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Dienstag,
Ernst
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den 22. April.
und S ch^e r
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Gedanken über die Apotheose, in Bezie
hung auf die Denkmaale Friedrich deS
Zweiten und Dr. Martin Luthers.
^^as Gemüth befindet fich in einem herrlichen Zu
stande, wenn es verehrt, wenn es anbetet. Denn
verehren, anbeten — was ist es anders, als be
schauen, was uns vollkommen. dünkt, — als zur
Bewunderung hingerissen seyn über das, was fich
unserm Geist als groß, unermeßlich, unendlich dar
stellt. — Jedes harmonische Ganze zieht uns an;
jedes Schöne in Form, in Farbe, in Tönen belebt
und erfreut unfern Sinn; jedes Werk, worin Ord
nung und Cbenmaaß herrscht, schärft in uns das
Gefühl für Ebenmaaß und Ordnung. Zn der Be
schauung des Edeln fühlen wir uns veredelt; da«
Erhabene erhebt uns; und indem wir uns in der
Betrachtung des Unendlichen und Göttlichen verlie
ren, erhellt nicht ein Skraal des Göttlichen selbst
unser Gemüth? —- Freilich ist Ordnung, Ebenmaaß
und Schönheit, das Edle, Große und Göttliche nur
für den da, der es fühlt. Für den Tauben giebt
es keine Harmonie, für den Blinden keine schöne
Natur, für den Blödsinnigen keine Phantasie de«
Dichter«, kein Zauberwerk de« Malers. Der Feige
erfaßt nie den Plan de« Tapfern, der Kleinherzige
nie die That de« Hochgesinnten. Der Wollüstling
ersieht in der Venus nur ein Weib; der Schwäch
ling in Cäsar nur einen Herr,chstchligen; der Frömm
ler in Leibnitz nur einen Ungläubigen; — dem
Spötter ist Christus ein Schwärmer, und dem an
Natur -- und Kunstsinn verwahrlofeten ist Homer nur
ein Derfemacher und Raphael ein Wandanstreicher.
Zum Glück der Menschheit giebt es aber im
Verhältniß zur Masse immer nur wenige, die von
der Natur, oder durch Erziehung so ganz vernach-
läßigt sind. Zwar hat Blödsinn, Frömmelei und
unmännliche Schwäche von jeher trüben Einfluß
verbreitet. Allein der Feind, den unser Zeitalter zu
bekämpfen hat, ist kein gewöhnlicher: er ist das Re
sultat einer Art von Ueberverfeinerung in Religion,
Philosophie und Slaakswirthschast. Dieser Feind
besteht in einer Vcrnunftkälte, die jeden Enthusias
mus für Vaterland, für Gott und für die Kunst
lähmt, verbunden mit dem ängstlichen Sparsamkeits
sinn, der unter dem Vorwand des Nützlichfeyns je
des Prvzentchen sorgsam berechnet, und jede Aus
gabe für ein höheres Srelenbedürfniß, als Ver
schwendung und Schwärmerei betrachtet.
Statt wahrer Daterlandsfreunde giebt es zwei
Classen von Wesen. Die erste nennt sich -Weltbür
ger; sie sieht in allem Grausenhaften, was um uns
vorgeht, nichts als eine nothwendige Vorbereitung
zum allgemeinen Wohl der Menschheit, denn sie hat
in ihrem Wahn schon alle künftige große Resultate
berechnet. Die zweite ist so erzpakriotisch, daß sie
jede Anstrengung für Freund und Nachbar, für alte
Ordnung und Sicherheit der uns theils durch
Sprache, gleiche Gesetz« und Sitten, theils durch