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Volume Nro. 36, Freitag, den 19. Februar 1808

Full text: Der Freimüthige oder Berlinisches Unterhaltungsblatt für gebildete, unbefangene Leser / Kuhn, Friedrich August (Public Domain) Issue5.1808 (Public Domain)

Ein Mcnnoni't fragte den andern: was ist Con- 
curs? „Ein Gastmahl," erwiederte der Befragte, 
„vom Vermögen des Schuldners ausgerichtet. Die 
Herren vom Gerichte sitzen am Tisch mit großen 
Löffeln, und essen so viel sie wollen und können. 
Die Gläubiger aber stehen lauernd mit kleinen Löf 
feln in der Ferne, und erhalten hernach, was die 
Herren vom Gastmahl übrig gelassen haben." 
Ein Landmann saß zwischen zwei jungen Leuten, 
die ihn aufzogen. „Meine Herren," sagte er, „Sie 
scheinen mich zum besten haben zu wollen; ich muß 
Zhnen daher eine Zdee von meinem Charakter bei 
bringen. Zch bin nicht ganz ein Pinsel, und auch 
eben kein Geck, aber so zwischen beiden." 
Ein Großer ward auf seinem Todbette von sei 
nen beiden Sachwaltern besucht. „Kommen Sie, 
meine Herren!" sagte der Sterbende, „und stellen 
Sie sich auf die rechte und linke Seite meines Bet 
tes, damit ich, wie mein Heiland, zwischen zwei 
Schächern sterbe-" 
Wanderung über das Riesengebürge. 
An den Portrait-Mahler Schöner zu Uverdon. 
(ForN'Wung.) 
Als ich mich ruhig geschaut hatte, lagerte ich mich, 
nach der schönsten Gegend hin, auf Veilchenflein. 
Als die Sonne weniger blendete, sah ich am Hori 
zont ein blaueres Gewölk, das immer festeren Um 
riß bekam; da nannte wir Finger den Zopten-, 
berg. O wie begrüßte ich ihn mit lautem Herz 
klopfen! Mit welcher Sehnsucht durchschwärmte ich 
den Raum zwischen dem ZoptFn berge.und der 
hohen Eule, und hing. mein Auge träumend an ein 
lichtes Wölkchen, das, roscngefäumt, gerade über 
der geliebten Gegend schwebte. — Die Sonne sank 
früh hinter einen Purpur-Schleier; cs verdichteten 
sich die Düfte der Ebenen und Fernen, und ich sah 
den Zoptcnberg zum letztenmale, nachdem auch 
bas Wölkchen sich in den Abend des östlichen Hori 
zonts getaucht hatte. Viele Minuten lang sank die 
Sonne sichtbar hinter dem Nebel-Meer, bald glü 
hend, bald stammend. Das Abcndroth floh aus den 
Thälern, von einer Höhe zur andern. O es war 
mir wunderbar wohl und weh, als das stille Dun 
kel sich über die ganze Gegend gelagert hatte, allen 
fernen Geliebten die schöne Abendröcht schon erloschen 
war, und ich allein noch, in einsamer Feier, dem 
letzten glühenden Sonnen-Blicke nachsah! Ich fühlte- 
mich überglücklich in meinem Gemüth,, und so war 
dieser letzte Blick, mir, Seegeus-Verheißung von und 
für jeden Geliebten. Scegnet nicht in der Natur 
alles das glückliche Gemüth! — Das Leblose, wie 
das Lebendige, der Vogel mit dem Gesang, der 
Baum mit dem Gesausel, der Fels mit der schatti 
gen Kühle,, das Wasser mit der Hellen, plätschernden 
Woge, der Hinimel mit Wolken und Sternen; al 
les giebt, deutet und weckt dem fröhlich-reinen Ge 
müth den himmlischen Gruß der Liebe! — Zn 
nächtlicher Dämmerung erst ging ich nach der Ham- 
pelS-Baude zum Nachtlager hinab. 
Dienstag, de» saften. 
Die erste Morgenröthe fand mich unter 
dem größten Felsen, auf der Höhe hinter Hampels- 
Baude. Die Erde erwachte heiter wie eine Ge 
liebte. — Die Koppe erglühte dem Morgen zuerst, 
später zerstreueten sich den wannen Strahlen die 
Nebel im Schmiedeberger Thal! Der Morgen 
wehte, lau und linde, einige Wölkchen, wie Träume, 
vor sich her, und spielte mit den weißlichen Nebeln, 
die malerisch um die gcrötheten Gipfel der Felsen 
schwammen. Wie Liebes-Eilande sahen bald diese, 
bald ;ene Gedürge, über die Nebel-Seeen hinaus, 
die Sonne mit Verlangen grüßend. 
Mit vier jungen Leipzigern bereitete ich mich 
zu einer großen Tagereise über den ganzen Riesen- 
kämm. — Wir gingen, oberhalb der beiden Tei 
che, den Dreystein und Einstein vorbei, und 
mußten uns fast immer durch das widerspenstige 
Knieeholz durchdrängen, was, wegen der darun 
ter verborgenen Felsstücke, höchst beschwerlich, ja 
selbst gefährlich ist. Das Knieeholz kriecht mit sei 
nem Gezweige immer auf der Erde hin, und wird 
so dick, wie zwei tüchtige Manns-Arme zusammen 
genommen; seine Nadeln gleichen denen des Lerchen- 
daums, nur sind sie stärker und rauher. Es ver 
strickt sich mit seinen Aesten so häufig, und ist dabei 
so elastisch, daß man nur mit der größten Anstren 
gung hindurchdringt. — Wir erkletterten noch den 
Wirtrag stein und die kleine Sturmhaube, 
ehe wir zur Krausenbaude und zur ersehnten 
Mittagsruhe kamen. — Dieser Weg über den Rie 
fenkamm ist höchst ermüdend, weil man beständig 
von Felsen auf Felsen- Trümmern klettern und sprin 
gen muß. Die Sonnenhitze war zwar drückend, 
aber sie weckte uns auch den vollen Duft des Vei l- 
chcnsteins, der hier die Felsen mit Purpur-Blü 
the bedeckt, und in der Hitze den süßesten Veilchen- 
Duft haucht. — Nachmittags bestiegen wir die 
große Sturmhaube, und das große Rad, 
und hatten auf diesem ganzen Wege auf dem Kam 
me hin zur Rechten immer die heiteren Ebenen 
NiedcrlchlesienS, zur Linken Böhmens große Ge- 
burgs-Massen. O quam juvat ire jugis, quam 
juvat juga superareL 
Um vier Uhr kamen wir an die großen 
Sch nee gruben, die alles übertteffen, was ich 
bis jetzt von grausig wilder Nacur gesehen. Zn ei 
nem ungeheuern Halbzirkel bilden sechs schroff vor 
tretende , über tausend Fuß hinabgehende, Felsen- 
Wände , vielfach gezackt und verwittert, sieben 
schreckliche Schlüssen, worin sich der Schnee zu 
migeheuern Massen aufsammelt.. Zeder Ton der 
Stimme, oder eines herabrollenden Felsstücks, tönt 
hier vielleicht wieder stärker und schwächer, je nach 
dem ihn der Luftstrom an die Felsenwände treibt. 
Die Beleuchtung war. unübertrefflich. Die Sonne
	        
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