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Wiedererweckung und neue Organisation der
Universität zu Krakau.
(Au« authentischen Berichten-)
86estgallizien, ein von Natur glückliches, durch die
politischen Erschütterungen aber in der Geisreeeultur
gänzlich darnieoerliegendes Land, mußte, so wie es
von Oestreich occupirr worden war, als ein integri,
rcnder Theil der Oestreichischen Monarchie, die Auf
merksamkeit der Regierung aus sich ziehen, besondere
in Beziehung auf Nationalbildung und Nativnal-
kultur. Der Mangel aller Dorfschulen, die tiefe Un
wissenheit des Klerus, besondere des klösterlichen und
ländlichen, der niedrige Sklavensinn der Volksmasse,
die einseitige Bildung des Adels, alles, alles , zeigt
auf die Nothwendigkeit hin, die Nation für Gesetze
und bürgerliche Ordnung durch Cultur und Huma
nität empfäirglich zu machen. Es wurden Normal
schulen in Krakau, Gymnasien im ganzen Lande
eingerichtet, und nun kam die Ordnung an die ehr
würdige Mutter, welche dem Staate und der Reli
gion durch Wissenschaften gebildete Männer liefern
soll. Die uralte Universitär wurde neu organisirt,
mrd in allen ihren Zweigen erweitert; die Lember-
ger Universität wurde hieher übertragen, und mit
der hiesigen vereinigt. — Dieses Ereigniß ist für die
Freunde der Menschheit und der Nationalbildung zu
wichtig, um sie unsern Lesern nicht zu schildern.
Am 7. Nov. 1805 wurde die Feierlichkeit abge
halten, wobei der Prof, der Philosophie, M. W.
Doigt, eine Rede hielt, welche eine Uebersicht der
Geschichte der Krakauer Universität darstellte, und
uns dadurch zum Theil einen Grundriß der Cultur
geschichte des ehemaligen Pohlens lieferte, eines Ge
genstandes, der bei weitem noch nicht so bearbeitet
ist, als es zur Culturgeschichte Europens zu wün
schen wäre, und der uns ein Zicht über den Zustand
der Künste und Wissenschaften in einem Lande er
theilt , welches wir bisher gänzlich aus den Augen
verloren hatten.
Die allgemeinen Resultate, welche aus der ein
zelnen Motivirung der größtentheiis aus handschrift
lichen Urkunden geschöpften Statuten, der wissen,
schastkichcn Stimmung und Lehrart, welche oft durch
einzelne frappante Züge verdeutlicht wurden, und
aus der namentlichen Darstellung der merkwürdig
sten Gelehrten in jedem Fache hcrvorflosscn, sind
von der Art, daß sie auch den Lesern des Freimü
thigen vorgelegt werden können. Prof Voigt theilt
die Geschichte in Epochen ein.
1. Philologisch - theologische Epoche
(1564 — 1472). Die Könige von Polen mußten
sich der Geistlichen bedienen im Kabinet, in Ge,
richkehöfen, bei der Gesetzgebung, ja sogar häufig
im Kriege, theils weil der übrige Adel äußerst un
wissend war, theils auch weil man dadurch die Gunst
der Römischen Qm« gewinnen konnte: denn noch im
14U« Jahrhundert war der Pabst Universalmo
narch von Europa, und Kaiser und Könige waren
nur dann sicher auf ihrem Throne, wenn sie sich
nicht nur aposlolicae sedis gralia betitelten, son
dern auch gehorsam sich neigten vor den Befehlen
des apostolischen Stuhls. Geistliche waren also Rä
the, Gesetzgeber, und oft auch Feldherrn. Niemand
konnte ein geistliches Denefieium erhalten, ohne Ein
willigung des Pabstcs, welcher letztere es Niemanden
ertheilte, der nicht auf einer Universität (zu Bolog,
na oder Paris) graduirt war. Alle Polen, welche
höhere Aemter und einträglichere Pfründen zu ha,
den wünschten, mußten daher nach Italien und
Frankreich. Kasimir der Große, auf Andrin
gen der Geistlichkeit und aus eigener Ueberzeugrmg,
errichtete, ' mit Bewilligung des Pabstes Urban V.
1Z64 eine Universität iij der Stadt Kasimir, nahe
an den Mauern von Krakau, doch mit der Ein,
fchränkung, daß man hier zmar das päbüliche Recht
und die übrigen erlaubten Wissenieya,leii, aber nicht
die Theologie lehren dürfe. Die Lehrer waren
aus Bologna, Paris und Prag verichrteben. —
Vladislauö Jagello versetzte, »ach dem Wun
sche seiner frommen Gemahlin Hedwigis, die Univer
sität in die Stadt Krakau (1400 am Annatag) und
erhielt vom Pavst Bonifacius IX. die Erlaubniß,
daß auch Theologie gelehrt werden dürfe; daher der
Anfang der, nach den Vorstellungen jener Zeit voll
endete» Universität, von diesem Tage an zu schrei,
den ist. Die Universität halte das Eigne, daß ihre
Lehrer, ohne einen geistlichen Orden zu bilden, klö
sterlich lebten, und da fast alle geistlichen Standes
waren, hing alles an der hierarchischen Verfassung,
und die größte Zahl der Sludirenden gieng zur Theo,
logie, welche von allen Seiten reich dotirt, und an
sehnlich unterstützt wurde. Nach dem Geist der da,
maligen Zeit wurde die Universität von Päbsten,
Kaisern und Königen, so wie andere Universitäten,
zu Rathe gezogen (, wovon eine Handschrift!. Samm
lung von Briefen itzt noch vorhanden ist). Die
Depulation von Professoren und Doktoren, welche
im Concilium zu Kostanz und Basel erschienen,
zeichneten, nach damaligen Vorstellungen, sich rühm,
lich aus, (wie eine Menge hanbjchrtfklicher Urkun
den heute noch beweist). Der religiöse Sinn der
damalige» Zeit schien sich in dem Prof. Joannes v.
Kcuty so zu vereinigen, daß die »achhertge Univcr,
sitat keine Kosten scheute, seine Hei igsprechnng un
ter dem Namen Kantius, zu bewirken. (Vielleicht
ist es uns gegönnt, zu einer andern Zeit, diejcii
heiligen Kant, ein interessanter grame für »»fte
Zeiten, etwas genauer zu charaktrrisircn.) Der
Glanz der Theologie verdunkelte die übrigen Wss
fenschaften und Künste, oder machte vielmehr, daß
sie die beliebte Farbe der Theologie wenigstens durch.