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Volume Nro. 43., Donnerstag, den 2. März 1809

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue6.1809 (Public Domain)

SiinFt, wenn eS sin goldueS A D C für die Frauen zu fein ver 
dient, so sollten sichS die Männer, wß Standes und Würden sie 
sind, zum tätlichen Katechismus machen. Wo sind die liebens 
würdigen Jünglinge, di- edlen Männer, wie si- der Verfasser 
S. rz- schildert, und wie sie sich jedes unverbildete Mädchen 
wünscht? Ent Paar Lektionen für di- Männer, wie sie tm gold- 
nen ABC stehen, würden in Ihrem Blatt- gar nicht am unrech 
ten Orte gewesen sein. Sie haben e§ aber blos mit den Weibern 
aufgenommen, als wenn von diesen 6 ! e Siitenverderbtheit allein 
herkäme. Sie haben ein Älaglied angestimmt, das mich schau 
dern gemacht hat. Ich schweige gern, wenn sich hier die Stimme 
der erfahruugSreichern Männerwelt erhebt. Aber wozu das ewige 
Schmälsten aus die Frauen! Sind eS dein, nicht die Männer, 
von denen unsere Erziehung, unsere Bildung und Verbildung, die 
ganze Richtung unsers Charakters ausgeht, sind eS nicht die ge 
strengen Herten der Schöpfung, die über Gesetze, Rechte und Sitte 
in der Societät si> unumschränkt herrschen! Was kann xian ihnen 
mir mrhrekem Rechte antworten, a!S daß nur dann die Wei 
be r i h r e r T u g e n d e n r sa z e it können, wenn d i e M ä li 
tt er ihre Würde aufgegeben haben— ein Kapitel, mein 
Herr, daS zur Sprache zu bringen, ganz im Geiste des Freimü 
thigen sein würde. Materialien dazu wird Ihnen der KretS Ih 
rer eigenen Erfahrungen reichlich darbieten. Aorläuüg schlage ich 
Zhuen, als Gegenitück zu dem Hausfreund, den Ehemann 
und einige andere Stellen attS dem goldnen A B E vor. Ich 
übersende Ile Ihnen in beigeheuden Abschriften. Vielleicht ffndrn 
Sie auch die Charaktere der Coquets, der Eieganz, der Brutalen, 
der Libertins, der schmachtenden Schäfer, der Dummdreisten, und 
was ich vorzüglich wünsche, den Mann, wie ihn die edle 
Jungfrau wünscht, deS EinrückenS in Ihre Zeitschrift werth. 
Ich wollte Sie anfangs der Pariheilichkeie gegen unser Geschlecht 
beschuldigen, allein ich erinnerte mich ans den früheren Blättern 
Ihres Journals, daß ich Unrecht haben würde. Dis giebt mir 
Hoffnung, daß Sie dieses Schreiben nicht übel aufnehmen, und 
meiner Bitte Gehör geben werden. 'Sein Sie meiner Hochach 
tung versichere. 
Ihr 
er,ebene W— G — 
Antwort. 
0>ie haben mit mit Ihrem geehrten Schreiben sehr viel Fcende 
gemacht; wenn ich gleich auch mit Beschqmmtg geliehen muß, 
daß ich Ihren Tadel verdiene, und daß ich selbst die Einseitigkeit, 
mit der ich daS bewnßre Buch anzeigte, straffällig finde. Nur 
Ein Wort zu meiner Entschuldigung, nicht Rechtfertigung, 
erlauben Sie mir hier anzuführen. Von Jugend auf gewohnt, in 
^fveut kleinen Kreise von Freunden zu leben, die gule, biedre 
^'niflteit sind, und mich mir den Bildungen meiner Phantasie 
tt>i»^'", oi)ne 6tcen ^"'häititiß zu den Erscheinungen in der 
23(11 prüfend inä Auge zu fassen — habe ich mir eine 
wenhcj/' "habene Idee von weiblicher Trefflichkeit und Vollkom- 
>ch eigen gemacht, die noch immer in mir lebt, und die 
felbst, wei"E" schönsten B-sitzthümecn zähle. Urtheilen Sie also 
hier und ta’v ^neidende Mißton erzeugt werden mußte, als ich 
(wie ich Sitlenverderbtheit anführen Hörle, die 
vorlheuhaste I? wirklich so zugetragen hatten, und die jene 
nichteien, m,ch'ab-°?>.^^"^° keine-wegeS in mir v-r- 
anfmerksamer machte?^ a " f 6i( ein,l ' ,ncn 3nSil ’ iil " ,n ---^ben 
"• Mißmüthig über dergleichen Erfahrungen 
') Siehe den Eingang dieses Blattes. 
Der Re» 
