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Volume Nro. 7, Freitag, den 10. Januar 1806

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue4.1806 (Public Domain)

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nun desselben nachgebildet. Der Dialog Zeht in 
jambischen Trimetern, die an einigen Stellen sehr 
passend durch trochäische Tetrameter unterbrochen 
und i» den Ehorgesängen zu lyiischen Maaßen erho 
ben werden. Die Trimeter habe ich nirgends schö 
ner gebaut und wohllautender gefunden als hier. 
Um so mehr aber wünscht man, daß sie der Ver 
fasser rein ausgefeilt halte: man stößt hie und La 
auf einen 5 oder 7 Füßler |. B. p. 5.; 
Den Hüter schläfern eure glatten Zungen endlich ein, 
«0 die Aenderung leicht ist. Entschieden kurze Syl 
ben sind sehr oft lang, was wenigstens dann ver 
mieden werden muß, wenn noch eine zwrite Kürze 
darauf folgt p. 4. „ purpurne Gewand", „ liebliche 
Gestalt" p. 20. „nächtliche Trauer", oder wenn die 
gezogene Kürze in die so starke Hebung des letzter» 
Kretikus (— « —) kommt p. 9: 
„welch wild Stickn» ertönet hier vor »em Pallast." 
Auch wird der Rhythmus des Tetrameters ganz auf- 
gelößt, wenn dieser Kretikus oder der am Eingänge 
des Verses, in einen Molossu« < ) übergeht, 
was jedoch dem Verfasser äußerst selten begegnet ist. 
Auch ist es ganz eigen, daß er nicht gewußt hat 
den Namen seine» Heiden richtig ausgesprochen, den 
er immer Polyidos (als jambische Dipodie) Homer 
«brr in der einzigen Stelle, wo er bei ihm vor 
kommt (Iliad. XIII.; 663 u, 666.) ganz natürlich 
Polyidos mißt. Zm Tetrameter ist der mittelste Ein 
schnitt nicht beachtet, den wohl Aristophanes, aber 
kein Tragiker, vernachläßigte, auch in den Lhormaaßen 
noch manche nicht völlig ausgebildete Stelle, und es 
ist unangenehm, wenn sich die schönen Anfiüze eine« 
wahrhaft Gr iechischen Rhythmus zuweilen in verworr- 
nen oder ungebildeten Reihen verfangen. Doch ist 
es viel, sehr viel, was hier geleistet ist und man 
freut sich die schönen Tänze der wechselnder Rhyth 
men zu sehen, die Klepstock und Doß mit so vieler 
Sorgfalt und Klugheit aus unsrer bildsamen Spra 
che entwickelt haben. — Und diese Rhythmen sind 
keine athemlosen Staruen, sondern beseelt von einer 
sehr edlen angenehmen Diktion, die sich in den 
Chorgesangen zu einer milden Lyrik erhebt, p. 5; 
Minos. 
Cirri* mir »on Trost nickt, ehre deine« Königs Schmer»! 
Der Trost um Todte ist ein frecher Temorlrauö. 
Was »leidr den Todten von der Erdrugüter Zahl, 
«1» eine Wobnnng in der Freunde treuer Brust 
Sehntet von »er Wlbmnch bitterfnßem Schmer»? 
De» Hnter schläfert eure c glatte) Zunge endlich «in 
Und bannt den Todten ans »er warme» Brnst ins Grab. 
Anderwärts: 
Chor. Erloschen lltblicker Knab' ist dlr 
Des iugtndlich klspsenden Herzens Gl'lh 
Du gingst zu de« linste,« Ades hin, 
-loch eh dir geleuchtet de« Leden« Glan». 
Auf dick mit der Freude« tagendem Chor 
Harrte der goldne Königsthron; 
Aus dich mit purpurne« lächelnden Mund 
Der schönsten Jungfrau» blühende Sch«»». 
Doch du sankest in -lacht 
Und fernhin vom Königsthron 
Fliehe« die lirbticken Freuden, 
Und der Jungsrann lächelnde Sippe» 
Oeffnek »u bittrer Klage der Eckmerz. 
Nur selten geschieht e«, daß der Verfasser im Dia 
log aus der Sophokiesschen Mittellinie herabsinkt p. 9. 
LH or. 2 st mir erlaubt »König wohl e,n einzig Wort? 
König. Sprich was du willst, nur re. 
ober in eine unangenehme Künstlichkeit abirrt: p. 14. 
Chor. Dem» rath ich ,«liege nicht mit berrifchtm Befehl 
Des Redenden zu deinem Shr gewandten »und. 
Auch muß hier bemerkt werden, daß der gehaltene 
Paihoö der alten Tragödie, der seibst im höchsten 
Schmerz seine ernste Natur nicht verleugnet, im Po 
lyidos zum Theil eingeschmolzen ist und einen ziem 
lichen Anstrich von Sentimentalität gewonnen hat, 
wobei eine sehr hervorstechend« Seite der Griechischen 
Tragödie, die Kräftigkeit ihrer Figuren, verloren ge 
hen mußt». 
Was envlich die Entfaltung betrifft, so macht 
sie, al« Griechischer Art, aus Handlung, wie schon 
erinnert, keinen Anspruch und dehnt sich um den 
Stoff her, ohne mit ihm zuzammenzufallen, umgiebt 
ihn aber mit einem schönen anmuthigem Gewände. 
Man kann in dieser Hinsicht das Wesen der Griechi 
schen Tragödie charakreristren als ein Beschauen der 
Momente des Stoffs, wie sie Zufall oder Gemüths 
art der Personen nacheinander herveisührrn. Dieses 
Beschauen der Begebenheit war eigentlich der Keim 
aus dem dir Tragödie emporfcheß, und wiewohl es 
sich nachher, da di« Begebenheit selbst mit auf die 
Bühne trat, symbolisirre und in den Chor zusam 
menzog, so streift es doch auch da noch, nur in ge 
ringerm Maaße über da« Ganze hin und giebt ihm 
einen von der jetzigen Tragödie wesentlich verschiede 
nen Charakter. Von dieser Seite angesehen ist im 
Arschyluv die ganze Masse der Tragödie noch Ein 
Chorus, der aber angefangen hat zwei Gestalten zu 
zeigen, die sich beim Sophokles wandeln und von 
einander lösen. Da« Verhältniß, in das sie hier zu 
einander treten, macht da« Wesen der vollendeten 
Griechischen Tragödie aus. Es hier zu entwickeln, 
würde zu weit führen, im Polyidos scheint es nur
	        
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