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Volume Nro. 27, Freitag den 7. Februar 1806

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue4.1806 (Public Domain)

men bringt dem Fürsten in guten Jahren über 6000 
Beutel ein. Davon kann er nach Abzug des Tri 
buts an die Pforte, der Geschenke an die Minister 
in Constantinopel (die bedeutenvste Ausgabe von al 
len)'und aller Kosten, die die Führung seines Hof 
staats und die Unterhaltung auswärtiger Verbindun 
gen verursachen, in der Regel die Halste zurücklegen. 
Da dieß nach unserm Gelde etwa 500 bis 600,000 
Thaler beträgt, und ein Fürst oft z bis 4 Jahr ei 
nen solchen Posten bekleidet, so begreifst Du, daß er 
im Stande ist, nachher in Constantinopel eine ge 
raume Zeit einen fürstlichen Aufwand zu machen. 
Er muß aber die Kunst verstehn, sich dort bei seinem 
Reichthum dennoch blutarm zu stellen, weil er sonst 
von den gierigen Türkischen Ministern bald unter 
diesem oder jenem Vorwände seines Ueberfluffes be 
raubt wird. Man sucht sein Geld alsdann entweder 
baar zu verstecken, oder unter fremdem Nahmen an 
die Kirchen und Klöster gegen etwa 8 Prozent aus 
zuleihen. Oder man vertraut et sichern und ver 
schwiegenen Banquiers, und macht anderwärts zum 
Schein ungeheure Anleihen, weswegen man sich 
ausklagen, auch w»hl Executien geben läßt, u. s. w. 
Der getreue Anhang sucht während der Regie 
rungszeit seines Fürsten, dem Beispiel desselben ge- 
maß, seine Taschen so gut als möglich zu füllen. 
Dieß mißlingt aber zuweilen doch, weil die Anzahl 
der Stellen bei weitem geringer ist, als die Menge 
der Eompetenten. Die Fürsten sind deßhalb gezwun 
gen, jede Stelle immer nur auf kurze Zeit, höch 
stens auf Ein Jahr, Einem Individuum zu verlei 
hen. Er wird aber von beiden Seiten gehörig da 
für gesorgt, daß sie dennoch einträglich genug sind. 
Die Gehalte sind nach Verhältniß de» Werthes, 
worin hier da« Geld steht, ungeheuer. Die monat 
lichen fixen Besoldungen der ersten Staatsdiener be 
laufen sich in der Regel auf 2000 bi« 3000 Piaster. 
Stellen dieser Art sind die des Groß-Postclnik, (er 
ster Staatsminister) des Groß-Kamarasch, (Schatz 
meister) de« Groß-Hattmann (Polizeiminister und 
Commandeur der unbedeutenden^ militärischen Wache, 
außer welcher der Fürst keine Soldaten halten darf,) 
und einige andere. Das fixe Gehall macht ober nur 
den geringsten Theil der Einnahme au«. Die zu 
fälligen Hebungen sind bei weitem bedeutender, und 
bestehn vorzüglich in dem Kaufgelde für J6ie niederen 
Stellen, deren Besetzung ihnen überlassen ist, au 
ßerdem nimmt man bankeruttirendr Kaufleute gegen 
ihre rechtmäßigen Gläubiger in Schutz, — versteht 
sich, unter der Bedingung der gleichen Theilung des 
Raubes, — bezahlt nie anders als mit beschnittenem 
Golde, weiß sich Monopolien zu verschaffen, u. s. w. 
Die niederen Bedienungen am Hofe sind gleichfalls 
sehr einträglich in ihrer Art. Der Kammerdiener 
des Fürsten z. D. hat außer seiner freien Bekösti 
gung gewöhnlich 20 Beutel reines Einkommen, und 
durch seinen Einfluß auf den Fürsten ist er oft im 
Stande nebenher sich große Accidenzien zu machen. 
Der Haushofmeister, der Mundschenk, der Koffee- 
schenk,° der Hoflieferant und das ganze Bedienten 
heer wissen durch die offenbarsten Betrügereien, für 
