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Volume No. 28, Mittwoch, den 8. April 1807

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue5.1807 (Public Domain)

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keucht«» UNS «ntgegen und nicht ohne herzliches Brdanren 
sah ich sie vorüberschleichen. 
(Die Fortsetzung folgt.) 
Die Conversationssäle. 
Man har den Allgemeinen Anzeiger und andere 
ähnliche Zournale verschiedentlich mit Conversatisns > 0«; 
len verglichen, welche für das ganze Publikum zur Be 
lehrung und Unterhaltung geöfnet seyen. Dir Verglei 
chung ist so ziemlich treffend, nur muß man sich unter 
diesen Talen nicht solche vorstellen, die grade so ein 
gerichtet seyen, als unsere gewöhnlichen GesellschaftSzim, 
mer, in Klubs, Resourcen, Cassino'S und Harmonien. 
Zn lezteren reden, wenn sie wollen, alle Mit 
glieder, und zwar auch, wenn sie wollen, alle auf ein 
mal zugleich. Tie theilen sich in Trupp«; zehen, zwan 
zig fragen auf einmal, zehen, zwanzig antworten auf 
einmal, der eine Trupp behandelt nach Gefallen einen 
lächerlichen Gegenstand, wahrend der andere sehr ernst 
haft diseurirr. Da wird von vielen auf einmal gelacht, 
und discurirk und gegähnt, und jeder weiß nur «m Ende 
ungefähr, waö er selbst gesprochen hat und sein nächster 
Nachbar. 
Ganz anders sind die Conversationssäle der Zour« 
nal« eingerichtet. Da giebt es zweyerley ganz verschie 
dene Mitglieder; Stumme und Redende. 
Die stu»im« Classe, welche bloß zuhöret, und 
sich mit dem unterhält, was andere gesagt haben, sind 
die Leser. Ein Zeder, wer Lust hat und Zahlung lei 
stet, kann stummes Mitglied werden. Zahlung ist 
bei dieser Classe da« einzige Gesetz.' Es bedarf auch kei 
nes weiteren. 
Für die Redenden sind aber, wenn die Insti 
tute bestehen sollen, Gesetze nöthig, theils um ihrer selbst 
willen, damit sie wissen, von welchen Materien sie re 
den oder nicht reden sollen, und theils auch, um 
mit ausgewählten Vorträgen die S t u in m r n bei guter 
Laune zu erhalten. 
Die Redner sind eigentlich die UnterhaltungS- 
lieferanten. ES ist eine Tribüne für sie im Saale 
errichtet, welche, wie es bei Rednerstühlen Sitte ist, 
Einer nach dem Andern besteigt; nicht mehrere 
auf einmal. 
Die Herren Redacteurs sind, damit alles in 
der Ordnung zugehe, die Aufseher bei der Bühne. 
Sie haben billigerweis, zu bestimmen, wer und in wel 
cher Ordnung ein jeder dieselbe l steigen solle. Sie kön- 
neu davon ausschließen, wen sie wollen. Hierbei dün 
fen sie aber nun freilich nicht nach blinder Willkühr ver 
fahren, das Schlechte vor dem Guten, daS Unwichtige 
vor dem Interessanten geben, oder zurückweisen, waS 
nicht etwa mit ihren Privaklieblingemcimiugen im Accerd 
steht, wenn sie nicht die stummen Mitglieder 
durch Langeweile verjagen, und einen Theil der Reden 
den (vielleicht den besten) fv vrrdrüßlich machen wollen, 
daß er künftig wegbleibt. 
Gewöhnlich machen die Herrn Aufseher für 
die Redner und für sich selbst Gesetze, die am Eingang« 
zu Jedermanns Wissenschaft angeschlagen stehen. ES 
wird darin bestimmt, wovon geredet und nicht geredet 
werden solle. Wer also wider daS Gesetz eine Waare 
von der lezte» Art zu Markte bringen will, der hat cS 
sich selbst zuzuschreiben, wenn er abgewiesen wird. Ge 
wöhnlich heißt es ferner: Sittenlose Reden und Schmäh- 
reden werden nicht angenommen — und dann wird end 
lich bestimmt, wer die Tribüne gratis besteigen könne, 
und wer etwas dafür bezahlen müsse. Von einer Gra 
tifikation für gemeinnützige Reden ist gemeiniglich altuist 
silentium, ungeachtet die Herrn Aufseher viel Geld 
damit gewinnen, oder es wird etwas nur so obitrr dar, 
über hingesagt, daß man wohl sieht, rS ist nicht ernst 
lich gemeint. 
Das möchte denn allenfalls noch hingehen, denn 
wer für andere Leute nicht umsonst Reden halten will, 
der schweigt still. Aber es sind noch «in paar andere 
Puncte übrig, die zuweilen vorkommen und eine kleine 
Rüge verdienen. 
Die Herrn Aufseher haben zwar daS Recht (vor, 
ausgesetzt, daß es mit Dachkenntniß und Billigkeit aus 
geübt wird) dem Einen den Rednerstuhl zu öfnen und 
ihn dem Andern zu verschließen; aber das Recht haben 
sie ganz und gar nicht, zugleich m i t auf die Tribüne 
zu steigen, und den Vortrag des Redners über seine 
Schultern hin entweder mit Deyfallgeben zu unterbrechen, 
oder über seine Schultern hin dem Publikum zuzurufen: 
„Hier verdient der Herr eine Correction." Gleichsam 
als ob Beyfall auf der Sanction und Tadel ans der Ver 
dammung der Herrn Aufseher beruhte!! 
Es war von den ehemaligen Römischen Vesta's 
oder von den heutigen Grosbrirtanischen Parlament an 
bis zur geringsten Dorskanzel herunter noch nirgends 
in der Welk Sitte, daß ein Cvrrectvr sich hinter den Red 
ner stellen, und ihn mit anmaßlichen Zurechtweisungen 
unterbrechen durfte. ES ist auch würklich eben so un 
schicklich oder noch weit unschicklicher als im geselligen Le-
	        
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