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keucht«» UNS «ntgegen und nicht ohne herzliches Brdanren
sah ich sie vorüberschleichen.
(Die Fortsetzung folgt.)
Die Conversationssäle.
Man har den Allgemeinen Anzeiger und andere
ähnliche Zournale verschiedentlich mit Conversatisns > 0«;
len verglichen, welche für das ganze Publikum zur Be
lehrung und Unterhaltung geöfnet seyen. Dir Verglei
chung ist so ziemlich treffend, nur muß man sich unter
diesen Talen nicht solche vorstellen, die grade so ein
gerichtet seyen, als unsere gewöhnlichen GesellschaftSzim,
mer, in Klubs, Resourcen, Cassino'S und Harmonien.
Zn lezteren reden, wenn sie wollen, alle Mit
glieder, und zwar auch, wenn sie wollen, alle auf ein
mal zugleich. Tie theilen sich in Trupp«; zehen, zwan
zig fragen auf einmal, zehen, zwanzig antworten auf
einmal, der eine Trupp behandelt nach Gefallen einen
lächerlichen Gegenstand, wahrend der andere sehr ernst
haft diseurirr. Da wird von vielen auf einmal gelacht,
und discurirk und gegähnt, und jeder weiß nur «m Ende
ungefähr, waö er selbst gesprochen hat und sein nächster
Nachbar.
Ganz anders sind die Conversationssäle der Zour«
nal« eingerichtet. Da giebt es zweyerley ganz verschie
dene Mitglieder; Stumme und Redende.
Die stu»im« Classe, welche bloß zuhöret, und
sich mit dem unterhält, was andere gesagt haben, sind
die Leser. Ein Zeder, wer Lust hat und Zahlung lei
stet, kann stummes Mitglied werden. Zahlung ist
bei dieser Classe da« einzige Gesetz.' Es bedarf auch kei
nes weiteren.
Für die Redenden sind aber, wenn die Insti
tute bestehen sollen, Gesetze nöthig, theils um ihrer selbst
willen, damit sie wissen, von welchen Materien sie re
den oder nicht reden sollen, und theils auch, um
mit ausgewählten Vorträgen die S t u in m r n bei guter
Laune zu erhalten.
Die Redner sind eigentlich die UnterhaltungS-
lieferanten. ES ist eine Tribüne für sie im Saale
errichtet, welche, wie es bei Rednerstühlen Sitte ist,
Einer nach dem Andern besteigt; nicht mehrere
auf einmal.
Die Herren Redacteurs sind, damit alles in
der Ordnung zugehe, die Aufseher bei der Bühne.
Sie haben billigerweis, zu bestimmen, wer und in wel
cher Ordnung ein jeder dieselbe l steigen solle. Sie kön-
neu davon ausschließen, wen sie wollen. Hierbei dün
fen sie aber nun freilich nicht nach blinder Willkühr ver
fahren, das Schlechte vor dem Guten, daS Unwichtige
vor dem Interessanten geben, oder zurückweisen, waS
nicht etwa mit ihren Privaklieblingemcimiugen im Accerd
steht, wenn sie nicht die stummen Mitglieder
durch Langeweile verjagen, und einen Theil der Reden
den (vielleicht den besten) fv vrrdrüßlich machen wollen,
daß er künftig wegbleibt.
Gewöhnlich machen die Herrn Aufseher für
die Redner und für sich selbst Gesetze, die am Eingang«
zu Jedermanns Wissenschaft angeschlagen stehen. ES
wird darin bestimmt, wovon geredet und nicht geredet
werden solle. Wer also wider daS Gesetz eine Waare
von der lezte» Art zu Markte bringen will, der hat cS
sich selbst zuzuschreiben, wenn er abgewiesen wird. Ge
wöhnlich heißt es ferner: Sittenlose Reden und Schmäh-
reden werden nicht angenommen — und dann wird end
lich bestimmt, wer die Tribüne gratis besteigen könne,
und wer etwas dafür bezahlen müsse. Von einer Gra
tifikation für gemeinnützige Reden ist gemeiniglich altuist
silentium, ungeachtet die Herrn Aufseher viel Geld
damit gewinnen, oder es wird etwas nur so obitrr dar,
über hingesagt, daß man wohl sieht, rS ist nicht ernst
lich gemeint.
Das möchte denn allenfalls noch hingehen, denn
wer für andere Leute nicht umsonst Reden halten will,
der schweigt still. Aber es sind noch «in paar andere
Puncte übrig, die zuweilen vorkommen und eine kleine
Rüge verdienen.
Die Herrn Aufseher haben zwar daS Recht (vor,
ausgesetzt, daß es mit Dachkenntniß und Billigkeit aus
geübt wird) dem Einen den Rednerstuhl zu öfnen und
ihn dem Andern zu verschließen; aber das Recht haben
sie ganz und gar nicht, zugleich m i t auf die Tribüne
zu steigen, und den Vortrag des Redners über seine
Schultern hin entweder mit Deyfallgeben zu unterbrechen,
oder über seine Schultern hin dem Publikum zuzurufen:
„Hier verdient der Herr eine Correction." Gleichsam
als ob Beyfall auf der Sanction und Tadel ans der Ver
dammung der Herrn Aufseher beruhte!!
Es war von den ehemaligen Römischen Vesta's
oder von den heutigen Grosbrirtanischen Parlament an
bis zur geringsten Dorskanzel herunter noch nirgends
in der Welk Sitte, daß ein Cvrrectvr sich hinter den Red
ner stellen, und ihn mit anmaßlichen Zurechtweisungen
unterbrechen durfte. ES ist auch würklich eben so un
schicklich oder noch weit unschicklicher als im geselligen Le-