die der beste Fürst keine Augen haben will, ihre 
Posten so ergiebig zu machen, daß ste, nach been 
digter Dienstzeit, ein jeder nach seinen Verhältnissen, 
m Constantinopel auf mehrere Jahre im Uebeifluffr 
leben können. Gerüth vurch Zufall einmal ein ehr 
licher unter diese Menichenklasse, so wird er durch 
die schaamiosefie Verlaumdung in kurzer Zeit so an 
geschwärzt, daß er von Glück zu sagen hak, wenn er 
ohne eine exemplarische Bestrafung, die gewöhnlich 
in der sogenannten Phalange I besteht, seines Dien 
stes entlasten wird. 
Will man irgend einem der niederen Bedienten 
eine besondere Gnade angedeihen lassen' so überträgt 
man ihm die Schlichtung einer Streitsache von Be 
lang in den entfernteren Distrikten. Man weiß 
nehmlich, daß er nach dem einmal landüblichen 
Brauch das Recht dem Meistbietenden zu verkaufen» 
eine bedeutende Summe dabei gewinnen kann, und 
ihm diese zuzuwenden ist die Absicht. Ich sahe, daß 
neulich ein unbärtiger Bediente von seinen älteren 
College» höhnisch verlacht wurde, ein aufgetragenes 
Geschäft dieser Art so schlecht ausgeführt zu haben. 
Er hatte ihnen nämlich erzählt, daß er von zwei 
Bauern, zwischen denen er eine Streitigkeit zu 
schlichten hatte, nur 300 Piaster zu bekommen im 
Stande gewesen sey. 
Wie wenig sich übrigens die Pforte um dir 
Justlzpflege und innere Verwaltung des Lande« über 
haupt bekümmere, davon mag Dich folgende That 
sache belehren. Der Fürst * * * hatte vor nicht sehr 
langer Zeit eine wichtige Erimi'nal-Angelegenheit zwi 
schen zwei der ersten Bojaren des Landes zu entschei 
den. Da ihm die Sache zu delikat schien, und er 
sich gern außer Verantwortung setzen wollte, so mel 
dete er den ganzen Vorfall dem Divan in Constan- 
tinopel, und fragte an, ob er die Sache nach dem 
beigefügten Gutachten entscheiden dürfe. Der Divan 
antwortete, baß er das eingesandte Gutachten voll 
kommen bestätige, sich aber sehr verwundere, daß 
der Fürst die hohe Pforte mit dergleichen Kleinigkei 
ten zu behelligen wage. Üb er denn nicht wisse, 
daß sie ihm darum Schwerdt und Keule verliehen 
habe, daß er nach Einsicht und Willkühr seine Un 
terthanen richte? Der Firman wurde den sämmkil- 
chen Bojaren mitgetheilt, und hatte, wie man sich 
vorstellen kann, für den Fürsten sehr ersprießliche 
Folgen. 
Wie eine Regierungsform dieser Art auf den 
Charakter des Volks wirten müsse, ist leicht einzu- 
sehn. Daß Recht und Gerechtigkeit nach unsern 
Begriffen, als etwas durchaus Chimärilches betrach 
tet wird, muß ein Jeder nach dem Obigen sehr be 
greiflich finden. Doch hierüber, und über manche 
•) Die Phalange iß eine im Orient sehr gebraiiiblt, 
<bt Strafe. Sie besteht darin, daß man dem Verbrecher die 
nackten, oder da» nur leicht bedeckten Fußsohlen mit schwan 
ken Stäben haut. Der vellngueni muß sich ans de« Rücken 
legen, und seine Sftjf durch ein ,u diesem Behufe dur-blöchcr- 
t-s Brett ßcckcn. Die Süße werden dann so in demselben be 
festigt, da« sie sich nicht «vrück liehen lassen. Zwei starke Hä' 
scher heben hieraus das Brett nebst den Süßen in b,e 
unb halten Einem oder mehreren ihrer College» die Fuß,ohien 
des Verbrechers jum Etäuoen hin. Diese Art der Züchtigung 
soll!» den allerschmerihaftesten gehören.
	        
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