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Volume No. 59, 1807

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue5.1807 (Public Domain)

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Dr. Luther sagte von den Hofleuten: Wenn die un- 
nützen Leute alle sterben sollten, so müßten wir am Ende 
unnütz werden, denn der Teufel muß unnütz Gesindel 
haben!" — Wir würd« er über die Tausend« unserer 
Schauspieler, über unsere Leidenschaftlichkeit für das Thea 
ter, über das immer mehr um sich reissende Verderben 
dieser unsere Kinder vergiftenden Possen de« TheSpi«*) 
und feiner Zünger, und über die Sucht uuserer vom 
Schlrgelschen Geschmack angesteckter, rege! - und ord- 
nungSlvser, nichts Gründliche«, alles modern nur spie 
lend, lernender Jüngling«: zu Theaterprinzen sich zu bil 
den! eifern und schelten? — * 
Doch Karl Langerhannß, der von Berlin, 
Hamburg und Leipzig für einen der würdichsten Ober- 
priester ThalienS geschaht wurde, der einer der We 
nigen war, welche den Geist ihrer Rollen rein darzustel 
len wissen; der dem Derständichen, dem Menschenkenner 
allein gefallen wollte, den der Beifall und daS Pravo 
der rohen und trunkenen Bacchanten auf dem Parterre, 
das Klatschen und Kichern von der Gallert« herab belei 
digte; der vielleicht der Einziche seiner Cvllegen war, 
welcher Herausgerufen — werden für Erniedrichung 
hielt und selbst in Berlin, wo er eins Mahls von Ham 
burg au« zu Besuch war, und, ohne Gastrolle gegeben 
zu haben, vom ganzen Publicum au« der Coulisse her 
ausgerufen , zum Hofrarh in sechs Schüsseln ingrlaben 
wurde, nicht hervortrat; der auf seiner theatralschen Lauf 
bahn durch Wirthschaftlichkeit ein Vermögen von mehre 
ren Tausend Thalern zurücklegte, wovon, nebst einer 
jährlichen nicht unbeträchtlichen Pension, er nunmehr» 
als Privatmann lebt und seine vier Kinder zu nützlichen 
Menschen bilden läßt: dieser auf den größten Theatern 
Teuischland« grau, vom Jünglingsalter an grau gewor 
dene, und an Geist und Körper noch muntere Veteran 
hat hier entscheidende Stimme. Und er sagte vor zwei 
Zähren in einer zahlreichen Gesellschaft, an meiner 
Seite: 
„DaS Schauspielerwesen ist bei Fackelschein ein glän- 
„zender Traum, bei Hellem Sonnenschein ein erbärm- 
„lichcS, den Menschen entwürdichende«, den Mann 
„beschimpfendes Seyn. Zch habe den Menschen lan, 
„ge genug Spas gemacht, nun mögen Menschen mir 
„Spas machen, ich will ihnen lächelnd zusehen; doch 
•) der Verfertiger de« ersten Drama in Griechenland. 
„in einem Schauspielhaus« suche ich dergleichen nicht: 
„ich sehe nie wieder ein Theater!" — 
Aphorismen. 
Die Kunst, — sich einander in der Ferne feine 
Empfindungen mittheilen, scheint auch jetzt wie alle« 
Denken, Wissen, und Fühlen einen höhern Schwung 
zu nehmen. Bisher konnte jene Kunst nur das Brief« 
und Schriftstellern, die Telegraphen, — allenfalls auch 
die Glocke» und Kanonen, wenn etwas sehr beweglich, 
oder sehr derb gesagt werden sollte. Aber neuerlich hat 
man auch d» mit einander verabredeten Töne einer Or 
gel oder Geige in das Znteresse jener MittheilungSkunst 
gezogen. Sv hatten einige sentimentale'Seelen, wahr« 
schrinlich Mädchen und Frauen, oder Andächtler aus der 
Brüdergemeinde, mit einem andern empfindrinden, aber 
weit entfernten Freunde verabredet, daß sie und er am 
§harfreitage ln gewissen Augenblicken auf gewiss« 
Töne horchen, und sich einander auf diese Art geistiger 
weise vergegenwärtigen wollten. Dieß hätten nun die 
guten Leut« kraft ihres Seelenbundes immerhin thun 
mögen, eliaouii a son gout, — aber daß man sich 
hierüber in einem öffentlichen Blatt«, sogar in einer Zei 
tung, «) Nachricht gab, fiel doch ein wenig ins Lächer 
liche. Außerdem ist jene Hebammenkunst der Gedanr 
kenminheilung nicht so ganz neu. Sogar leblose Ding« 
kann die Empfindelei zu Anet Corrrspondenzscheibe machen, 
wie jene Köchinn, welche es mit ihrem entfernten Ge 
liebte» verabredet hatte, daß sie sich nach dem Monde 
hin einander Küssk zuwerfen wollten. DaS Ding war so 
übel nicht auSgedacht, und kann von einer empfindsamen 
Dichterinn noch einmahl recht schön benutzt werden. — 
Die Verliebten und Andächtler, welche sich einander 
nahe genug seyn können, und überall Annäherung«: 
punkte suchen, scheinen noch nicht alle gegenseitige Erinr 
nrrungsmittel an einander aufgefunden zu haben. Man 
könnte ihnen hierzu gar füglich da« Hahnengeschrey 
de« Morgens, oder auch, wenn die Sache nicht so eilig 
ist, dir Sonnen, und Mondfinsternisse im 
Calender vorschlagen, weil da der Eintritt des Schat 
ten» bi« auf Minuten und Secunden berechnet ist, und 
sich hiernach die Erneuerung eines Liebe-bunde« auf elneo 
Moment ohne alle Mißgriffe »inrichteiz läßt. 
») in No. 54 der Hamburg. Evrrcfpondcntcn igor.
	        
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