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Dr. Luther sagte von den Hofleuten: Wenn die un-
nützen Leute alle sterben sollten, so müßten wir am Ende
unnütz werden, denn der Teufel muß unnütz Gesindel
haben!" — Wir würd« er über die Tausend« unserer
Schauspieler, über unsere Leidenschaftlichkeit für das Thea
ter, über das immer mehr um sich reissende Verderben
dieser unsere Kinder vergiftenden Possen de« TheSpi«*)
und feiner Zünger, und über die Sucht uuserer vom
Schlrgelschen Geschmack angesteckter, rege! - und ord-
nungSlvser, nichts Gründliche«, alles modern nur spie
lend, lernender Jüngling«: zu Theaterprinzen sich zu bil
den! eifern und schelten? — *
Doch Karl Langerhannß, der von Berlin,
Hamburg und Leipzig für einen der würdichsten Ober-
priester ThalienS geschaht wurde, der einer der We
nigen war, welche den Geist ihrer Rollen rein darzustel
len wissen; der dem Derständichen, dem Menschenkenner
allein gefallen wollte, den der Beifall und daS Pravo
der rohen und trunkenen Bacchanten auf dem Parterre,
das Klatschen und Kichern von der Gallert« herab belei
digte; der vielleicht der Einziche seiner Cvllegen war,
welcher Herausgerufen — werden für Erniedrichung
hielt und selbst in Berlin, wo er eins Mahls von Ham
burg au« zu Besuch war, und, ohne Gastrolle gegeben
zu haben, vom ganzen Publicum au« der Coulisse her
ausgerufen , zum Hofrarh in sechs Schüsseln ingrlaben
wurde, nicht hervortrat; der auf seiner theatralschen Lauf
bahn durch Wirthschaftlichkeit ein Vermögen von mehre
ren Tausend Thalern zurücklegte, wovon, nebst einer
jährlichen nicht unbeträchtlichen Pension, er nunmehr»
als Privatmann lebt und seine vier Kinder zu nützlichen
Menschen bilden läßt: dieser auf den größten Theatern
Teuischland« grau, vom Jünglingsalter an grau gewor
dene, und an Geist und Körper noch muntere Veteran
hat hier entscheidende Stimme. Und er sagte vor zwei
Zähren in einer zahlreichen Gesellschaft, an meiner
Seite:
„DaS Schauspielerwesen ist bei Fackelschein ein glän-
„zender Traum, bei Hellem Sonnenschein ein erbärm-
„lichcS, den Menschen entwürdichende«, den Mann
„beschimpfendes Seyn. Zch habe den Menschen lan,
„ge genug Spas gemacht, nun mögen Menschen mir
„Spas machen, ich will ihnen lächelnd zusehen; doch
•) der Verfertiger de« ersten Drama in Griechenland.
„in einem Schauspielhaus« suche ich dergleichen nicht:
„ich sehe nie wieder ein Theater!" —
Aphorismen.
Die Kunst, — sich einander in der Ferne feine
Empfindungen mittheilen, scheint auch jetzt wie alle«
Denken, Wissen, und Fühlen einen höhern Schwung
zu nehmen. Bisher konnte jene Kunst nur das Brief«
und Schriftstellern, die Telegraphen, — allenfalls auch
die Glocke» und Kanonen, wenn etwas sehr beweglich,
oder sehr derb gesagt werden sollte. Aber neuerlich hat
man auch d» mit einander verabredeten Töne einer Or
gel oder Geige in das Znteresse jener MittheilungSkunst
gezogen. Sv hatten einige sentimentale'Seelen, wahr«
schrinlich Mädchen und Frauen, oder Andächtler aus der
Brüdergemeinde, mit einem andern empfindrinden, aber
weit entfernten Freunde verabredet, daß sie und er am
§harfreitage ln gewissen Augenblicken auf gewiss«
Töne horchen, und sich einander auf diese Art geistiger
weise vergegenwärtigen wollten. Dieß hätten nun die
guten Leut« kraft ihres Seelenbundes immerhin thun
mögen, eliaouii a son gout, — aber daß man sich
hierüber in einem öffentlichen Blatt«, sogar in einer Zei
tung, «) Nachricht gab, fiel doch ein wenig ins Lächer
liche. Außerdem ist jene Hebammenkunst der Gedanr
kenminheilung nicht so ganz neu. Sogar leblose Ding«
kann die Empfindelei zu Anet Corrrspondenzscheibe machen,
wie jene Köchinn, welche es mit ihrem entfernten Ge
liebte» verabredet hatte, daß sie sich nach dem Monde
hin einander Küssk zuwerfen wollten. DaS Ding war so
übel nicht auSgedacht, und kann von einer empfindsamen
Dichterinn noch einmahl recht schön benutzt werden. —
Die Verliebten und Andächtler, welche sich einander
nahe genug seyn können, und überall Annäherung«:
punkte suchen, scheinen noch nicht alle gegenseitige Erinr
nrrungsmittel an einander aufgefunden zu haben. Man
könnte ihnen hierzu gar füglich da« Hahnengeschrey
de« Morgens, oder auch, wenn die Sache nicht so eilig
ist, dir Sonnen, und Mondfinsternisse im
Calender vorschlagen, weil da der Eintritt des Schat
ten» bi« auf Minuten und Secunden berechnet ist, und
sich hiernach die Erneuerung eines Liebe-bunde« auf elneo
Moment ohne alle Mißgriffe »inrichteiz läßt.
») in No. 54 der Hamburg. Evrrcfpondcntcn igor.