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Volume No. 2, Mittwoch, den 7. Januar 1807

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue5.1807 (Public Domain)

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ba sie bloß ihren Lüsten und Begierden gehorche», da 
sie das, was ihnen wohlgefällt, unwiderstehlich an 
zieht und reizt, so eignen sie sich ohne Erröthen alles 
zu, was ihnen in den Weg kommt und was sie für 
sich von Ruhen halten. Im Menschen liegt ein Trieb, 
das, was er für sich für nützlich ansieht, sich zuzueignen, 
weil er dadurch mehr Stärke und Macht erlangt; und 
jeder sühlr dunkel, daß, so bald er etwas erblickt, was 
ihm gefällt, durch den Besitz desselben sein Einfluß 
und seine Macht zunimmt. Der Hang zum Zueignen 
derAußendinge ist also natürlich, und er geht in den 
Hang zum Stehlen über, sobald der Mensch mit seines 
Gleichen zusammen lebt, und er diesen das zu entzie 
hen sucht, was ihr Eigenthum ist. Richt Verdorben 
heit, .nicht Bosheit erzeugt den Hang zum Stehlen, 
sondern er ist natürlich, und seiner zügellosen Brfrie, 
diguiig kann nur dadurch Einhalt gethan werden, daß 
der Mensch aufgeklärt wird und daß er der Vernunft 
die Herrjchaft über die Sinnlichkeit erkämpft. 
Napoleon der Große. 
Es giebt Menschen, die di« unbegreiflichsten Er 
scheinungen in der Weltgeschichte sind, und die sich eben 
so sehr durch ihre hervorragenden Talente, als durch 
ihre erstaunenswürdigeii Thaten vor Andern auszeich 
nen. Mit Macht greifen sie in die Ereignisse der 
Zeit rin, und geben ihnen eine ganz andere Richtung, 
als man vorhero von denselben erwartete und als ihr 
Anschein lehrte. Unter diese höher» Wesen der Men 
schen gehört Napoleon, der zu einer Größe empor 
gestiegen ist, wo man vorher noch nie einen Sterb 
lichen erblickte. Seine Talente beherrschen selbst die 
wandelbaren Launen des Glücks, das bisher noch kei 
nem Sterblichen stets treu blieb; ihm aber scheint 
dasselbe stets unbedingt zu gehorchen. Wir staunen 
dies Phänomen an. Wie geht es aber zu, daß das 
Glück nichte anders will, als was er gebietet? 
Durch Scharfsinn, Thätigkeit und Schnelligkeit 
lenkt er alles, was er durch eine kühne Combination 
entwirft, nach feinem Willen. Nirgends verläßt er 
sich auf den Zufall, sondern allenthalben greift er 
durch feinen umfassenden Verstand und seine Kühnheit 
ein und zwingt die Begebenheiten, die Gestalt anzuneh 
men, die ihm beliebt. Wie alle große Männer besizt 
er einen eigenthümlichen Takt, immer das heraus 
zu finden, was gerade jezt zum Ziele führt. Er 
kennt die Menschen und sein Zeitalter; er weiß, daß 
man jene eben so sehr durch Erstaunen lenken muß, 
als man dieses durch kräftige Proklamationen gewinnt. 
Er weiß eben ft sehr den Verstand als den Thrgeitz 
Anderer zu benutzen; daher hat er um sich Männer 
versammelt, welche brav, unermüdlich und unterneh 
mend sind,und die sich eben ft sehr durch ihre Einsich 
ten als durch ihre Tapferkeit auszeichnen. Er scheuet 
keine Mühseligkeiten und keine Gefahren: und wer 
zaudert, sich in den Tod zu stürzen, wenn der kühne 
und einsichtsvolle Anführer sich selbst allem unterzieht, 
was zu einem glücklichen Ausgang führt? Wie Na 
poleon hat vielleicht noch niemand vor ihm so große 
Massen zu einem Ziele zu begeistern und zu führen 
geivußt. Da er Allee in Allem selbst ist, da er allent 
halben wirkt, und da seine Vorsicht und seine Thätig 
keit gleich groß sind, so vertrauet sich ihm jeder willig 
an. Er siegte stets und dies giebt feinen Heeren ein 
Vertrauen, das den Sieg unter fein« Fahnen bannt; 
er wußte stets die zweckmäßigsten Mittel selbst in den 
mißlichsten Lagen zu ergreifen, und daher hegt niemand 
den geringsten Zweifel, daß er dies auch wieder unter 
diesen oder jenen Umständen thut. Er ist die Seele, 
dar belebende Princip seiner Armee, die, wie die 
künstlichste, aber verständigsreMaschine, seine umfassen 
den kühnen Plane ausführt. 
Napoleon ist nicht bloß ein kühner, tapferer 
und glücklicher Krieger, sondern auch ein weiser Gesetz 
geber. Wer sein Volk durch gerechte Gesetze beglückt, 
der ist ein Wohlthäter des Menschengeschlechts. Dies 
thut Napoleon. In Frankreich hat er ein bürger 
liches Gesetzbuch eingeführt, das den Vorzug vor allen 
bisher bekannten bürgerlichen Gesetzbüchern verdient. 
Das peinliche Gesetzbuch, dessen Gesetze einen so gro 
ßen Einfluß auf das Wohl und Wehe der Menschen 
haben, wird diesem in kurzem folgen, und alsdann 
muß Frankreich, gerechten Gesetzen gehorchend und 
in Friedem mit der ganzen Erde lebend, da« blühend 
ste Land werden. Durch gerechte Gesetze gewinnt der 
Gesetzgeber so wohl die Gemüther der Menschen, und 
macht sie geneigt, in Allem bereitwillig zu gehorchen, 
als er auch die häßlichsten Leidenschaften, z. B. die 
Zanksucht, die Prozeßsucht, im Keime erstickt. Wie 
Napoleon Schnelligkeit im Kriege liebt, so fodert 
er auch, daß die Gesetze schnell vollzogen werden. Dies 
wirkt heilsam auf die Sitten und die Denkart des 
Volkes, ft bald man vorhero jede Sache reiflich unter 
sucht hat und die Gerechtigkeit dabei über alles achtet. 
Nach mehrern Jahren werden sich Vortheile daraus 
ergeben, welche für das Ganze höchst ersprießlich sind. 
Napoleon liebt die Wissenschaften; er be- 
sizt einen Scharfblick, der ihn in Stand sezt, 
sogleich das Wahre und Zweckmäßige und Brauchbare 
aufzufinden. Er scheint daher kein Freund von tiefsin 
nigen, aber haarfeinen Spekulationen zu seyn, allein 
aller Praris liegt eine .Theorie zum Grunde, und wenn 
diese richtig und durch ächre Spekulation ergründet ist, 
so ist die. Praxis desto sicherer und fester. Mil deck 
Teutschen, dir von Narur einen großen Hang zu
	        
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