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Volume Nro. 115, Donnerstag, den 9. Junius 1808

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue5.1808 (Public Domain)

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für tausend und eine Krone der Heilige seyn, der 
er für tausend Kronen nicht seyn wollte, und diese 
Summe ihm vom Ankläger ausgezahlt werden. Sa 
lange er aber dieser Heilige ist, soll das Geld bei 
den Firmen in Verwahrung bleiben." 
Einst klagte ein Müller über den andern, daß 
er aus Bosheit seinem Esel ein Ohr abgeschnitten; — 
in Sicilien aber war's eine Schande, einen Ejel mit 
gestutzten Ohren zu reiten. Ungeachtet nun der Be 
klagte sich erbot, den verstümmelten Esel gegen den 
seinigrn einzutauschen, so war der beleidigte Theil 
damit doch nicht zufrieden, und der seltsame Handel 
kam vor den Vicekönig. Dieser beschied beide mit 
ihren Eseln auf den folgenden Tag nach dem Schloß 
platz — und sprach dort folgendes Unheil: „Hat 
Beklagter Klagers Esel ein Öhr abgeschnitten, so 
soll dieser dem Esel des ersteren ein Gleiches thun, 
damit sein erlittener Schimpf auf diese Art gero 
chen werden." Der Spruch wurde auch auf der 
Stelle vollzogen, und Kläger und Beklagter mußten 
hierauf, in Begleitung zweier Häscher, auf ihren 
verstümmelten Lasithiereu die Straßen der Stadt 
durchziehn. Der Herzog aber sagte hiebei zu seinem 
Gefolge: so must man die mukhwilligen Zänker be 
zahlen, die dem Vicekönig wegen eine« Eselohrs den 
Kopf warm machen. — Doch damit allein war die 
Sache nicht abgethan; er legte beiden Eselpartheien 
noch besonders auf, ihre verstümmelten Thiere in 
nerhalb zwei Zähren nicht abzuschaffen, und im 
Fall eins unterdeß krepirte, so lange einen andern 
rinbhrigten Esel zu brauchen. 
Aber nicht immer waren seine Strafen von 
dieser Art, und wirkliche Vergehen ahndete er mit 
aller Strenge. Das erfuhr unter andern Agosta. 
Die Garnison dieser Festung hatte ihren Komman 
danten entsetzt und sich seiner Person bemächtigt. 
Der Vicekönig erhielt nicht sobald Nachricht davon, 
als er an der Spitze seiner Garden dahin eilte und 
die Rebellen züchtigte. Ein Drittel der Garnison 
mußte um den Tod loosen; die übrigen wurden mit 
Weid und Kinder» aus dem Lande gejagt; den ar 
men, gefangenen Kommandanten aber traf eben kein 
gelinderes Loos. Ihn verurcheilke der Herzog auf 
zwei Zahre zur Galeere, „wegen Mangel an Klug 
heit und Unterlassung solcher Anstalten, die zur Er 
haltung der Liebe und Furcht bei den Soldaten er 
forderlich sind, wodurch er gewissermaßen Schuld 
«n dem Blutvergießen gewesen." 
Um überall die Uebelchäter die Wirkung seiner 
Gerechtigkeit empfinden zu lassen, bereiste er sehr 
«ft dir vornehmsten Plätze des Königreichs. Zu 
weilen ging er auch verkleidet in den Straßen um 
her und suchte, gemeiniglich in der Verkappung ei 
nes Soldaten, Tagelöhner«, Matrosen oder Pfaf 
fen, in den Häusern der Bürger und an öffentli 
chen Oertern, die Stimmung der Einwohner zu er 
forschen. Einst begab er sich sogar in Weiberklei- 
dern zu einer Dame; allein diese Verwandlung 
bewirkte di, Liebe zur Schönheit, und nicht seine 
Gerechrigkeitsltede. 
Außerdem ging auch sein Streben als Dicekö- 
nig dahin, sich auf dem Mittelländischen Meer ge 
gen die Türken in Respekt zu erhalten, denen er 
gleich zu Anfange seiner Regentschaft in einigen 
glücklichen Gefechten keinen unbedeutenden Schaden 
zufügte. Er vermehrte deshalb dir Anzahl der 
Kriegsfahrzeuge mit einem Aufwand von Kosten, 
die jedoch den Unterthanen zur Last fallen mußten, 
da sie durch immer erneuerte Abgaben gedeckt wur 
den. Dies erzeugte laute Aeußerungen der Unzu 
friedenheit, und schon war es unter den Einwoh 
nern von Palermo zum Sprüchwort geworden: „der 
Herzog von Oßuna will uns auf den Misthaufen 
dringen." Allein dieser hatte nicht sobald davon 
Wissenschaft erlangt; als er eines Tages auf dem 
Markt einen großen Misthaufen aufführen ließ. Al 
le» lief, von Neugirr und Verwunderung getrieben, 
dahin. Endlich erschien auch der Vicekönig, erstieg 
den Mistberg und redete die Versammlung also an: 
„Meine Kinder! Zhr klagt, daß ich euch endlich 
gar auf den Misthaufen bringen wolle. Aber seht, 
hier steh' ich selbst — und will, zu meinem und 
Eures Königs Dienst, zuerst darauf seyn." Dann 
ließ er einen Tisck hinausragen und hielt an dem» 
selben mit seinen Räthen Gericht über zwei Bürger 
von Palermo, — die nachher auch zum Tode ver- 
urcheilc und an einem, auf demselben Mistberg er 
richteten, Galgen aufgeknüpft wurden, weil sie ihre 
Degen geweht und dabei gedroht hatten: „es zu 
verhindern, daß sie der Vicekönig auf den Misthau 
fen brachte." 
Dieser Härte ungeachtet, vergoß das Volk Thrä 
nen bei seinem Abschied, als er im Zahr 1616 Si 
cilien verließ, um als ernannter Vicekönig von Nea- 
pel dort seine Residenz zu nehmen. Sein Wille, 
Gute» zu wirken, seine Unpartheillchkeit und seine 
Sorge fürt gemeine Wohl, die sich in allen seinen 
Handlungen aussprach, hatten ihm selbst die Ach 
tung derer erzwungen, die ihm ihre Liebe versagen 
mußten. Nie nah», er, zur Beugung des Rechts, 
Geschenke; und wo dies geschah, da strafte er es 
strenge. Einst erfuhr er, daß seine Gemahlin von 
Personen, die bei ihm Dienste suchten, dergleichen 
entgegengenommen hatte. Er überzeugte sich, in ih 
rer Abwesenheit, davon, und als sie nach Hause 
kam, fand sie ihre Zimmer aufgeräumt. Das 
fremde Gut hatte der Herzog herausnehmen und in 
die Armenhäuser tragen lassen. 
Zn Neapel debütirte er mit folgendem RechtS- 
schwänk. Ein reicher, 7ojähriger Kaufmann rühmte 
sich unaufhörlich, daß er in fünfzig Zahre» nicht 
zum Thor hinausgekommen sey. Diesem schickte der 
Herzog den Befehl zu: „bei Straft von 10,000 
Kronen sich nickt aus dem Königreich zu entfernen." 
Alles lachte darüber; auch der Kaufmann. Aber 
bald trieb ihn die Neugier, zu wissen, was doch 
wohl die Ursache des sonderbaren Verbots seyn kön 
ne? Ze langer er darüber nachdachte, desto mehr 
beunruhigte es ihn. ft entschloß sich endlich, jene 
aus Kosten seines Bkurels zu stillen, übersandte dem
	        
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