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Volume Nro. 50, Dienstag den 11. März 1806

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue4.1806 (Public Domain)

matten können, überall Lessing und Hrn. 
Friedrich Schlegel zu paaren? sie ein leitendes 
Zwillings gesii, n zu nennen? Den Verfasser der 
trefflichsten Lilerakurbriese und der Dramaturgie, mit 
dem der lächerlichen Fragmente im Athenäum und 
in der Europa; den Deifaffer der, Emilia Galotti 
und des Nathan, mit dem des Aiarkos? — Lesfing 
hat die Deutsche Literatur zu höherm, freierm, eb- 
lerm Aufschwung emporgeriffen: — was hat Herr 
Schlegel gethan? Einsichtsvolle Bemerkungen an 
dern lächerlich nachgesagt und versucht, seine Phra 
sen für Beweise von Genie geltend zu machem 
— Wie hätte Hr. Müller sonst sich so hart über 
den wahrlich verdienstvollen Greis, Nikolai, aus 
drücken, — wie hätte er Fichtens Schreiberei gegen 
denselben, die des berühmten Philosophen durchaus 
unwürdig ist, loben, — wie hätte er den im Gan 
zen völlig mislungenen Roman, Wilhelm Mei 
ster, (die Dortrefflichkeit einzelner Theile desselben, 
kann niemand läugnen,) — in einem solchen Nim 
bus sehen können, als ihm widerfuhr? — 
Er bewundert Hru. Frdch. Schlegels Charakte, 
ristik der Griechischen Kultur, und glaubt, sie habe, 
Epoche geniacht. Das konnte sie nicht; sie wurde 
vielmehr übersehn, denn die 'Ansichten, die sie auf 
eine barokke Weise aufstellt, sind, soweit sie taugen, 
dieselben, welche Herder schon längst- auf eine genia 
lische Weise eröffnet hatte. — Andre rechnen es den 
HH. S chlegei als Verdienst an, daß sie die romantische 
Poeste des Mittelalters, die «spanische, die Italieni- 
sche in Deutschland geltend gemacht hätten: aber auch 
das hatte Herder schon zwanzig Jahr vor ihnen in 
seiner Schrift über deutsche Art und Kunst, in sei 
nen zerstreuten Blättern, in seinen Volksliedern ge 
than. Doch, wie irgendwo schon gesagt wurde, Er 
rief: „Es giebt entzückend schöne Ruinen! Seht 
her!" — und jene schrien: „Laßt uns Ruinen 
bauen!" — Ich empfehle Hrn. Müller das Stu 
dium der Herderschen Schriften, — von denen er in 
seinen Verlesungen gar nicht spricht; mit jeder Seile 
die er liest, wird er die Lärmer des letzten Dezenni 
um» und ihre Verdienste, richtiger würdigen lernen, 
G. Merkel. 
Briefe über die Moldau. 
l Forksttzung.) 
Bassi, den löten Jan. 1805. 
us den im vorigen Briefe angeführten Nachrich 
ten hast Du dich vielleicht überzeugt, daß Aberglaube 
und Unwissenheit unmöglich irgendwo viel crasser 
seyn können. Dies gilt indessen hauptsächlich nur 
von den Landes-Einwohnern, und nicht so wohl 
von den Neugriechen. Unter diesen letzter» herrscht 
freilich ebenfalls noch dicke Finsterniß im Allgemei 
nen. sie haben aber doch einzelne «Männer in ihrer 
Mitte, die sehr helle Ansichten über Religion und 
StaalSveriassuiig haben, und auch ausgebreitete 
Sprachkenntniffe besitzen. Ihre Anzahl ist jedoch zu 
198 — 
klein, und die Verhältnisse, unter welchen sie leben, 
sind zu ungünstig, gls daß MSN billiger Weise an 
sie die Forderung machen könnte, sich zu Märtyrern 
der Wahrheit und Freiheit auszuwerfen. Ehe nicht 
eine andere Regierungsfvrm Stttt findet^ läßt 
sich nicht erwarten, daß die wohlthätigen Astralen 
einer echten Aufklärung den dichten Schleier durch 
brechen werden, der die» arme Land mit Dunkelheit 
bedeckt hält. 
Die Griechen von Stande und Vermögen ge 
nießen zu Constantinopel gewöhnlich einer ziemlich 
guten Bildung in Rücksicht auf Sprachkenntniffe. 
Sie befahlen Europäische Lehrer, vorzüglich Franzo 
sen und Italiener, zuweilen auch Pohlen und 
Deutsche, sehr ansehnlich. Eö ist gewöhnlich, daß 
ein Grieche von guter Erziehung außer seiner Mut 
tersprache, Türkisch, Persisch. Arabisch, Französisch. 
Italienisch, zuweilen auch noch Deutsch spricht. Die 
Verhältnisse mit den Türken, und Handelsverbin 
dungen mit dem Auslande, machen riefe Menge von 
Sprachen nöthig. Der Mann vsn Geist, der auf 
diese Weise mit der Literatur der gebildeten Europäi 
schen Nationen bekannt wird, erlangt bei dieser Ge 
legenheit viele Ideen, und lernt den großen Abstand 
kennen, der zwischen Franken und Nichtfranken, oder 
wie man hier spricht, zwischen Europäern und Be 
wohnern der Türkei Statt findet. Zu eigentlich 
wissenschaftlicher Bildung aber erhebt man sich fast 
nie. Mathematische, physikalische und chemische 
Kenntnisse sind eine große Seltenheit, und nur die 
Aerzte, welche in Deutschsand oder Italien einige 
Jahre studirt haben, besitzen zuweilen einige An- 
sangSgrunde davon. Diese Aerzie sind öfters mit 
dem Zustande unjerer Arzneiwiffenschaft ziemlich gut 
bekannt. Der große Haufe der hiesigen Söhne de« 
Aesculaps aber sind die ärgsten Charlacane. Du hast 
keinen Begriff von der frechen Stirn, womit hier 
Menschen ohne die geringsten theoretischen und prak 
tischen Kenntnisse, als Aerzte auftreten und ein un 
geheures Glück machen. Es ist dies freilich bei uns 
auch häufig der Fall, und sehr selten wird wohl der 
gescheute Arzt berühmt und reich, wenn er nicht zu 
Zeiten Charlatan zu seyn ve> steht, indessen bei uns 
findet doch wenigstens eine bessere Controle Statt 
als hier. Der Arzt hier in der Moldau, (und noch 
mehr in Constantinopel, wie ich dies von sehr glaub 
würdigen Freunden weiß.) zeigt ein Diplom vor, 
welches er in Deutschland oder Italien irgend einem 
Freunde abgekauft oder adgeliehen, und wo er statt 
dessen Namen sehr geschickt den seinigen hinein zu 
tragen gewußt hat. Wenn er nun seine wirklich ge- 
scheidten Amksblüder, auf die er übrigens nur selten 
zu stoßen fürchten darf, auf eine hinterlistige aber 
ziemlich wahrscheinliche Art als grobe Ignoranten zu 
verschreien versteht, diese überdies vielleicht manche 
unglückliche Kuren gemacht haben, die er als Bestä 
tigung seiner Beschuldigung gebrauchen kann, so ent 
reißt er triuwphirend seinen Gegnern von echtem 
Verdienste Brod und Ehre. Das arme getäuschte 
Publikum hat keinen Maaßstab um beider Verdienst 
gehörig würdigen zu können, und überläßt seine kör-
	        
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