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Volume No. 49, 1807

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue5.1807 (Public Domain)

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D e r Freimüthige 
für alle Stände. 
Reise durch Anhalt Dessau, 
Freund, hier, schon bei flüchtiger Aufmerksamkeit, 
wirst Du Dich überzeugen, daß auch ein kleines Land 
durch seinen Fürsten glücklich seyn könne. 
Die Meinung mehrerer großer Staatslehrcr: Daß 
die Regierungen machtloser, daher abhängiger Fürsten 
mangelhaft und kleinlich oder despotisch sey, hat allerdings 
vieles für sich. Die Erziehung und Ausbildung eines 
Prinzen zum Fürsten ist gewiß das wichtigste Unterneh 
men für den Mann, welcher die Menschen - Natur kennt, 
Gefühl hat für das Wohl des Landes, und die Gefahr, 
selbst das oft nicht zu hindernde Elend voraussieht, worin 
der träge, der thierisch, oder gar leidenschaftlichlebende 
Regent sein Volk stürht. Und obgleich manchem Erb 
prinzen , noch in den Zähren des Mannes, sein Oberhof- 
meister zur Seite ging: sein fürstliches, oft von Hof- 
sehrancen und Schmeichlern vergiftetes Blut blieb den 
noch bis ins Greisenalter nur warm für sinnliche Vergnü 
gungen; Pferde regieren, Zagden verordnen, Auflagen 
an die thätigen Gewerbtreibenden Volkekasten befehlen 
und den Vorzug seiner Geburt durch Grausamkeit gegen 
Hunde, Pferde, Hirsche und Diener, durch Verschwen 
dung der blutigen Opfer seiner zum Theil am Hunger- 
tucde nagenden Unterthanen, durch glänzende, undurch- 
dringbare Umgebungen, durch Fühllistgkeit und Verach 
tung, durch Ungerechtigkeit und Raub gegen Menschen 
von niederm Stande geltend, bemerkbar machen: nur 
diese Früchte sahen wir von der Erziehung und Ausbil 
dung so manchen Fürstensohns. Es ist denkbar, daß nicht 
jeder Bildner und Hofmeister Saamen zu diesen Unglück, 
Verderben undZammer durchs Land verbreitenden Früch 
ten in das Herz des Prinzen legte. Allem nur selten 
wurde der geschckteste, der beste Mensch zum Bildner 
des Fürstensohns gewählt; und Menschenkenntniß lehret 
und die Geschichte bestätiget die Wahrheit, daß der Kopf 
und das Herz des unwürdigen, so wie des würdigsten 
Fürsten, nach dem Gehirn und den Pulzschlägen der ihn 
umgebenden Menschen sich bildere. Zst nun ein unwür 
diger Fürst sechrr Regent, oder führt er das Saarsruder 
seines kleinen Landes durch die Hände seiner Schranzen, 
oder unwissender habsüchtiger Menschen — und, gewiß >. 
nur selten wird der Fürst, selbst der Edelste eines klei 
nen Landes, Männer gut von Kopf und Herzen an fein 
Staalsrudcr finden — so waren und sind, nach den 
sonst und jetzt noch geltenden Grundsätzen und Verfassun 
gen teutscher Länder, die Znwohncr dieses Staats un 
glücklicher als die Bewohner eines Reichs. In großen 
Ländern fand man doch noch immer etliche weise und bie 
dere Männer am Ruder des Staats, und die hier, ob 
gleich selten hörbare, doch immer zu fürchtende Stimme 
des Gelehrten gellt stets vor den Obren politischer Vice- 
despoten und Staatsfiguranten. Hier kann zwar dem 
Gemißhandelten nicht einfallen, im Auslande, bei einer 
höhern Macht, Hilfe oder Ehrenrettung zu erhohlen, 
was. wohl der beleidigte Staalsdiener, der Mann von 
Würde und jeder Unterthan des kleinern Fürsten wagen 
darf, allein selten nur wird der Letztere erlangen, was er 
erwartet, selbst dann seinen Zustand nicht verbessert sehen. 
Und da jedes Amt in einem weiten und volkreichen Staate 
einen bedeurendern Werth hat, der Rarh eines mit Ma 
jestätsrechten begabten Fürsten in ganz Europa gilt, und 
sein Minister fürstliche Würde trägt: um so behutsamer 
muß dieser Staaarsdiener sein Brot und seine äußere 
Ehre vestzuhaltrn suchen. 
Der Herzog von Anhalt Dessau ist ein-teutscher, 
gerader, biederer Mann, ohne alle Anmaßung, ohne 
allen Prunk. Er ist vielleicht der rechtschaffenste, bcst- 
gesinnte und thätigste Mann in seinem Lande. Alle seine 
Unterthanen froh und sein Land zu einem Tempe zu ma 
chen: das sind seit dreißig Zähren seine Wünsche, seine 
fürstliche Passionen. Selbst da, wo man nur den Für 
sten erblickt, muß der Men'ch von Gefühl ihm danken. 
Erreichet Dein Auge den Dessauer Boden: Du 
springst dann aus vaterländschen Morästen, aus Dörfern 
voll qrönländschcr Hütten, von hungrigen, schmutzigen, 
grämlichen Sklaven bewohnt. Dein freudiges Ah!! 
entlastet die Brust, gepreßt vom Ach! deiner Vaterlands 
brüder. — Hie^ si hest Du Dich übe all in einem Gar 
ten , Dein Auge verliert sich Stundenweit und ruhet auf
	        
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