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Volume Nro. 152, Donnerstag den 31. Julius 1806

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue4.1806 (Public Domain)

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Wiedererweckung und neue Organisation der 
Universität zu Krakau. 
(Au« authentischen Berichten-) 
86estgallizien, ein von Natur glückliches, durch die 
politischen Erschütterungen aber in der Geisreeeultur 
gänzlich darnieoerliegendes Land, mußte, so wie es 
von Oestreich occupirr worden war, als ein integri, 
rcnder Theil der Oestreichischen Monarchie, die Auf 
merksamkeit der Regierung aus sich ziehen, besondere 
in Beziehung auf Nationalbildung und Nativnal- 
kultur. Der Mangel aller Dorfschulen, die tiefe Un 
wissenheit des Klerus, besondere des klösterlichen und 
ländlichen, der niedrige Sklavensinn der Volksmasse, 
die einseitige Bildung des Adels, alles, alles , zeigt 
auf die Nothwendigkeit hin, die Nation für Gesetze 
und bürgerliche Ordnung durch Cultur und Huma 
nität empfäirglich zu machen. Es wurden Normal 
schulen in Krakau, Gymnasien im ganzen Lande 
eingerichtet, und nun kam die Ordnung an die ehr 
würdige Mutter, welche dem Staate und der Reli 
gion durch Wissenschaften gebildete Männer liefern 
soll. Die uralte Universitär wurde neu organisirt, 
mrd in allen ihren Zweigen erweitert; die Lember- 
ger Universität wurde hieher übertragen, und mit 
der hiesigen vereinigt. — Dieses Ereigniß ist für die 
Freunde der Menschheit und der Nationalbildung zu 
wichtig, um sie unsern Lesern nicht zu schildern. 
Am 7. Nov. 1805 wurde die Feierlichkeit abge 
halten, wobei der Prof, der Philosophie, M. W. 
Doigt, eine Rede hielt, welche eine Uebersicht der 
Geschichte der Krakauer Universität darstellte, und 
uns dadurch zum Theil einen Grundriß der Cultur 
geschichte des ehemaligen Pohlens lieferte, eines Ge 
genstandes, der bei weitem noch nicht so bearbeitet 
ist, als es zur Culturgeschichte Europens zu wün 
schen wäre, und der uns ein Zicht über den Zustand 
der Künste und Wissenschaften in einem Lande er 
theilt , welches wir bisher gänzlich aus den Augen 
verloren hatten. 
Die allgemeinen Resultate, welche aus der ein 
zelnen Motivirung der größtentheiis aus handschrift 
lichen Urkunden geschöpften Statuten, der wissen, 
schastkichcn Stimmung und Lehrart, welche oft durch 
einzelne frappante Züge verdeutlicht wurden, und 
aus der namentlichen Darstellung der merkwürdig 
sten Gelehrten in jedem Fache hcrvorflosscn, sind 
von der Art, daß sie auch den Lesern des Freimü 
thigen vorgelegt werden können. Prof Voigt theilt 
die Geschichte in Epochen ein. 
1. Philologisch - theologische Epoche 
(1564 — 1472). Die Könige von Polen mußten 
sich der Geistlichen bedienen im Kabinet, in Ge, 
richkehöfen, bei der Gesetzgebung, ja sogar häufig 
im Kriege, theils weil der übrige Adel äußerst un 
wissend war, theils auch weil man dadurch die Gunst 
der Römischen Qm« gewinnen konnte: denn noch im 
14U« Jahrhundert war der Pabst Universalmo 
narch von Europa, und Kaiser und Könige waren 
nur dann sicher auf ihrem Throne, wenn sie sich 
nicht nur aposlolicae sedis gralia betitelten, son 
dern auch gehorsam sich neigten vor den Befehlen 
des apostolischen Stuhls. Geistliche waren also Rä 
the, Gesetzgeber, und oft auch Feldherrn. Niemand 
konnte ein geistliches Denefieium erhalten, ohne Ein 
willigung des Pabstcs, welcher letztere es Niemanden 
ertheilte, der nicht auf einer Universität (zu Bolog, 
na oder Paris) graduirt war. Alle Polen, welche 
höhere Aemter und einträglichere Pfründen zu ha, 
den wünschten, mußten daher nach Italien und 
Frankreich. Kasimir der Große, auf Andrin 
gen der Geistlichkeit und aus eigener Ueberzeugrmg, 
errichtete, ' mit Bewilligung des Pabstes Urban V. 
1Z64 eine Universität iij der Stadt Kasimir, nahe 
an den Mauern von Krakau, doch mit der Ein, 
fchränkung, daß man hier zmar das päbüliche Recht 
und die übrigen erlaubten Wissenieya,leii, aber nicht 
die Theologie lehren dürfe. Die Lehrer waren 
aus Bologna, Paris und Prag verichrteben. — 
Vladislauö Jagello versetzte, »ach dem Wun 
sche seiner frommen Gemahlin Hedwigis, die Univer 
sität in die Stadt Krakau (1400 am Annatag) und 
erhielt vom Pavst Bonifacius IX. die Erlaubniß, 
daß auch Theologie gelehrt werden dürfe; daher der 
Anfang der, nach den Vorstellungen jener Zeit voll 
endete» Universität, von diesem Tage an zu schrei, 
den ist. Die Universität halte das Eigne, daß ihre 
Lehrer, ohne einen geistlichen Orden zu bilden, klö 
sterlich lebten, und da fast alle geistlichen Standes 
waren, hing alles an der hierarchischen Verfassung, 
und die größte Zahl der Sludirenden gieng zur Theo, 
logie, welche von allen Seiten reich dotirt, und an 
sehnlich unterstützt wurde. Nach dem Geist der da, 
maligen Zeit wurde die Universität von Päbsten, 
Kaisern und Königen, so wie andere Universitäten, 
zu Rathe gezogen (, wovon eine Handschrift!. Samm 
lung von Briefen itzt noch vorhanden ist). Die 
Depulation von Professoren und Doktoren, welche 
im Concilium zu Kostanz und Basel erschienen, 
zeichneten, nach damaligen Vorstellungen, sich rühm, 
lich aus, (wie eine Menge hanbjchrtfklicher Urkun 
den heute noch beweist). Der religiöse Sinn der 
damalige» Zeit schien sich in dem Prof. Joannes v. 
Kcuty so zu vereinigen, daß die »achhertge Univcr, 
sitat keine Kosten scheute, seine Hei igsprechnng un 
ter dem Namen Kantius, zu bewirken. (Vielleicht 
ist es uns gegönnt, zu einer andern Zeit, diejcii 
heiligen Kant, ein interessanter grame für »»fte 
Zeiten, etwas genauer zu charaktrrisircn.) Der 
Glanz der Theologie verdunkelte die übrigen Wss 
fenschaften und Künste, oder machte vielmehr, daß 
sie die beliebte Farbe der Theologie wenigstens durch.
	        
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