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Nro. 95.
D e r Freimüthige
Montag/ ^ oder *— den 16. May.
Berlinisches Unterhattungsbtatt für gebildete^ unbefangene Leser.
Saint * Pierre,
auf der Znsel Martinique.
(Aus Robins Reise.)
blm zwei Uhr Nachmittags befanden wir uns der
Stadt Saint - Pierre gegenüber.
Der Eintritt des Meeres in das Land bildet
mit seiner weiten Oeffnung eigentlich weder Hafen,
noch Rhede, noch Day. ZS ist bloß ein ganz guter
Ankerplatz, wenn die Winde vom Lande her wehen;
dann werden sie gemäßigt durch die hohen Gebirge.
Diese Winde wehen dann auch das ganze Jahr hin
durch, ausgenommen in den Zeiten der Stürme,
welche die Winter zeit genannt werden, und gegen
dl" Iuly den Anfang nehmen. Man kann der
Stadt während der guten Jahreszeit sich nur lavi-
^knd nähern, und wenn der Eingang in diese Bay
u'cht so weit wäre, so würde man gar nicht hinzu
gelangen können. Die Hügel oder Berge strecken,
ihren Fuß bis an das Ufer, und lassen
if * *® n 9ff der Küste nur einen schmalen Erd-
, J?,cr nun entfaltet sich die Stadt in einer
Ebehuung von mehr, als einer halben Stunde.
nllr , i'nei bis drei Straßen parallel mit
anbauen können, und doch ist eine, die
, , fr\i stu f oinem unebenen Boden ange-
«» sl . ni / r, l fnd für Fuhrwerk ganz unzu.
, au ff r &,deicht und steil sind sie. Un-
lere indolenten Kreolen lassen sich in Sanften darauf
hin- und her tragen, oder auch wohl in prächtigen
Hamais, welche von starken Sklaven auf dem Kopfe
getragen werden. Die Queergassen, d. h. diejenigen,
welche vom Meere sich nach dem Fuße der Berge
ziehen, sind natürlich sehr kurz, und endigen sich
mit einem Male am Fuße der spitzigen Berge. Die
Stadt scheint unter ihren furchtbaren Massen er
drückt zu werden, und je näher man ihr kommt,
desto beschwerlicher wird das Aufblicken zum Hori
zonte. Man glaubt, die kühnen Fclfenmassen müß
ten jeden Augenblick auf die Dächer der Häuser
herabstürzen, eine Befürchtung, welche um so ge
gründeter ist,,je häufiger man hier Erderschütterun
gen zu verspüren pflegt. Diese lassen sich schon
aus den schwefelhaltigen Vertiefungen dieser einst
vulkanischen Gebirge vermuthen. Ihre mit, gegen
Abend hin sich neigenden, Felsmassen besetzten Sei
ten würden zu eben so viel Reverberen werden, wel
che die «Ltadt entzünden müßten, wenn sie nicht hie
und da mit Vegetabilien bedeckt wären, und tiefe
Ritzen sich darin bssänden, aus denen Wasser her
vorquillt, das in Castaden über das schwarze Ge
stein herabfällt, und, den Strahlen der Sonne ent
zogen, immer gleich kühl bleibt. Nicht selten wer
den sie durch heftige Platzregen zu verwüstenden
Bergströmen.
Man hat diesen Wasserreichthum so zu benutzen
gewußt, daß man ihn fast in allen Straßen in
der Stadt vertheilt hat, wo das Wasser mit bele-