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Volume Nro. 128, Montag, den 27. Junius 1808

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue5.1808 (Public Domain)

gang in den vornehmsten Hausern, und Sitz an 
den Tafeln der Minister. So war eö durch Frie- 
drich's des Großen Lehre und Beispiel, ehe 
noch die Wahrheit allgemein geltend wurde, daß nur 
nach innerem Werthe, Talenten und Verdiensten 
Männer gewürdigt, gesetzt und belohnt werden müs 
sen, wenn es wohl stehen soll. Kein Mensch 
findet es in Berlin ungewöhnlich, noch weniger 
widersinnig, Generale, Gesandte, Staatsmänner, 
Minister, erhabene Prinzen mit Gelehrten ohne 
Charakter an öffentlichen Orten freundlich und ver 
traut reden, und mit ihnen fpatzieren gehen oder 
fahren zu sehen. Man kann leicht denken, wie viel 
der Gelehrte zu Berlin bei solcher edlen Ach 
tung, bei solchem Umgänge, gewinnt. Er 
verliert seine kleine Eingeschränktheit, und gewinnt 
an Bildung für die Welt, mit welcher die Bildung 
für die Wissenschaften immer verbunden werden 
sollte, daß nicht von Manchen gesagt werden könnte, 
was die gelehrte Königin Christine von Saumaise 
(Salmasius) sagte: „er weiß einen Stuhl in jeder 
Sprache zu nennen, sich aber auf keinen zu setzen." 
Auf der andern Seite gewinnen aber auch die hö 
heren Stände dadurch ungemein. Warum sind die 
Vornehmsten des Staats so human, waruni lieben 
und schätzen sie Freiheit im Denken, Reden und 
Schreiben, warum verlangen sie keine Art höfischer 
Unterwerfung, kein Aufpassen in ihren Vorzimmern, 
keine, für freie Menschen schimpfliche, Ceremo 
nie der Begrüßung? Woher Alles das anders, als 
weil sie mit dem ächten Geiste der Wissenschaften, 
der wahren Aufklärung, und der dadurch bewirkten 
freiern und ediern Denkart vertraut geworden sind? 
Wie viele aus der Fremde, oder aus den Provin 
zen nach Berlin gekommene Gelehrte, Künstler, 
Geistliche, Geschäftsmänner u. f. w. hörte man mit 
Entzücken davon reden, wie unglaublich und uner 
wartet gnädig dieser und jener Herr, welcher Chef 
des Departements war, in dem sie arbeiten, sie 
aufgenommen hätte! Das waren sie in ihrer Hek- 
math nicht gewohnt. Hier aber ist man es so ge 
wohnt, daß man die Erzählungen solcher Fremden 
von dem entgegengesetzten Betragen ihrer Oberen für 
Fabel hält. Man wundert sich hier, wie Staats 
und Hofmänner so ungezogen seyn können; aber 
noch mehr erstaunt man, wie Menschen, die sich 
nicht schämen, sich Gelehrte zu nennen, dergleichen 
Begegnungen ruhig ertragen können. Eine Sache 
von großer Wichtigkeit ist noch dies, daß, wenn 
Jemand gut findet, in einer gemeinnützigen Wissen 
schaft Vorlesungen zu Berlin zu halten, er «ö 
thun kann, und er Zuhörer aller Stände und 
alles Alters bekömint. Das war es, was das 
Alterthum, und vorzüglich Athen, so sehr auszeich 
nete, wo die ersten Männer des Staats gern mit 
den Weisen des Landes umgingen, sich willig unter 
die jungen Lehrlinge mischten, und überzeugt waren, 
daß ihr Stand, ihr Verstand und ihr Herz 
geehrt würde, wenn sie öffentlich ihreVer- 
ehrung gegen Kenntnisse und Wissen 
schaften, und ihre Lehrbegierde zeigten. 
Zn viel kleineren Oertern Deutschlands würden 
Menschen in viel unbedeutenderen Aemtern sich 
gleichsam schämen, der Welt zu sagen, sie wüßten 
noch Manches nicht, sie müßten noch lernen. Aber 
in der ersten Hauptstadt der Preußischen Monarchie 
halten Gelehrte, nicht etwa nur Professoren, Vor 
lesungen über allerlei Wissenschaften, und ihr Audi 
torium ist zahlreich und gemischt. Offiziere, geheime 
Räthe, Kaufleute, Künstler, Geistliche, obere Schul 
männer, Gesandte, Grafen, Renteniere, junge Ju 
den, selbst Minister, sitzen durcheinander; und einige 
werden auch von Frauenzimmern besucht. Vor 
solchen Zuhörern becifert sich natürlich jeder 
Gelehrter, sollte er auch so viel Hang zur Pedan- 
terei sonst haben, nur das Edle, wirklich 
Wissenöwerthe seiner Wissenschaft vor 
zutragen. Der lehrbegierige Geist solcher Zuhörer 
zeigt sich auch auf sehr erfreulichen Seiten. Zn 
solcher Gesellschaft, die so gemischt hier zusammen 
kömmt, wie zur Gottesverehrung in einer Kirche, 
hat Zeder Achtung vor dem Andern. Der Stolz 
der Stände schleift sich durch so ein gemeinschaftli 
ches Band etwas gegen einander ab. Vor uud 
nach der Stunde befragt manchmal ein Mann von 
höchstem Stande Einen von dem Niedrigsten, den 
er als fleißig und geschickt dort hat kennen kernen, 
um einzelne, von ihm versäumte, oder nicht genau 
bemerkte, Punkte des Vortrags. Und endlich em 
pfangen Wissenschaften und Kenntnisse, Lehrer und 
Gelehrte dadurch den würdigsten Tribut von Hoch 
achtung. Nur bei solcher Verbreitung derselben un 
ter den Weltleuten läßt sich etwas Großes von ih 
rer Wirkung hoffen. Aufklärung und freie Den 
kungsart wird dadurch allgemein, und selbst in Ge 
setzen und Staatseinrichtungen sichtbar. Wo ist 
eine Stadt, wie Berlin? Sehr wahr sagt Schu 
bart in seiner Ode auf Friedrich: 
Cs stiegen Weise und Künstler cm»vr. 
Und der Eradre Fürstin ward Berlin. 
Ueber das Indische Schauspiel: 
. Sakonrala. 
Es ist nützlich, wenn man zuweilen an die Schwä 
che unserer literärischen und historischen Universali 
tät erinnert wird, die so weit gehet, daß wir, bei 
aller Zuversicht, womit Literär-Historiker und Com- 
pendien-Schreiber der Weltgeschichte über Europäi 
sche und Nicht-Europäische Kultur und Geschichte 
sprechen, doch nicht einmal einen deutlichen Begriff 
von dem haben, was in Asien oder in andern außer- 
Europäilchen Welttheilen geschehen und gedacht seyn 
mag. Indien ist unstreitig ein Schatz von Kultur 
schon in den ältesten Zeiten gewesen, und wenn wir 
den Forschungen eine« Zones, Marsden und ande 
rer Engländer folgen, so existirten dort schon Lite 
ratur-Werke zu einer Zeit, wo die Deutschen noch 
an Alphaberhe nicht denken konnten.
	        
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