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Volume No. 23, Sonnabend, den 21. März 1807

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue5.1807 (Public Domain)

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No- 23. 
1807. 
D e r Freimüthige 
für alle Stände. 
Sonnabend, den 21. März. 
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v r-r. r-n rx.r-n nr.rx. rui rj'.runr^ jnun.r-_rv rj\ 
Wie kann man am besten Gutes durch Wohl- 
thaten bewürken. 
Ein Wort zu seiner Feit. 
Wer kcnnt nicht die unglückliche Lage so vieler Far 
Milien, die durch den jetzige» Krieg, fast alles verloren, 
und nur ihr Lebe» gerettet haben. Zch glaube daß es 
die Ehre eines jeden öffentlichen Blattes das jetzt existirt, 
verlangt, Bitten für diese Unglücklichen an edle Men 
schenfreunde , denen die Bedrückungen des Krieges nicht, 
oder doch weniger trafen, ergehen zu lasse». Die Ten 
denz dieses Blattes ist zwar nicht von der Art, daß es 
specieller und für einzelne Gegenden oder Individuen bit 
ten könnte, indessen glaubt man dennoch manchen Men 
schenfreund, der gern Hülse, der aber auch mit Nutzen 
Helsen will, einen Gefallen zu erzeigen, wen» man 
freimüthig seine Gedanken äußert, auf welche Weise 
vielleicht am meisten geholfen werden, und wie man ei 
gentlich wahreWohlthaten erzeugen könnte, wenn 
die Gedanken auch vielleicht von der gewöhnlichen Art etwas 
abwichen. Ein jeder kann ja prüfen, und das Beste be 
halten. Zch setze voraus, daß Zeder der Wohlthaten erzeigt, 
sie als würkiiche Wohlthaten erzeigen will, und nicht etwa 
des Danks halber, oder gar aus Prahlerey, dann wäre er 
ja ein Pharisäer. Zu solchen red« ich nicht, auch zu 
euch nicht, die ihr aus Hartherzigkeit nur dann spendet, 
wenn eure Ehre es verlangt. Zhr seid meine Freunde 
nicht, ihr seid selbst — keine Menschen. Wer unge 
rührt ein fühlendes Geschöpf neben sich leiden sieht, (gern 
wird ein anderer Schriftsteller e« erlauben, daß ich seine 
Worte gebrauche, da es zu guten Absichten geschieht) 
«licht die Hand ausstreckt, ihm zu helfen, nicht den 
Mund öffnet es mit Trost zu erquicken, wer Thränen 
fortquellen läßt, die er hemmen, bi« er abtrocknen, deren 
Quell er versiegen machen könnte, wer sein Ohr nicht 
den Klagen des Duldenden willig leihet, nicht seinen Bu 
sen ihn willig öffnet, was dieser Mann mir jemals seyn 
mag, Mitbürger, Bruder, Sohn, Schutzhrrr, Kö 
nig sogar, gern will ich ihm alles seyn , sein Rathgeber, 
sein Tröster, sein Wohlthäter, sein Retter, — nur 
nicht sein Freund! Tief unten steht er auf der 
lczten Stufe der Menschheit, unnütz und verächtlich; 
verworfen von Gott, dem er nicht nachahmt, verworfen 
von den Menschen, deren Bruder er nicht ist. Weg 
hiervon, ich schreibe nicht, um solche Geschöpfe zu rüh 
men, nein bloß meine Gedanken zu sage», wie ein jeder 
die Wohlthaten, die er thun will, am Besten thun kann. 
Ein weiser Mann kann mit einem jährlichen Aufwand« 
von hundert Reichsthalern unglaublich viel Gutes stiften; 
er muß eS aber nicht an die Armencasse geben, noch cs 
nach der gewöhnlichen Art der Armencasse« vertheilen, 
d. h. so daß der Gute und Schlechte, der Fleißige und 
Faule gleich viel erhält, jeder etwas und im Ganzen 
Nichts. Dies ist leider jezt besonders der Fall, wo so 
viele milde Beyträge zur Unterstützung der Unglücklichen, 
die im Kriege sehr gelitten haben, zwar einlausen, dem- 
ungeachtet aber wenig damit bewürkt wird. Dies fließt 
bloß aus Obigen her. Mit dem Gelde, wo man zwan 
zig fleißige Familien ausrichten könnte, mit eben diese» 
Gelbe beschenkt man zwanzig fleißige und achtzig unwür 
dige Familien, beyden hilft dies Geschenk nichts, für die 
Erster« ist es zu wenig, für die Lehrern zu viel, um un 
nütz angewandt zu werden. Zhr, die ihr wirklich wohl 
thun wollt, befolgt daher meinen Rath. Laßt euch die 
Mühe nicht verdrießen, selbji zu sehen, wo euer Geld 
bleibt, und vorher sucht euch erst solche Leute aus, von 
denen ihr überzeugt seyd, daß sie eure Unterstützung ver 
dienen. Mit den elenden Aufwand von hundert Thaler« 
könnet ihr vier bis fünf arbeitsame Familien auf immer 
den Mangel entreißen, und baS ist unstreitig verdienstli 
cher als wenn man eben so viel unter die herumkrottrnde» 
arbeikscheuenden Horde» vertheilt. Die achte Wohlthä 
tigkeit, ist nach meinen Begriffen die, die dem Hülftbe- 
dürftigen behülfiich ist, in einen Stand zu komme«, 
wo er der Hülfe entbehren kann. Meine Freunde, die 
ihr dem Schauplatz des Elends nahe seid, thut dieses
	        
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