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Volume Nro. 56, Freitag, den 18. März 1808

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue5.1808 (Public Domain)

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Schrauben befestigte, Reifen umschließen es, wovon 
jeder Reif 7 Zentner wiegt ; diese Reifen allein also 
zusammen 22.; Zentner Gewicht haben. 
Die frappanteste aller Merkwürdigkeiten des 
Königstcinö ist aber wohl der Brunnen. Er wurde 
schon in grauer Vorzeit durch den Felfen gehauen, 
hat goo Ellen Tiefe und 6 Ellen im Durchmesser, 
und daö schönste Wasser von der Welt, da er unter 
dem Bette der Elbe liegt. Ueber dem Brunnen ist 
ein stark gewölbtes Haus erbauet, welches ihn von 
außen vor jedem Unfall beschützt. Das Wasser 
wird in Tonnen heraufgewunden, welche vermittelst 
eines in dem Brunnenhause angebrachten Tretrades 
durch vier Männer hinuntergelassen und heraufge 
zogen werden. Der alte Brunnenmeister pflegt ei 
nen Kranz mit vier brennenden Lichter in die Tiefe 
hinabzulassen, während die Wassertonne heraufge 
wunden wird, um jene ungeheure Tiefe anschaulich 
zu machen. Es dauerte sehr lange, ehe der Lichter 
kranz hinunter kam, und während dem goß der 
Brunnenmeister etwas Wasser in den Brunnen, 
dessen Fall auf den Wasserspiegel wir erst nach Ver 
lauf einer halben Minute deutlich hörten. Der 
Lichterkranz beleuchtete die Wasserfläche nur sehr 
schwach; da kam uns aber der Stand der Sonne 
um diese Tageszeit herrlich zu statten. Der Drun- 
nenmeister hielt einen Spiegel der, durch die Fenster 
scheinenden, Sonne entgegen, und dadurch wurde uns 
der ganze Umfang des Wasserspiegels und die grau 
senvolle Tiefe des Brunnens vollkommen sichtbar. 
Fielen dieLichtstrahlen auf die heraufkommende Was 
sertonne , so flimmerte das Wasser von der Bewe 
gung und glänzte wie taufend Diamanten; ein be- 
zaubender Anblick! Der Lichterkranz wurde am 
Ende so klein, daß die Lichter nur wie leuchtende 
Pünktchen aussahen. Ist die Wassertonne hcrauf- 
gewundcn, so ergießt sie sich in ein großes Reser 
voir, woraus die Bewohner der Festung ihr Trink 
wasser holen. Zum Waschen sind zwei große, im 
Schatten hoher Bäume liegende, Zisternen vorhan 
den, worin das Regenwaffer gesammelt wird. Aue 
der so eben heraufgezogenen Wassertonne füllte die 
Tochter des Brunnenmeistcrs einen mit alter Male 
rei gezierten gläsernen Krug von wenigstens vier 
Quart, und reichte jedem der Anwesenden einen Trunk. 
Das Wasser ist eiskalt, und so klar wie Krystall. 
Jedem, der diesen merkwürdigem Brunnen sah, 
wird er unvergeßlich bleiben; denn seines gleichen 
findet man wohl nur sehr selten. 
Der Königstein ist 1Z00 Fuß über der Elbe er 
haben. Im dreizehnten und vierzehnten Jahrhun 
dert besaßen ihn die Burggrafen von Dohna, denen 
er zu Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts von 
Wilhelm, Markgrafen von Meißen, wieder abge 
nommen wurde. Darauf bemächtigten sich seiner 
die Hussiten, und zerstörten das darauf befindliche 
schloß, worauf der Felsen lange verlassen war, 
bis Herzog George zu Anfange des sechzehnten Jahr 
hunderts ein Cölestiner-Kloster aus den Ruinen des 
zerstörten Schlosses erbauen ließ, welches nach der 
Reformation aufgehoben wurde. Endlich legte der 
Kurfürst Christian I. den Grund zu der Festung, 
die von seinen Nachfolgern erweitert und verstärkt 
wurde. 
Der dem Königstein gegen über liegende Lilien- 
stein wurde vom Kurfürsten Friedrich August im 
Jahre 170Ö erstiegen, und zum Andenken eine Säu 
le auf der höchsten Spitze dieses Felsens gesetzt, wel 
che von unten wie ein kleiner Kegel erscheint. Jetzt 
besteigt man den Lilienstein selten, weil er sehr un 
zugänglich, seine Fläche nicht eben, sondern voller 
Risse und ungleicher Spitzen ist. Obgleich der Li- 
lienstein höher, als der Konigsstein, seyn soll, so soll 
er doch den Königstein nicht beschießen können, wie 
angestellte Proben bewiesen haben. Dagegen kann 
man vom Königstein den Lilienstein beschießen, wel 
ches ebenfalls versucht worden ist. 
Der Nachtgeist. 
<Forrsk?u»g.) 
Allerdings ist es mathematisch gewiß, und zwar 
im eigentlichsten Sinne, was ich aus allgenieinen 
einfachen Naturgesetzen folgere. Arithmetik, die ab 
strakteste, evidenteste der Wissenschaften, ist das For- 
niale aller, und mithin muß auch die Welt, in der 
schon gemeine Naturforscher Consequenz und Zusam 
menhang überall wahrnehmen — der offenbar die 
vollendetste aller Theorien zum Grunde liegt — 
schlechterdings nach mathematischen Grundsätzen 
construirt seyn. Nur scheinbar regellos und cha 
otisch sind die Gestalten dieses Planeten und des 
gestirnten Himmels. Wer sich vom Sinnlichen zum 
Ueberfinnlichen erheben lernt, wer vom Einmaleins 
der Natur, durch die 5 Species, durch alle höhere 
Rechnungsarten, nach und nach bis zur Analyse 
des Unendlichen fortschreitet, dem ist das ganze 
große algebraische Ganze so klar, wie dem Einmal 
eins-Menschen, der in seiner moralischen Bettcl- 
wirihschaft Pfennige ^und Kreuzer an den Fingern 
zusammenzählt, der Satz: i zu 2 macht 3 oder 2 
mal 2 thut 4 u. s. w. Er, der höhere Naturfor 
scher, kennt so genau, wie der Gemeine, die Folgen 
leiter der Dinge auf Erden, die Stufen, auf denen 
die im Atome wohnende Kraft, nachdem sie fort 
wachsend im Menschen Denkvermögen errungen, 
weiter hinaufsteigt bis zum Sonnenpunkte, wo sie 
Alles hervorzubringen vermag, was sie -einst selbst 
war, und mehr." — 
Unter diesen und anderen Gesprächen waren wir rasch 
auf einem Fußpfade im Walde fortgeschritten. Unver 
merkt hatten wir uns einem Gottesacker genähert, 
an dem die Heerstraße hinlief. Das Thor desselben 
stand offen, wir traten hinein und ließen uns auf 
einer Bank vor dem Gebeinhause nieder. Ohne zu 
sprechen, saßen wir hier neben einander,) er, be 
schäftigt mit Gedanken der Zukunft, und ich er 
griffen vom Schauer der Umgebungen. Da schlug 
eine Glocke aus der Ferne siebenmal hell durch die
	        
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