gang in den vornehmsten Hausern, und Sitz an
den Tafeln der Minister. So war eö durch Frie-
drich's des Großen Lehre und Beispiel, ehe
noch die Wahrheit allgemein geltend wurde, daß nur
nach innerem Werthe, Talenten und Verdiensten
Männer gewürdigt, gesetzt und belohnt werden müs
sen, wenn es wohl stehen soll. Kein Mensch
findet es in Berlin ungewöhnlich, noch weniger
widersinnig, Generale, Gesandte, Staatsmänner,
Minister, erhabene Prinzen mit Gelehrten ohne
Charakter an öffentlichen Orten freundlich und ver
traut reden, und mit ihnen fpatzieren gehen oder
fahren zu sehen. Man kann leicht denken, wie viel
der Gelehrte zu Berlin bei solcher edlen Ach
tung, bei solchem Umgänge, gewinnt. Er
verliert seine kleine Eingeschränktheit, und gewinnt
an Bildung für die Welt, mit welcher die Bildung
für die Wissenschaften immer verbunden werden
sollte, daß nicht von Manchen gesagt werden könnte,
was die gelehrte Königin Christine von Saumaise
(Salmasius) sagte: „er weiß einen Stuhl in jeder
Sprache zu nennen, sich aber auf keinen zu setzen."
Auf der andern Seite gewinnen aber auch die hö
heren Stände dadurch ungemein. Warum sind die
Vornehmsten des Staats so human, waruni lieben
und schätzen sie Freiheit im Denken, Reden und
Schreiben, warum verlangen sie keine Art höfischer
Unterwerfung, kein Aufpassen in ihren Vorzimmern,
keine, für freie Menschen schimpfliche, Ceremo
nie der Begrüßung? Woher Alles das anders, als
weil sie mit dem ächten Geiste der Wissenschaften,
der wahren Aufklärung, und der dadurch bewirkten
freiern und ediern Denkart vertraut geworden sind?
Wie viele aus der Fremde, oder aus den Provin
zen nach Berlin gekommene Gelehrte, Künstler,
Geistliche, Geschäftsmänner u. f. w. hörte man mit
Entzücken davon reden, wie unglaublich und uner
wartet gnädig dieser und jener Herr, welcher Chef
des Departements war, in dem sie arbeiten, sie
aufgenommen hätte! Das waren sie in ihrer Hek-
math nicht gewohnt. Hier aber ist man es so ge
wohnt, daß man die Erzählungen solcher Fremden
von dem entgegengesetzten Betragen ihrer Oberen für
Fabel hält. Man wundert sich hier, wie Staats
und Hofmänner so ungezogen seyn können; aber
noch mehr erstaunt man, wie Menschen, die sich
nicht schämen, sich Gelehrte zu nennen, dergleichen
Begegnungen ruhig ertragen können. Eine Sache
von großer Wichtigkeit ist noch dies, daß, wenn
Jemand gut findet, in einer gemeinnützigen Wissen
schaft Vorlesungen zu Berlin zu halten, er «ö
thun kann, und er Zuhörer aller Stände und
alles Alters bekömint. Das war es, was das
Alterthum, und vorzüglich Athen, so sehr auszeich
nete, wo die ersten Männer des Staats gern mit
den Weisen des Landes umgingen, sich willig unter
die jungen Lehrlinge mischten, und überzeugt waren,
daß ihr Stand, ihr Verstand und ihr Herz
geehrt würde, wenn sie öffentlich ihreVer-
ehrung gegen Kenntnisse und Wissen
schaften, und ihre Lehrbegierde zeigten.
Zn viel kleineren Oertern Deutschlands würden
Menschen in viel unbedeutenderen Aemtern sich
gleichsam schämen, der Welt zu sagen, sie wüßten
noch Manches nicht, sie müßten noch lernen. Aber
in der ersten Hauptstadt der Preußischen Monarchie
halten Gelehrte, nicht etwa nur Professoren, Vor
lesungen über allerlei Wissenschaften, und ihr Audi
torium ist zahlreich und gemischt. Offiziere, geheime
Räthe, Kaufleute, Künstler, Geistliche, obere Schul
männer, Gesandte, Grafen, Renteniere, junge Ju
den, selbst Minister, sitzen durcheinander; und einige
werden auch von Frauenzimmern besucht. Vor
solchen Zuhörern becifert sich natürlich jeder
Gelehrter, sollte er auch so viel Hang zur Pedan-
terei sonst haben, nur das Edle, wirklich
Wissenöwerthe seiner Wissenschaft vor
zutragen. Der lehrbegierige Geist solcher Zuhörer
zeigt sich auch auf sehr erfreulichen Seiten. Zn
solcher Gesellschaft, die so gemischt hier zusammen
kömmt, wie zur Gottesverehrung in einer Kirche,
hat Zeder Achtung vor dem Andern. Der Stolz
der Stände schleift sich durch so ein gemeinschaftli
ches Band etwas gegen einander ab. Vor uud
nach der Stunde befragt manchmal ein Mann von
höchstem Stande Einen von dem Niedrigsten, den
er als fleißig und geschickt dort hat kennen kernen,
um einzelne, von ihm versäumte, oder nicht genau
bemerkte, Punkte des Vortrags. Und endlich em
pfangen Wissenschaften und Kenntnisse, Lehrer und
Gelehrte dadurch den würdigsten Tribut von Hoch
achtung. Nur bei solcher Verbreitung derselben un
ter den Weltleuten läßt sich etwas Großes von ih
rer Wirkung hoffen. Aufklärung und freie Den
kungsart wird dadurch allgemein, und selbst in Ge
setzen und Staatseinrichtungen sichtbar. Wo ist
eine Stadt, wie Berlin? Sehr wahr sagt Schu
bart in seiner Ode auf Friedrich:
Cs stiegen Weise und Künstler cm»vr.
Und der Eradre Fürstin ward Berlin.
Ueber das Indische Schauspiel:
. Sakonrala.
Es ist nützlich, wenn man zuweilen an die Schwä
che unserer literärischen und historischen Universali
tät erinnert wird, die so weit gehet, daß wir, bei
aller Zuversicht, womit Literär-Historiker und Com-
pendien-Schreiber der Weltgeschichte über Europäi
sche und Nicht-Europäische Kultur und Geschichte
sprechen, doch nicht einmal einen deutlichen Begriff
von dem haben, was in Asien oder in andern außer-
Europäilchen Welttheilen geschehen und gedacht seyn
mag. Indien ist unstreitig ein Schatz von Kultur
schon in den ältesten Zeiten gewesen, und wenn wir
den Forschungen eine« Zones, Marsden und ande
rer Engländer folgen, so existirten dort schon Lite
ratur-Werke zu einer Zeit, wo die Deutschen noch
an Alphaberhe nicht denken konnten.