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ba sie bloß ihren Lüsten und Begierden gehorche», da
sie das, was ihnen wohlgefällt, unwiderstehlich an
zieht und reizt, so eignen sie sich ohne Erröthen alles
zu, was ihnen in den Weg kommt und was sie für
sich von Ruhen halten. Im Menschen liegt ein Trieb,
das, was er für sich für nützlich ansieht, sich zuzueignen,
weil er dadurch mehr Stärke und Macht erlangt; und
jeder sühlr dunkel, daß, so bald er etwas erblickt, was
ihm gefällt, durch den Besitz desselben sein Einfluß
und seine Macht zunimmt. Der Hang zum Zueignen
derAußendinge ist also natürlich, und er geht in den
Hang zum Stehlen über, sobald der Mensch mit seines
Gleichen zusammen lebt, und er diesen das zu entzie
hen sucht, was ihr Eigenthum ist. Richt Verdorben
heit, .nicht Bosheit erzeugt den Hang zum Stehlen,
sondern er ist natürlich, und seiner zügellosen Brfrie,
diguiig kann nur dadurch Einhalt gethan werden, daß
der Mensch aufgeklärt wird und daß er der Vernunft
die Herrjchaft über die Sinnlichkeit erkämpft.
Napoleon der Große.
Es giebt Menschen, die di« unbegreiflichsten Er
scheinungen in der Weltgeschichte sind, und die sich eben
so sehr durch ihre hervorragenden Talente, als durch
ihre erstaunenswürdigeii Thaten vor Andern auszeich
nen. Mit Macht greifen sie in die Ereignisse der
Zeit rin, und geben ihnen eine ganz andere Richtung,
als man vorhero von denselben erwartete und als ihr
Anschein lehrte. Unter diese höher» Wesen der Men
schen gehört Napoleon, der zu einer Größe empor
gestiegen ist, wo man vorher noch nie einen Sterb
lichen erblickte. Seine Talente beherrschen selbst die
wandelbaren Launen des Glücks, das bisher noch kei
nem Sterblichen stets treu blieb; ihm aber scheint
dasselbe stets unbedingt zu gehorchen. Wir staunen
dies Phänomen an. Wie geht es aber zu, daß das
Glück nichte anders will, als was er gebietet?
Durch Scharfsinn, Thätigkeit und Schnelligkeit
lenkt er alles, was er durch eine kühne Combination
entwirft, nach feinem Willen. Nirgends verläßt er
sich auf den Zufall, sondern allenthalben greift er
durch feinen umfassenden Verstand und seine Kühnheit
ein und zwingt die Begebenheiten, die Gestalt anzuneh
men, die ihm beliebt. Wie alle große Männer besizt
er einen eigenthümlichen Takt, immer das heraus
zu finden, was gerade jezt zum Ziele führt. Er
kennt die Menschen und sein Zeitalter; er weiß, daß
man jene eben so sehr durch Erstaunen lenken muß,
als man dieses durch kräftige Proklamationen gewinnt.
Er weiß eben ft sehr den Verstand als den Thrgeitz
Anderer zu benutzen; daher hat er um sich Männer
versammelt, welche brav, unermüdlich und unterneh
mend sind,und die sich eben ft sehr durch ihre Einsich
ten als durch ihre Tapferkeit auszeichnen. Er scheuet
keine Mühseligkeiten und keine Gefahren: und wer
zaudert, sich in den Tod zu stürzen, wenn der kühne
und einsichtsvolle Anführer sich selbst allem unterzieht,
was zu einem glücklichen Ausgang führt? Wie Na
poleon hat vielleicht noch niemand vor ihm so große
Massen zu einem Ziele zu begeistern und zu führen
geivußt. Da er Allee in Allem selbst ist, da er allent
halben wirkt, und da seine Vorsicht und seine Thätig
keit gleich groß sind, so vertrauet sich ihm jeder willig
an. Er siegte stets und dies giebt feinen Heeren ein
Vertrauen, das den Sieg unter fein« Fahnen bannt;
er wußte stets die zweckmäßigsten Mittel selbst in den
mißlichsten Lagen zu ergreifen, und daher hegt niemand
den geringsten Zweifel, daß er dies auch wieder unter
diesen oder jenen Umständen thut. Er ist die Seele,
dar belebende Princip seiner Armee, die, wie die
künstlichste, aber verständigsreMaschine, seine umfassen
den kühnen Plane ausführt.
Napoleon ist nicht bloß ein kühner, tapferer
und glücklicher Krieger, sondern auch ein weiser Gesetz
geber. Wer sein Volk durch gerechte Gesetze beglückt,
der ist ein Wohlthäter des Menschengeschlechts. Dies
thut Napoleon. In Frankreich hat er ein bürger
liches Gesetzbuch eingeführt, das den Vorzug vor allen
bisher bekannten bürgerlichen Gesetzbüchern verdient.
Das peinliche Gesetzbuch, dessen Gesetze einen so gro
ßen Einfluß auf das Wohl und Wehe der Menschen
haben, wird diesem in kurzem folgen, und alsdann
muß Frankreich, gerechten Gesetzen gehorchend und
in Friedem mit der ganzen Erde lebend, da« blühend
ste Land werden. Durch gerechte Gesetze gewinnt der
Gesetzgeber so wohl die Gemüther der Menschen, und
macht sie geneigt, in Allem bereitwillig zu gehorchen,
als er auch die häßlichsten Leidenschaften, z. B. die
Zanksucht, die Prozeßsucht, im Keime erstickt. Wie
Napoleon Schnelligkeit im Kriege liebt, so fodert
er auch, daß die Gesetze schnell vollzogen werden. Dies
wirkt heilsam auf die Sitten und die Denkart des
Volkes, ft bald man vorhero jede Sache reiflich unter
sucht hat und die Gerechtigkeit dabei über alles achtet.
Nach mehrern Jahren werden sich Vortheile daraus
ergeben, welche für das Ganze höchst ersprießlich sind.
Napoleon liebt die Wissenschaften; er be-
sizt einen Scharfblick, der ihn in Stand sezt,
sogleich das Wahre und Zweckmäßige und Brauchbare
aufzufinden. Er scheint daher kein Freund von tiefsin
nigen, aber haarfeinen Spekulationen zu seyn, allein
aller Praris liegt eine .Theorie zum Grunde, und wenn
diese richtig und durch ächre Spekulation ergründet ist,
so ist die. Praxis desto sicherer und fester. Mil deck
Teutschen, dir von Narur einen großen Hang zu