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Volume Nro. 128., Donnerstag, den 29. Juni 1809

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue6.1809 (Public Domain)

1809. 
Donnerstag, 
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D e r Freimüthig c 
oder 
den 2g. Juni. 
Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser. 
Res Martyrs, 011 le Triomphe de la Reli 
gion Chretienne, par F. A. Chateaubriand. 
Paris cliez le Normant. 1309. gr. ß. 
( Forrsetzuns.) 
Es war der Nächte eine, wo der Schatten hel 
le-! Dunkel Hellas schönen Himmel zu verschlei 
ern scheut; es war nicht Finsterniß, es war des 
Tages Ferne nur. Die Luft, sie war, wie Milch 
und Honig, mild; voll wonnigen Entzückens trank 
in vollen Zügen sie die Brust. — Taygetos Höhe, 
ihm gegenüber Meßeniens Meer, Kolonides und 
AkritaS Vorgebirge schwammen in sanftem Zauber- 
lichte; eine jonische Flotte zog die Segel bei, um 
in Cvroneaö Haftn einzulaufen, wie eine Schaar 
Zugtauben den Flügel senkt, um auf wirthlichem 
Gestade zu x„hn. Leis' stöhnt' Alkyrnä auf ihrem 
Neste; nächtliche Lüftchen wehten Kymodokä deö 
Diktams Düfte und Poseidon« Stimme zu — 
ruhend im Thaie, weilte deö Hirten Blick auf des 
Monde« Scheibe, von der Sterne schimmerndem 
Gefolg umringt; ,s füllte sich sein Herz mit 
Wonne. 
Die junge Priesterin der Musen wallte schwei, 
gend den Bergen entlang. Trunken von Entzük- 
ken schweiften ihre Blicke zu den Zauberstellen hin, 
wo Lykurgos und Zeus Wiege den Alten stand — 
ein sinnig Bild, daß Götterdienst und die Gesetze 
nur eine Quelle kennen, daß Hand in Hand sie 
gehen sollen. — Des Mädchens Brust erfüllten 
hcil'ge Andachtsschauer; in jedem Laut, in jedem 
leisen Regen sah und hörte Wunder sie. — Des 
Meeres Wogenbrausen war ihr das dumpfe Brül 
len der Löwen Kybeläs, in Oechalias Hain herab 
gestiegen; der Holztaube einsam Girren war ihr 
Hörnerron der 'Artemis, die auf Thurias Höhen 
jagt. 
Sie wandert weiter fort: reihende Gebilde ver 
scheuchen ihre Furcht; sie füllen ihre Seele; sie 
denkt der alten Sagen von der hoch berühmten 
Insel, wo sie einst das Licht erblickt; des Laby 
rinths denkt sie, der Tänze Cretensischer Mädchen, 
die noch seine Schlangenpfade malen; des stnnrei, 
chen Dädalo«; Ikaros des Unbesonnenen, Zdome- 
und seines Sohnes; vor allen denkt des un 
glücklichen Schwester-paares, Phädra's, Ariadnäs 
sie. — Jetzt hat sie den Weg verloren, nicht mehr 
folgt ihr die Pflegerin; sie fleht der Haine Götter, 
die Napajen, die Dryaden an, sie bleiben ihrem 
Flehe» stumm — da glaubt die fernen Himmlischen 
in Mänalos Thälern sie versammelt, wo die Arka- 
dier ihnen feierliche Opfer weihn. Ferne tönt der
	        
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