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Volume Nro. 228, Freitag den 15. November

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

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n»nft-Jdee schon vor Erscheinung Jesu als An 
schauung in dem Gemüthe gottseliger Menschen 
vorhanden war, und entfaltet sodann die höchst merk 
würdigen Lchrbegriffe des Dasilidee, dev Marcian, 
des Manes u. s. w., um !zu zeigen, daß die Idee 
des göttlichen Reiches im Schooße der katholischen 
Sekte während der drei ersten Jahrhunderte erhal 
ten wurde. 
Mit Meisterhand wird hierauf ein Abriß der 
Geschichte der christlichen Kirche bis auf unsere Zei 
ten gegeben, der sich mit folgeudcm völlig begründe 
ten Resultate endigt: 
„Von dem Ursprünge des Christenthumes an, 
waren die Bekenner desselben in Betreff ihrer An 
sichten von Religion und Kirchenthum zu allen Zei 
ten in drei Klassen getheilt. Die erste wollte,nur 
die sektirende Kirche gründen, dieselbe durch ein sta 
tuarisches Glaubens-System ausbilden, und durch 
hierarchische Einrichtungen zur Herrschaft über alles 
Irdische und zum Besitze alles Zeitlichen erheben. 
ü)ie zweite wollte durch äußere Darstellung ihrer re 
ligiösen Ansichten ein sichtbares Reich Gotte« auf 
Erden errichten, und durch die Macht desselben da« 
hierarchische Kirchenthum niederreißen. Die dritte 
wandelte in Deinuth, Glauben und Gottseligkeit in 
der kirchlichen Gemeinschaft, fand bas Reich Gottes 
in sich, und folgte dem Drange, dasselbe auch außer 
sich darzustellen, nur da, wo sie ein ftommes, em 
pfängliches Gemüth entdeckte. Die erste verfolgte 
die Religion, ohne das Wesen derselben zu kennen; 
die zweite hatte nur Ahnungen von Religion; in der 
dritten lebte diese in voller Kraft." 
Da nach diesen Prämissen die Frage entstand: 
Welchen Werth das Kirchenthum überhaupt habe; 
so beantwortet der Vers, kiese Frage mit Gründlich 
keit und Scharfsinn, indem er zeigt, daß nur in 
dem Kircheiuhume, von welcher Art e« übrigens 
auch seyn möge, die Kraft enthalten ist, die Anlage 
zur Religiosität im Menschen zu entwickeln. Und 
hiermit endigt sich der erste Theil. 
Der zweite enthält, in fünf Briefen, Untersu 
chungen über das Wesen der Katholischen Kirche. 
Eine dttaillirte Angabe des Inhalts dieser Untersu 
chungen würde hier zu weit führen; aber jeder wah 
re Protestant wird dem Vers. Dank sagen für die 
Ausschlüsse, die er in diesem Theile gegeben Hot; 
um so mehr, weil selbst die gründlichsten prokestanti- 
schen Theologen, z. B. ein Plank, immer gewünscht 
haben, daß von dieser Kirche jene wahre Kenntniß 
allgemeiner verbreitet werden möchte. Was in diesem 
Theile geleistet worden ist, konnte überall nur von 
einem Verfasser geleistet werden, der ehemals ein 
Mitglied der Katholischen Kirche gewesen war, und, 
nachdem er sich von ihr getrennt hatte, die stärksten 
Aufforderungen erhielt, ihr Wesen zu ergründen. Ob 
er die Wahrheit gesagt hat, darüber wird ein ver 
ständiger keser nicht zweifelhaft werden; noch be 
stimmter aber läßt sich voi hersehen,, daß selbst Tbeo 
logen von Profession nach der Lectüre dieses zweiten 
Theiles sich veranlasset finden werden, vorgefaßte 
Meinungen fahren zu lassen, und tiefgrwurzelte Jr-r- 
thümer aufzugeben. — z. 
(Der Schluß folgt.) 
Das Schlüsselloch. 
\ " (Schluß.) 
^as Pflaster schien unter seinen Füßen zu brennen. 
Erschöpft kam er zurück, und warf fick in andere 
Kleider, um seinem linmuthe im Gewühle der Ge 
sellschaft zu entfliehen. Auch die Gräfin war dort. 
Eine erzwungene Heiterkeit in ihrem Gesichte suchte 
einen Zug darin zu untergrücken, der dcni Grame 
ähnlicher sah, als der Freude. Der Graf bückte sich 
schüchtern. «Lle dankte ihm kalt, wie unter den Rn- 
den. Sie sprach mit allen ihren Nachbarn, mit dcni 
Grafen nicht eine Sylbe. — Kleine Marie! — 
murmelte der Graf, — ich kann auch trotzen, — und 
begab "sich unter den Schutz einer alten Dame, die 
ihn mit den Thorheiten der Sradt unterhielt. Seine 
Augen blieben bei der Gräfin zurück; das Gift der 
Derlaumtung floß in sein Ohr, und das Gift der 
Leidenschaft durch seine Avgen immer tiefer in sein 
Herz. Er saß auf seinem Stuhle, wie auf glühen 
den Kohlen gebannt. Ein Engel schwebte in der 
Ferne vor seinen Blicken, und ein Dämon hauchte 
die Sünden der Sterblichen in sein Ohr. Die Grä 
fin schien es nicht zu bemerken. Keiner-ihrer Blicke 
begegnete den seinigen. Schweigend, wie die Er 
gebung, saß er an der Seite des Würgengels jeder 
Tugend, bis ihn die Klauen der Habsucht an den 
Spieltisch zogen, und der Graf achmece freier, und 
stieg schnell ln seinen Wogen. 
Hastig gieng er in seinem Zimmer auf und nie 
der. — Man kann wachsen — sagte er, — das ist 
erlaubt, aber man muß nicht unartig werden, wenn 
man groß geworden ist, und wenn! sic glaubt, mir 
dadurch weh zu thun, so hat sie sich häßlich betro 
gen. — Heinrich setzte den Tisch niir dem Abend- 
essen vor ibn. — Der Graf schüttere Champagner 
in ein großes Glas;. das Glas lag an seinem Rp- 
pen, und zwei Thränen fieicn in das Glas. — 
Trinke! — rief der Graf schnell, und setzte es hin,— 
trinke Heinrich! aber laß mich allein. — Heinrich 
trug schweigend ab. 
— Es ist doch sonderbar, — sagte ter Graf: — 
als ich vor zwölf Jahren von ihr Abschied nahm, 
da weinte ich auch, jetzt habe ich sie wiedergesehen, 
und ich weine wieder. Es ist gewiß, sie har eine 
Herrschaft über meine Augen, die keine Andere hat.— 
Cr stützte erschöpft den Kopf auf seinen Arm^ seine 
Auaen schlossen sich, aber das Bild seines Kummers 
schlupfte unter die geschlossenen Augen, und seine 
Phantasie erschöpfte sich in ängstlichen Träumen. 
— Wissen Sie denn, daß sie reisen »vill? — 
rief Heinnch, und schüttelte den Grafen am Arme.— 
Reisen? — ries der Graf, und sprang hastig auf, — 
wohin denn? — Das weiß Gott! aber sie läßt pa 
cken, sie ist schon aus dem Bette. — Der Graf 
stand schon unter der Thüre, Heinrich hielt ihn zu 
rück. — Haben Sie denn in dem gestickten Kleide 
geichlaten?^— rief der Alte, — Das kann kein or 
dentlicher Schlaf gewesen seyn. Wie Sie aussehen.— 
Der Gras zog sick eilig aus. und an, uud mit zit 
ternden Handen öffnete er ihre Thüre.
	        
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