eine Landkarte erschienen, auf welcher
die Ueberschwemmung angegeben ist, die dieses unglückliche Land
vor Kurzem betraf. Man -rstannt über den ungeheuern Umfang
derselben. Der Text, der mit der Karte verkauft wird, enthält
die umständliche Beschreibung. Oer König hat ->>,ooo Gulden, auS
feiner eigenen Kaffe, zur Unterstützung der Verunglückten gegeben;
eine gleiche Summe har die Königin, die sich in Paris aufhält,
übersandt. Die im ganzen Königreiche gesammelte Kollekte be
trägt schon über 720,000 Gulden. Die Regierung denkt ernstlich
darauf, Vorkehrungen zu treffen, die daS Unglück in der Zukunft
verhüten. Mehrere Plane dazu sind dem Könige überreicht, »nd
der Zweck seiner jetzigen Reise nach Oberyffel ist, diese Plane an
Orr und Stelle zu prüfen.
— Die ganze Sammlung in Amsterdam für die überschwemm
ten Gegenden beträgt 250,000 Fl.
— Unweit Stenay in Frankreich ist ein Adler von der großen
Gattung geschossen worden, dessen Flsigelbreike 7 Fuß beträgk.
— Herr Haßt och, Musiker und Sänger beim Frankfurter
Theater, har ols einen Beweis besonderer Hold von Sr. Hoheit
dem Fürsten Primas, für eine von ihm gefertigte mustkaiische
Messe, die goidne Medaille erhallen.
— Die Gerichtshöfe von Zürich sind gegenwärtig mit einem
Rechkshandel beschäftigt, welcher ans de» empörenden Handel
mit Kindern Bezug har, die man nach dem Findelhause zu
Mailand verschickt.
— Der Persische Gesandte in Paris ist Freimaurer geworden.
Er har am Johannisfeste im großen Orient von Paris eine inte
ressante Anrede gehalten, die fein Dollmelfcher übersetzte; zugleich
»lächle er der Loge »lil einen, schön-» «p-rstsch-n Eiib-l ei» Ge
schenk, her dem Großmeister beim Einrrirr immer vorgetragen
Wird.
— AlS man kürzlich im Olympischen CirkuS zu Paris die erste
Vorstellung der Einnahme von Coruiina gab, belustigte
sich daS Publikum sehr an einem eben so drolligten, aiS unerwar
teten Auftritte. Eine elegante Skallmeistcrin hatte durch ihre
Kunst allgemeine Bewunderung erregt, als ein plumper Bauer,
mit Gamaschen und Holzschuhen, von seinem Sitze ausrief: er
könne das eben so gut machen. Di- Zuschauer nahmen ihn beim
Worte. Der Bauer steigt herab in die Reitbahn, und schreibt in
seinem possieriichen Anzüge auf eine ungeschickte Art einher, steigt
Mühsam zu Pferde, fällt einigemal ziemlich »ngeschickr herunter,
steigt wieder aus, ui.d wird von seinem Renner znm Entsetzen al
ler Zuschauer davon g-sützrk. Im Au.enbiicke der höchsten Täu
schung, »nd alö der Renner mir der größten Schnelligkeit davon
lief, ändert Plötzlich der Bauer sein ganzes Wesen; er richtet sich
auf der Kruppe d-S Pferdes in die Höhe, wirft seine Holzschnhe,
seinen Rock, sein- zwei Westen, seine acht GiletS, feine Perücke,
seine Gamaschen, seine Strümpfe, seine PanraionS, »nd sogar
sein Hemde von sich, und jetzt steigt aus dieser groben Verhüllung
der junge Franconi im elegantesten Anzüge hervor; 'S war ein
wahres Feenspiel.
— Der berühmte Professor Cesarotti, der kürzlich in Pa
dua starb, arbeitete in den letzten Monaten seines LebenS an einer
Italienischen Uebersttznng der philosophstchen Schriften des Pro
fessors Salat zu LandSljUt, den er tili einen scharfsinnigen D-»<
ker sehr schätzte. Der Tod übereilte ihn, bevor er Diese Hebet*
setzung vollenden konnte.