schrieb ich jene kurze Anzeige; aber in der That nicht, um das 
Geschlecht ttn Allgemeinen verdächtig machen, oder gtr daS mei- 
nifle höher stellen zu wollen. J-neS würde moralisch schlecht, 
daS Letztere albern gewesen sein. Um Ihnen aber meine völlige 
Unschuld zu beweisen — will ich folgendes Bekenntniß ablegen. 
Die feinere Organisation des WeideS, das rege Gefühl, daS Ih 
rem Geschlechte eigen ist, werden eS ewig vor Eltrarkling schützen; 
daß einzelne JnSiviSiten ihre Würde vergessen können, «aß viel, 
leicht seit einiger Zeir, aus Ursachen, die ich nicht weiter erörtern 
will, di- Zahl dieser Individuen sich vermehr, hat — das liegt am 
Lage; aber auf das allgemeine Urtheil kann diese Ersah'tmg (so 
schmerzhaft st-auch ist) keinen Entsittß haben. Und was mein 
G-schlechr anlangt; so bin ich fest überzeugt, »aß ein Mädchen, 
eine Frau unbeschreiblich verdorben sein müßte, so, wie es viel 
leicht unter hundert Individuen kaum Eins ist, um mit den mei 
sten jungen Männern unserer Zeir auf Einer und derselben Senfe 
der Moralität zu stehen. Dies Urtheil ist für Letztere hart; aber wahr. 
Zügellosigkeit ist ihre Führerin — S ch w ä ch e und flache 
Charakterlosigkeit im Haudelit wird ihr Loos sein. 
Schon längst habe ich gewünscht, die Aerehrttiig, die ich für 
Ihr Geschlecht eutpsiude, und die jeder Mann von Gefühl und 
Unbefangenheit für dasselbe empsiuden wird, in einigen Briefe» zu 
äußern, die Ich mir der Wärme des Herze..s schreibrn wollte, mir 
der dergleichen Ideen allein würdig ausgeführt werden können. 
Wirklich kündigre ich dieses W-rkchen uuicr der Aufschrift: „Die 
Würde und Bestimmung deS W eibeS, in Bri efen an 
Entma", im letzten Meßkataloge an; die übcrhättften Geschäfte, 
die schon manchen guten Vorsatz der Art in mir vernichtet haben. 
und Mangel an gemüthlicher Ruhe, der in dieser stürmischen Zeir 
wohl sehr erklärbar ist, haben mich daran verhindert. Ihr geehr 
tes Schreiben aber wird mich bewege», einige jener Briefe, die 
bis auf das Niederschreibe» in meinem Kopfe vollendet sind, in 
dkm nächsten Monatshefte des Freimüthigen mitzutheilen. Ich 
werde sie jetzt mit um so mehr Wärme schreiben, da Ich um eine 
schöne Erfahrung rrichrr bin. U. s. w> 
Berlin, den agstett Februar. 
August Kuhn. 
Aus Westphalen. 
E— am Niedsrrhein, den isten Februar igng. ») 
§ieb-r Bruder! g-rett-k aus großer Noly, eile ich. Dir zu schrei 
ben. Ich habe bet unserm Freunde V. eine fürchterliche Ueber- 
schwemmung erlebt. Noch höre ich das Wehklagen der Mütter, 
daS Schreien der Kinder, und daS durchs Herz greifende Rufen 
verzweifelter Väter. 
Bon unserm Freunde B. wurde ich sehr freundschastiich auf« 
genommen; di- ganze Familie nahm Theil, und war mit «nS 
froh. Auf die Paar Lage, di- wir hi-r so glücklich «erlebten, 
folgten schreckliche. Auf einmal hieß es; der Rhein har sich ge 
setzt. Mehrere Schüsse und da§ G-iäur- von nahen und fernen 
Dörfern verkündigt-ii diese Schreckensnachricht. Die ländlich» 
Wohnung unsers Freundes war aus Fälle der Arr eingerichtet; 
ver obere Stock d-S HauseS hat, wie in den Städten, alle nur 
möglichen Begumiichketlen. Er befahl aufzupacken, und wir all» 
Ich nehme diesen Brief mit mit so größerem Deraitüaen auf, 
«a er vielleicht auch manchen Leser des Fr inntth aeit aussor- 
dert, das Gelinge beizutragen, um das Elend lu den üb-r- 
v?»ffiee nteri'n 9( s »[t en * U !'"d',rit. Beiträge, die an mich ad< 
werden, souen mrr größter PüuknicvkL't an das hoch- 
löbliche Gouvernement in Düsseldorfsg/sand^ 
IM Freimuthtgen mit Namen aufgeführt wetdeit. 
Der Herausgeber.
	        
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