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n»nft-Jdee schon vor Erscheinung Jesu als An
schauung in dem Gemüthe gottseliger Menschen
vorhanden war, und entfaltet sodann die höchst merk
würdigen Lchrbegriffe des Dasilidee, dev Marcian,
des Manes u. s. w., um !zu zeigen, daß die Idee
des göttlichen Reiches im Schooße der katholischen
Sekte während der drei ersten Jahrhunderte erhal
ten wurde.
Mit Meisterhand wird hierauf ein Abriß der
Geschichte der christlichen Kirche bis auf unsere Zei
ten gegeben, der sich mit folgeudcm völlig begründe
ten Resultate endigt:
„Von dem Ursprünge des Christenthumes an,
waren die Bekenner desselben in Betreff ihrer An
sichten von Religion und Kirchenthum zu allen Zei
ten in drei Klassen getheilt. Die erste wollte,nur
die sektirende Kirche gründen, dieselbe durch ein sta
tuarisches Glaubens-System ausbilden, und durch
hierarchische Einrichtungen zur Herrschaft über alles
Irdische und zum Besitze alles Zeitlichen erheben.
ü)ie zweite wollte durch äußere Darstellung ihrer re
ligiösen Ansichten ein sichtbares Reich Gotte« auf
Erden errichten, und durch die Macht desselben da«
hierarchische Kirchenthum niederreißen. Die dritte
wandelte in Deinuth, Glauben und Gottseligkeit in
der kirchlichen Gemeinschaft, fand bas Reich Gottes
in sich, und folgte dem Drange, dasselbe auch außer
sich darzustellen, nur da, wo sie ein ftommes, em
pfängliches Gemüth entdeckte. Die erste verfolgte
die Religion, ohne das Wesen derselben zu kennen;
die zweite hatte nur Ahnungen von Religion; in der
dritten lebte diese in voller Kraft."
Da nach diesen Prämissen die Frage entstand:
Welchen Werth das Kirchenthum überhaupt habe;
so beantwortet der Vers, kiese Frage mit Gründlich
keit und Scharfsinn, indem er zeigt, daß nur in
dem Kircheiuhume, von welcher Art e« übrigens
auch seyn möge, die Kraft enthalten ist, die Anlage
zur Religiosität im Menschen zu entwickeln. Und
hiermit endigt sich der erste Theil.
Der zweite enthält, in fünf Briefen, Untersu
chungen über das Wesen der Katholischen Kirche.
Eine dttaillirte Angabe des Inhalts dieser Untersu
chungen würde hier zu weit führen; aber jeder wah
re Protestant wird dem Vers. Dank sagen für die
Ausschlüsse, die er in diesem Theile gegeben Hot;
um so mehr, weil selbst die gründlichsten prokestanti-
schen Theologen, z. B. ein Plank, immer gewünscht
haben, daß von dieser Kirche jene wahre Kenntniß
allgemeiner verbreitet werden möchte. Was in diesem
Theile geleistet worden ist, konnte überall nur von
einem Verfasser geleistet werden, der ehemals ein
Mitglied der Katholischen Kirche gewesen war, und,
nachdem er sich von ihr getrennt hatte, die stärksten
Aufforderungen erhielt, ihr Wesen zu ergründen. Ob
er die Wahrheit gesagt hat, darüber wird ein ver
ständiger keser nicht zweifelhaft werden; noch be
stimmter aber läßt sich voi hersehen,, daß selbst Tbeo
logen von Profession nach der Lectüre dieses zweiten
Theiles sich veranlasset finden werden, vorgefaßte
Meinungen fahren zu lassen, und tiefgrwurzelte Jr-r-
thümer aufzugeben. — z.
(Der Schluß folgt.)
Das Schlüsselloch.
\ " (Schluß.)
^as Pflaster schien unter seinen Füßen zu brennen.
Erschöpft kam er zurück, und warf fick in andere
Kleider, um seinem linmuthe im Gewühle der Ge
sellschaft zu entfliehen. Auch die Gräfin war dort.
Eine erzwungene Heiterkeit in ihrem Gesichte suchte
einen Zug darin zu untergrücken, der dcni Grame
ähnlicher sah, als der Freude. Der Graf bückte sich
schüchtern. «Lle dankte ihm kalt, wie unter den Rn-
den. Sie sprach mit allen ihren Nachbarn, mit dcni
Grafen nicht eine Sylbe. — Kleine Marie! —
murmelte der Graf, — ich kann auch trotzen, — und
begab "sich unter den Schutz einer alten Dame, die
ihn mit den Thorheiten der Sradt unterhielt. Seine
Augen blieben bei der Gräfin zurück; das Gift der
Derlaumtung floß in sein Ohr, und das Gift der
Leidenschaft durch seine Avgen immer tiefer in sein
Herz. Er saß auf seinem Stuhle, wie auf glühen
den Kohlen gebannt. Ein Engel schwebte in der
Ferne vor seinen Blicken, und ein Dämon hauchte
die Sünden der Sterblichen in sein Ohr. Die Grä
fin schien es nicht zu bemerken. Keiner-ihrer Blicke
begegnete den seinigen. Schweigend, wie die Er
gebung, saß er an der Seite des Würgengels jeder
Tugend, bis ihn die Klauen der Habsucht an den
Spieltisch zogen, und der Graf achmece freier, und
stieg schnell ln seinen Wogen.
Hastig gieng er in seinem Zimmer auf und nie
der. — Man kann wachsen — sagte er, — das ist
erlaubt, aber man muß nicht unartig werden, wenn
man groß geworden ist, und wenn! sic glaubt, mir
dadurch weh zu thun, so hat sie sich häßlich betro
gen. — Heinrich setzte den Tisch niir dem Abend-
essen vor ibn. — Der Graf schüttere Champagner
in ein großes Glas;. das Glas lag an seinem Rp-
pen, und zwei Thränen fieicn in das Glas. —
Trinke! — rief der Graf schnell, und setzte es hin,—
trinke Heinrich! aber laß mich allein. — Heinrich
trug schweigend ab.
— Es ist doch sonderbar, — sagte ter Graf: —
als ich vor zwölf Jahren von ihr Abschied nahm,
da weinte ich auch, jetzt habe ich sie wiedergesehen,
und ich weine wieder. Es ist gewiß, sie har eine
Herrschaft über meine Augen, die keine Andere hat.—
Cr stützte erschöpft den Kopf auf seinen Arm^ seine
Auaen schlossen sich, aber das Bild seines Kummers
schlupfte unter die geschlossenen Augen, und seine
Phantasie erschöpfte sich in ängstlichen Träumen.
— Wissen Sie denn, daß sie reisen »vill? —
rief Heinnch, und schüttelte den Grafen am Arme.—
Reisen? — ries der Graf, und sprang hastig auf, —
wohin denn? — Das weiß Gott! aber sie läßt pa
cken, sie ist schon aus dem Bette. — Der Graf
stand schon unter der Thüre, Heinrich hielt ihn zu
rück. — Haben Sie denn in dem gestickten Kleide
geichlaten?^— rief der Alte, — Das kann kein or
dentlicher Schlaf gewesen seyn. Wie Sie aussehen.—
Der Gras zog sick eilig aus. und an, uud mit zit
ternden Handen öffnete er ihre Thüre.