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Volume Nro. 156, Dienstag den 5. August 1806

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue4.1806 (Public Domain)

v Nro. iA6. 
ißoö. 
D e r 
Dienstag, 
E r n st 
' oder den 5. August. 
und Scherz. 
Literatur. 
Mar-Hanna, oder die Pilgerinnen aus Aemen. 
Eine heilige (??) Kunde aus dem Buche 
der Menschheit, vom Verfasser der Amida. 
Erfurt, bei F. A. Knick, 1806. 
L^/er Verfasser des genannten Romans scheint 
ein sehr guter Kopf zu seyn; zwar ist sein Werk 
nichts weniger als gelungen, indeß verrathen einige 
mit Geist und Leben geschilderte Scenen, uno die 
Art und Weise, mit der er die meisten Fehlgriffe, 
deren er sich schuldig gemacht hat, beging, Spuren 
von Talent. Der Verfasser bemühe sich, statt 
Abentheucrlichkeiten zu häufen, die Begebenheiten, 
die er erzählen will, immer gehörig zu motiviren, 
sie lichtvoll zu ordnen, interessante Situationen zu 
erfinden, und zwar blühend und bilderreich, jedoch 
zugleich verständlich zu schreiben. Dann wird 
er ein Werk liefern, das reellen Werth hat Das 
Zeanpaulisiren, das er besonders am Anfange des 
Buchs häufig versucht hat, vermeide er künftig ja; 
er wird dann seltener in Gefahr kommen, zu 
Lächerlichkeiten verleitet z„ werden. Die beiden 
eingewebten Romanzen sind mit ziemlicher Leichtig 
keit versifieirt, und intercssiren durch Zartheit und 
Weichheit des Gefühls. 
F i l a l e t h. 
Versuch einer Geschichte Pohlens, mit vor 
züglicher Rücksicht auf die völlige Auflö 
sung deö Staats. 
(Fortsetzung.) 
§)ie Geschichte eines jeden Volks gleicht der Ge 
schichte des einzelnen Menschen. Von der Hand 
des Schicksals, gleich dem Säuglinge, fremder Pfle 
ge oder Einwirkung anvertraut, entwickeln sich oft 
unbemerkt die ersten Keime der Nationen. Diese 
gehn aus ihrer Kindheit in ihr Knabenalter über, 
worin sie mehr nach dem Einflüsse anderer, von 
denen sie abhängig waren, nach zufällig entsprun 
gener Neigung oder Widerwillen und nach schnell 
aufgereihter Leidenschaft, als eignen hinlänglich 
überlegten und gereiften Plänen handeln. Hierauf 
erscheint erst jener Zeitpunkt, worin sich die Natio 
nalkräfte ausbilden; und innere Stärke, Entwicke 
lung eigener Kraft, Selbstständigkeit und das Ei 
genthümliche deö Charakters geben, wenn das ju 
gendliche Alter der Nationen vorüber ist, ihrer Ge 
schichte den eigenthümlichsten Reiz. Denn willkom, 
men ist jedem unverdorbenen Menschen der Anblick 
von Kraft; er freut sich jeder Geistesgröße, jeder 
edlen That des Nächsten; denn er ist ja auch ein 
Mitglied des Menschengeschlechts, das solcher Tha, 
ten, solcher Geistesgröße fähig ist. Deshalb haben 
auch alle Geschichtschreiber eines steigenden Staats 
wegen der Lebhaftigkeit des Vortrages, die schon
	        
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