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Volume Nro. 46., Montag, den 6. März 1809

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue6.1809 (Public Domain)

Gold füllen, und so oft Du den Ring an 
den Mund führst, wirst Du Dich sogleich 
a» jeden Dir beliebigen Ort versetzen 
können." 
AlimeckS erster Wunsch war, wieder neue^ Län 
der zu sehen, und er realisirte ihn auf der Stelle. 
Diese Leichtigkeit des Reifens benutzte er, sich auf 
einem großen Theile der Erde umzusehen; und cs 
S ite ihm ein erstaunliches Vergnügen, so ver- 
ne Gegenden zu beschauen, in den Mannich- 
faltigsten Climaten sich umherzutreiben, »nd die ver 
schiedenen Naturerzeugnisse, die mancherlei Sitten 
der Nationen und ihre Gebrauche zu untersuchen. 
Nach einiger Zeit verlor er aber an diesem umher 
schweifenden Leben den Geschmack; denn je mehr 
Länder er durchreiste, desto weniger Neues, Ueber, 
raschendes fand er auf diesen Wanderungen. Er 
gelangte bald zu der Ueberzeugung, daß die Na, 
tur, wie die Kunst, überall nur ein und dasselbe 
darbiete, und daß die Sitten und Gewohnheiten 
der Völker, die von gleichen Neigungen und Lei 
denschaften erzeugt werden, sich nur durch einige 
schwache Nüancen unterschieden. Der Reiz der 
Neuheit verlor sich, Alimecks Neugierde stumpfte 
sich ab, und, müde des ewigen Wechsels, beschloß 
er, sich irgendwo zu fixircn. 
Er wählte Constanrinvpel zu seinem Wohn 
orte; diele Stadt, in der ein Mann sich 
alle nur ersinnlichen Genüsse verschalen kan», bor 
ihm auch noch den Vortheil dar, daß er hier In 
dividuen von all den Völkern, die er besucht hat 
te, antraf, und sich mit ihnen über die durch, 
retstten Länder unterhalten konnte. Ais Alimeck 
sich in Constantinopcl niedergelassen hatte: so nahm 
er sich vor, sich allen Arten von Vergnügungen zu 
überlassen, jeder seiner Launen ein Genüge zu lei 
sten, »nd, mit einem Worte, sein Leben zu ge, 
nießeu. Aber daid wurde er dieses geräuschvollen, 
zügellosen Lebens überdrüssig, und die köstlichsten 
Genüsse wurden ihm zum Ekel; je öfter er mit lei 
nen Vergnügungen wechselte, desto empfindlicher fühl 
te er diesen Ucberdruß. Sein leererGeist wurde von 
der unerträglichsten Langenweile geplagt, und eine 
Krankheit, "die er sich durch dieses unregelmäßige 
Leben zugezogen hakte, überzeugte ihn endlich vol 
lends, daß eil! müßiges, weichliches und wollüstiges 
Leben weit entfernt sei, ein dauerhaftes Glück zu 
gewähren, und er dieses nur in einer anständi 
gen Beschäftigung finden werde. 
Seine Reichthümer verschaften ihm sehr bald 
Gönner und Freunde; die Kenntnisse, die er sich 
auf seinen Reisen erworben hatte, eigneten sich, 
wie er meinte, dazu, um das wichtigste Amt be- 
* te ' und völlig ausfüllen zu können. Er erstieg 
deshalb von Stufe zu Stufe die höchsten Ehren- 
st-llen, und wurde endlich Groß-Vezier. Jetzt be 
stürmten ihn von allen Seiten die wichtigsten Ge- 
scpSftc; die Befehle leincs Souvcrains und die 
Bitten und Klagen dev Unterthanen ließen ihn 
keinen AUgsnl ick in Ruhe. Die Launen des indo 
lenten Monarchen, angezettelte Verschwörungen, 
die Kabalen seiner Neider und seiner Rivale, unter 
hielten ihn fortwährend in Bewegung und in 
Anast. Er überzeugte sich: daß Titel und Ehren, 
stellen nichte weiter, als eine glänzende Sklaverei 
wären; und dieser neuen Quaal, die er sich aufge 
legt hatte, müde, dachte er mir daran, ihrer bald 
wieder los zu sein, als eben die Neuigkeit einlief, 
dag die Perser sich zum Kriege gegen die Pforte 
rüsteten. Alimeck eri^elt den Auftrag, sich au die 
Spitze einer großen 'Armee zu stellen, um den 
Uebermuth der Feinde zu beugen, und mit Freuden 
ergriff er diese Gelegenheit, die seinem Durst nach 
Ruhm ein weites Feld eröffnete. 
Er lieferte zwei Schlachten, und blieb in bei 
den Sieger; die Feinde, in die Flucht geschlagen, 
verließen eilends das Türkische Gebiet, von dem 
sie einen großen Strich besetzt hatten. Der Groß- 
Vezir wurde mit Lobeserhebungen und Gunstbezeu 
gungen überhäuft; fein Name wurde in allen Ge 
genden des Reichs fast bis zu den Wolken erho 
ben; der Groß-Sultan machte sich bereit, ihn mit 
einem Aufwande von Pracht und Glan; in der 
Hauptstadt zu empfangen; im Triumph sollte er in 
Lonstantinopel einziehen, als er, zu seinem großen 
Unglück, in einen Hinterhalt siel, den die Feinde 
ihm gelegt hatten, und einen beträchtlichen Theil 
seiner Armee verlor. Jetzt änderte sich die Szene 
plötzlich; die Lobeserhebungen verwandelten sich ln 
Verwünschungen, »nd statt des Triumphes — bot 
man ihm einen Strick dar. 
Alimeck nahm sogleich seine Zuflucht zu seinem 
Ringe, und die,er verlebte ihn augenblicklich nach 
Indien. Nachvcm er .. v,r>es 
schönen Landes durchstreift hatte, verweilte er zu 
Golconda. 
Selima, die Fürstin dieses Landes, war von 
einer so seltenen Schönheit, daß man sie nur das 
Wunder von Alien zu nennen pflegte Alimeck 
sah sie und ihr Anblick machte einen so tiefen 
Eindruck aus sei» Herz, daß er sich sterblich in> die 
schöne Fürllin verliebte. Er wünschte, am Hofe 
vorgestellt zu werden, und diese Gunst wurde ihm 
bewilligt. Der 'Aufwand, den er machte, sei» an 
genehmes Aeussere, fein edles Betragen, die geist 
volle», lebhaften und interessanten Gejpräche, die 
er anzuknüpfen wußte, die Kenntnisse, die er sich 
über den Zustand io vieler Länder, Städte und 
Völker gesammelt hatte - das Alles lenkte die 
Aufmerksamkeit der Fürstin auf ihn; sie ließ ihn 
einladen, sich eine Zeitlang in Golconda aufzuhal 
ten, und mit Freuden nahm er diesen Antrag an. 
Man ordnete für ihn Feste, glanzende Jagden und 
Vergnügungen aller Art an; er crichien bei diesen 
mit »ie gelegener Pracht; leine zahlreiche Begleitung, 
seine reichen KiciLer weckten eine hohe Meinung 
von seinen Schätzen und seinem Geschmack. Se> 
lima schenkte ihm nach und nach immer mehr Ver 
trauen , >chien sogar Liebe fftr jhn zu empfinden, 
und ihm Hoffnung auf ihre Ha„d einzuflößen- 
Freudetrunken, glaubte Alimeck endlich den Gipfel 
des Glückes erklimmt zu haben, den er seit so lau-
	        
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