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fühlen wir uns — ich möchte sagen — fremd: es
ist eine Welt in der wir nicht leben, die über uns
ist. Zn den Niederländischen Gemälden herrscht
hingegen etwas, das sich uns mehr nähert, wir
sind gleich mit ihnen vertrauter. Das Gefühl der
Erhabenheit fällt freilich bei den meisten ganz weg,
aber demungeachtet haben sie etwas, was uns an ih
nen gefällt: der ungemeine Fleiß, die Neuigkeit,
die Sauberkeit mit der sie ausgeführt find, erregen
ein so angenehmes Gefühl, daß man gern länger
bet ihrer Betrachtung verweilt- Freilich ist die
Wahl der Gegenstände nicht immer >o, dag sic den
Vorschriften der Dezenz ganz gemäß wäre, allein
selbst bet dieser Wahl ist doch immer so etwas Nai,
vcs, Komisches, daß man auf einige Augenblicke
wohl das Unschickliche übersieht. — Diese vorhin
erwähnte Nettigkeit, der aufgewandte Fleiß erstreckt
sich nicht astein auf sogenannte GcseUschaftestücke,
aus die das zuletzt Gesagte vorzüglich paßt, sondern
auch auf Fruchtstücke und sogenannte Srilleben,
die z. B- von einem Johann Bapliste Wec-
ninx mit Meisterhand ausgeführt sind. Hier ist
die Natur auf das täuschendste nachgeahmt, alle
die Sorgfalt die man an ihren Geschöpfen bemerkt,
ist treulich wiedergegeben, und die Gegenstände
sind mit einer solchen Klugheit gewählt und ver
bunden, daß das Ganze die lieblichste Zujanimen-
stcllung bildet.
So wie es bei Schriften zuweilen sehr ange
nehm ist, etwas Näheres von ihren Urhebern zu
wissen, so würde cs vielleicht anch inchr unange
nehm seyn, etwas Näheres von den Urhebern unje-
rer Niederländischen Darstellungen zu erfahren.
Hr. Prof. Fiorillo in seiner vortrefflichen Ge-
.schichte der Malerei ist noch nicht bis zur Nie
derländischen Schule vorgerückt, und ob ich mich
gleich in aller Rücksicht tief unter ihm fühle, jo
glaube ich doch einige kleine Notizen über die Le
bensläuse jener Künstler geben zu können, die noch
nicht allgemein bekannt sind. Ich fange zü dem
Ende mit einem Maler an, dessen Gemälde und
Ruf überall gleich verbreitet siud, nehjnlich mit
David Teniers.
David Teniers (der jüngere).
Er ist wohl zu unterscheiden von seinem Vater,
David Teniers. Der jüngere ward i6ro zu Ant-
• werpen geboren. Sein Vater unterrichtete ihn
selbst und nach diesem Adrian Brouwer. —
Er wurde von den vorzüglichsten Personen sei-
nrS Zeitalters geliebt und geschaht. Der Erzherzog
Leopold von Oestreich machte ihn zum Kammerjnn-
ker, schenkte ihm eine goldene Kette mit seinem Bild
nisse, und ernannte ihn zum Aufseher seiner Ge-
mäldeqallerie. Hier copirte Teniers anfangs, malte
dann aber nach eigenen Ideen, aber in der Drä
nier der Maler, deren Gemälde dort befindlich wa
ren. Diese Art von Gemälden, Franz, pastiones,
ital. pasticci, waren so täuschend, daß man sie
gar nicht von den Originalen unterscheiden konnte.
Der König von Spanien Philipp iV. ließ
eine eigene Gallerie für Teniers Gemälde bauen.
Christine von Schweden schenkte dem Künstler ihr
Bildnis, und der berühmte von Juan d’Austria,
der Besiegerder Türken bei Lepanto, ward sein Schü
ler und beständiger Freund. Nur Ludwig XIV.
konnte seine Arbeiten nicht leiden. — Er that
auch eine Reise nach England im Namen des Gra
fen Fonscldomi, * *•) ) um dort Gemälde berühmter
Italiänischer Meister zu sammeln. Er kehrte mit
einer großen Menge derselben zurück, und empfing
dafür vom Grafen eine ansehnliche Belohnung.
Rubens selbst schätzte seine Gemälde hoch und gab
ihm zuweilen guten Rarh, zumal da er der Lehrer
seines Vaters gewesen war.
Zuletzt zog sich Teniers in das Dorf Perch
zurück zwilchen Antwerpen und Mechcln. Hier
stuüirte er die Vergnügungen der Landleute, ihre
Kirmjen u. j. w. und beobachtete sie in allen ihren
Lustbarkeiten und im Laufe ihres häuslichen Lebens.
Aber auch in seiner Ab -ezogenheit besuchten ihn
seine fürstlichen Freunde, Don Juan und andere,
und verlebten lange Zeit in seiner Nahe. Er
starb zu Brüssel am sgsten April,1690; go Jahr
alt. Er hatte sich zweinial verheirathet, und einen
Sohn gezeugt, der in das Franziskancrkloster zu
Mcchelu ging.
Er hatte einen Bruder Abraham, der sehr
gelchickt war. Seine vorzüglichsten Schüler waren
Erl eb out, Abs Hoven, Helm on k und van
Hont.
Er malte vorzüglich kleine Landschaften mit
Figuren, auch Trink- und Tischgesellschaften, Werk
stesten von Chymisten, (ein bejonders von Nieder,
ländern behandelter Gegenstand), Kirmsen und der
gleichen Dorf-Lustbarkeiten. Von vorzüglichem
Ausdruck sind seine Figuren, die außerordentlich
geistreich ausgeführt sind. — Des Abends machte
er kleine sehr ausführliche Stücke, die man seine
apvds souper nennt. Sie sind gemeinhin sehr hell
gehalten.
In der Berliner Gallerie befinden sich von sei
ner Hand Z Stücke: die Versuchung des heiligen
Antonius, worin eine Menge der groteckcsten Teu
felsgestalten angebracht sind; Teniers selbst mit sei
ner Familie, die zujammen ein Concert macht, —
und eine ländliche Gegend, wo vor einer Dorsschenke
Landlente sitzen und trinken.
R u b e n s.
Petee Paul Rubens wurde am sgsten
Zunius 1577 zu Kölln geboren. Sein Vater Io,
Hann Rubens war von gutem Stande und Raths
herr in der Stadt Antwerpen, sah sich aber wegen
der innerlichen Unruhen genöthigt, Antwerpen zu
verlassen und nach Kölln zu gehen. Hier erblickte
nun Rubens das Licht der Welt.
Rubens zeigte von Jugend an einen sehr leb
haften Geist und eine große Begierde alles was
ihm vorkam abzuzeichnen, so daß seine Mutter,
nachdem sein Vater gestorben und die ganze Fami
lie, des Krieges wegen, wieder nach Antwerpen
zurückgegangen war, ihn zu Adam Oort '*)
brachte, um dort die Anfangsgründc der Kunst zu
lernen. Hierauf kam er zu Oetavio van Veen
*) Nichr FiiknMSkgn-, wie 7 estamps uns D'Lrgenville schreien.
*•) Nach andern jn Tobias Verhänge.