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Donnerstag,
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Freimut
Nro. 21.
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dm zo. Januar.
Ernst und Scherz.
Literatur.
Taschenbuch auf das Jahr 1806, f&r edle Wei
ber und Mädchen, von Wilhelmine Müller,
geb. Maisch, mit Kupfern. Carlsruhe,tz.
C. F. Müller, und Leipzig bey F. G, Jako-
bäer.
in sehr angenehm unterhaltende« und lehrreiche«
Neujahrgeschenk. Dir seltene Täuschung, eine
wahre Anekdote au« den Zeiten der ersten französi
schen Invasion, steht mit Recht an der Spitze de«
Ganzen. Ich wenigsten« erinnere mich nicht, seit langer
Zeit so etwa«, in seiner Diktion Angenehme» und inHin-
sicht des Steffs,Unterhaltendes gelesen zu haben. Die
Bittschrift eine« Ehelustigen an da« schöne
Geschlecht, könnte wenigsten« Zweidrittheilen
der weiblichen Welt, zur Beherzigung empfohlen
werden. Aphorismen von Antoinette, ent
halten wahre und wichtige Gedanken. — Die poetischen
Beiträge haben außer der Herausgeberin selbst, und
einem alten, aber immer willkommenem Bekannten,
Haug, geliefert K—r, von welchem sich vorzüglich
der Sommerabend und Frühlingsfreuden
im Mai 1798 (in v. Kleist'« Manier) auszeichnen ;
Neufer, Eccard und Franz Schütt. Unter
den Beiträgen der Herausgeberin hat Rez. am mei
sten gefallen dar: Dem Andenken Schillers ge
weiht, an edle Frauen und Mädchen. Auch sind
wir in den ersten Jahrgängen Charaden und Räth
sel beigefügt. Dir drei ersten, sehr feinen Kupfer
sind von Wein rauch in Wien, nämlich: 1) Ve
nu« Urania auf ihrem Schwanenwagen von Grazien
umtanzt, welche aber nicht ganz graziöse Stellungen
haben; 2) Apoll und die Musen, und z) Hebe,
Vesta und Cere«, welch,« ohnstreitig da« Gelungen
ste ist. Di« übrigen sind von Thelstt: Unschuld,
die Braut und Mutterpflichten. Den mythologischen
ist «ine vortreffliche Erklärung zugegeben. Z rt.
Fragmente ans Briefen an eine
junge Schauspielerin.
t Schluß.)
5. — Eie verlangen zu wissen, meine liebe Freun
din, ob Sie in Schauspielen, die in Versen geschrie
ben sind, den Vers, oder gar den Reim, sollen hö
ren lassen oder nicht? — Ich weiß wohl, daß viel
darüber gestritten worden, und daß man ansehnliche
Autoritäten für die Meinung aufstellen kann: man
solle den Vers so viel möglich verbergen. Aber da«
kommt mir grade so vor, als ob man in einem schö
nen Gatten von Nötre lauter Nebenwege durch
die Hecken suchen wollte, um dem Spaziergänger die
Alleen zu verstecken. Meynen Sie denn, daß der
Dichter sich umsonst die Mühe gebe, schöne Jam
ben, oder gar Reime zu drechseln? — Freilich ist
hier nicht vom Dichter die Rede, sondern nur von
der Wirkung, die auf den Zuschauer hervorgebracht
werden soll. Wohlan, ich berufe mich auch da auf