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Volume Nro. 55, Donnerstag, den 17. März 1808

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue5.1808 (Public Domain)

D e r Freimüthige 
Donnerstag., —oder t Len 17. März, 
Berlinisches Unterhattungsblatt für gebildete, unbefangene Leser. 
Enthusiasmus für die Kunst. 
(Fragment.) 
Äer ewige Zirkel, in 'welchem durch alle Jahrhun 
derte Künste und Wissenschaften sich herumdrehen, 
findet sich auch bei dem Enthusiasmus für die Künste, 
den Definitionen über ihn, den Quellen, die man 
von ihm angiebt, und den Weisungen, die man 
ihm zu geben sucht. — Barbarei und Unwissenheit 
machen den Anfang; man trist auf mühsanie aber 
abgeschmackte und geschmacklose Arbeiten; dann nä 
hert man sich dem Bessern, dem Schönen, erreicht 
es, und verfällt darauf in das Gekünstelte und in 
Verkünstelungcn, und endet zuletzt mit Unsinn, Tra- 
vestirung und Karrikatur. — Bedauernswürdiges 
Jahrhundert, in welchem sich die letztem Epochen 
zusammen vereinen; ach, wärst du doch nicht das 
unstlge! — Der Enthusiasmus scheint zuerst in der 
finstern beacht eines dicken Waldes zu ruhen, und, 
wenn, er gleich mit dem Menschen da ist, stets ge 
genwärtig, wie die Gottheit ihrem Geschöpfe, so sind 
dieAeußerungen doch so schwach und flüchtig, daß 
er wirkungslos dahindämmert. Aber dann wenn 
Unwissenheit und Verwilderung zu schweigen anfan 
gen, erhebtauch er sein glanzendes Haupt wieder, und 
erregt bei dem blöderen Volke ein Erstaunen, gleich 
dem hellen Scheine der Sonne im Auge des unglück 
lichen Eingekerkerten, der plötzlich an das Licht ge 
führt wird. Zn diesem jugmdlichen Zeitalter er 
scheint der Enthusiasmus zwar noch in roher Form, 
allein doch zeigt sich auch hier schon seine unwider 
stehliche Kraft; endlich besiegt er, was ihn fesseln 
und unterdrücken wollte, gewinnt nach überstande 
nem Kampfe das offene Feld, und jetzt ist seine 
Macht, seine Herrschaft wunderbar über alle Kün 
ste und Geister, und er geht von Nationen zu Na 
tionen und erfreut und befriedigt sie. Damit ist 
leider sein goldenes Zeitalter auch zugleich geendigt. 
Der Mensch rastet nicht, fühlt, nach befriedigtem- 
Bedürfniß den Ueberdruß der Sättigung ; das Ge- * 
nugsamc wird überladen, das Geschmückte über 
schmückt, das Schöne verschönert, das Große ver 
größert. Man hört nicht mehr die stillschweigenden 
Verweise jener Denkmähler, die durch Simplizität 
vortrefflich waren; man findet sie zu einfach, zu 
schwächlich, und das Licht des Enthusiasmus ist nicht 
nichr das Licht der alles befruchtenden Frühlingöson- 
nc; es ist die belastende Schwüle des Sirius. Sein 
Geschmack ist nicht mehr für das Feine, fein Gau 
men ist stumpf und fordert reizbare,Getränke. Vi 
sionen werden Wahnsinn, Rapidität wird Zügello 
sigkeit, Wissenschaft Klügelei, das Große gigantisch, 
das Wunderbare monstroß. Die Schnitter mähen 
die Achren ab, der Sammler findet verdorrte Fel 
der. — So — Dichter und Künstler — so Schlüsse 
und Werke! — Es giebt nur Eine heilige Familie 
des Raphaels, nur Eine Nacht des Correggio, nur
	        
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