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ich in diesem Augenblick wohl hätte ein Dudelsack
seyn mögen. Ach ging schnell durch den Raum hin,
um dar Gesicht der schönen Spielerin zu sehen, —
machte aber doch im Lerbeigehn die wichtige Be
merkung, daß das Vieh dort musikalisches Geher
haben muß, denn der ganze S5tali war niäuechcn-
siille. Nun denke Dir den Kopf des Instruments,
der wie ein schwarzer Satyr aussah, mit fratzen
mäßig aufgerissenem Munde und weißen heraustre
tenden Augen — neben Ieannettens Posaunenengel-
Gesicht:— mußt' ich nicht laut auflachen'? Sie wollte
gleich aufhören, wie sie mich erblickte; aber Du
kennst die Dudelsäcke: sie schweigen nicht, bis sie
allen Wind herausgeblafen haben. Dieser hing schon
neben des Niädchens Kette, als erst sein letzter Ton
verschnarrte. Ich wollte nun der Spielerin mem
Compliment machen, aber da kam ich schön an.
Mein Lachen hatte sie beleidigt, und sie sagte mir
empfindlich errathend: „ich möchte nur über andere
„spotten ; sie wisse selbst recht gut, daß sie noch An-
,,fängerin sey. Sie habe aber auch nicht so viel Zeit
„darauf zu wenden und bekäme keinen so guten Un
„terrichk, wie die vornehmen Damen in
„großen Städten, die ich vielleicht gehört
„hatte." Ich sagte ihr, ich hätte in meinem Leben
keinen Dudelsack gehört noch gesehen, und hätte blos
über den drolligen Anblick des häßlichen Bocksgesichts
gelacht, das zu dem reizenden Gesichte der Musikan
tin so komisch abstäche u. s. w. Endlich fand sich
denn doch, obwohl ziemlich spät, die alte Vertraulich
keit wieder ein.
Unterdessen hatten wir zu Abend gegessen, und
Klaude Thiercy, der sich erboten hakte, mich morgen
früh bis an die große Straße zu begleiten, sing an
zu gähnen. Ieannetke wickelte ihren Flachs und
ihre Spindel zusammen, ging in ihren Winkel, zog
eine lange silberne Nadel aus ihrem kastanienbraunen
Haar, das in zwei Flechten fast bis auf die Erde
herunter fiel, löste diese Fiechten auf, rollte sie als
dann Chignonmaßig bis auf den Wirbel in die Höhe
und band sich ein himmelblaues Tuch um den Kopf,
das ihr wie ein kleiner Turban stand. Nun kam
sie wieder und stellte sich an den Tisch, als wenn
sie auf etwas wartete. Ich war in Verlegenheit,
denn ich sah nicht dir geringste Anstalt zu meinem
Lager. „Ist Ihnen denn nicht gefällig, sich zu le
gen?" fragte endlich mein Wirth. Ja, sagte ich,
«der wo schlaf' ich denn? „Ei, da!" erwiederte Jean-
nette und zeigte auf die Krippe vor den Kühen.
Ihr: „Ei, da!" klang, als wenn es sich von selbst
verstände, und ich fürchtete mich lächerlich zu machen,
wenn ich meine Kescrgniß, daß die Kühe mich wohl
in der Nacht für einen Kürbis halten könnten,
äußerte. Juden« hatten sie sich ja gelagert, und
schienen, ruhig wiederkäuend, sobald nicht ausstehen
zu wollen. Ich näherte mich also der Krippe und
sah. daß Ieannette schon mein Kette gemacht hakte;
«S bestand in euiem doppelt gelegten, gewesenen
Mantel ihres Vaters. Wie ich ging und stand, legte
ich mich darauf. Ieannette fragte: „Sie sind viel
leicht gewohnt, Nut dem Kopf hoch zu liegen?"
Wenigstens liege ich nicht gern niedrig. — „ Lege
dem Bürger deinen weißen Reck unter," sagte dir
Mutter. Sie brachte ihn. Daß er mir immernoch
nicht recht lag, kannst Du dir vorstellen: ober eine
Kuh stand auf, und Ieannette mußte forteilen, dc-
mir nicht die andere auch munter würde. Sie nahm,
da die Eltern auch schon lagen, die Lampe von der
Kette und ging damit in ihren Winkel, wo sie sie
in ein kleines viereckigtes Loch in der Mauer neben
ihrem Bette hinstellte. Zwei Tochke hatte sie unter
wegs ausgeblasen; einen ließ sie brennen. Was!
dachte ich; sollte sie wirklich in ihrer Unschuld mir
zutrauen, daß ich die Augen schließen werde, wenn
sie sich auskleidet? — und mein Kopf erhob sich um
einige Zoll von ihrem Unrerrock, um recht — da«
Licht zu sehn. Sie kehrte mir den Rücken zu; jetzt
zog sie die Nadel au« ihrem Busentuch, mein Kopf
hob sich noch etwas höher; jetzt faßte sie »inen Zipfel
des Tuchs, um es abzunehmen, und meine Augen
waren wenigstens eben so weit geöffnet, als die Au
gen de« Dudelsacks; endlich riß sie mit derselben
Bewegung das Tuch vom Halse — und — blies
das Licht aus. Ich hatte weiter nichts gesehen, als
daß^ sie es abnahm — und sank auf mein Kopfkissen
zuruck.
Die Kuh, welche aufgestanden war, roch im
mer auf mir herum und leckte mir mit ihrer schar
fen Zunge die Hand, wenn sie sie bloß fand.
Mamsell Ieannette! rief ich leise. — „Plait-il,
citoyen? — Was ist gefällig?" — Die Kuh leckt
mir immer die Hand! — „Aha! c’est la pie; eile
est toujours gentille comme 9a. — Aha! da
ist die Elster; die hat sich immer so artig" — sagte
Ieannette. „Aber sie thut Ihnen nichte," fügte die
Mutter hinzu. — Ich schlief erst spat rin und
Klaude weckte mich den folgenden Morgen um sechs
Uhr. Ieannette hatte schon Wiichsuppe gemacht, die
rauchend auf dem Tisch stand.
Als wir gefrühstückt hatten, wickelte Ieannette
drei — wie sie sagte — hart gekochte Eier in ein
weißes Leinen, legte ein Stück Brodt dazu, und die
Mutter sagte mir, e» sey weil bis zum ersten Dorfe
und ich müßte das für den Iähhunger einstecken.
Sie bestand so sehr darauf, daß ich ee nehmen
mußte. Nun wollte ich bezahlen; da kam ich aber
schön an. Sie wären mir noch schuldig, hieß e»
denn der Wein sey theuer, und e« thäte ihnen nur
leid, daß sie mich nicht besser hätten aufnehmen kön
nen. Wie sic das sagten, war es kein fchaales Ccm-
pliment. Klaude suchte seinen Knotenstock, und ich
nahm von den Damen Abschied — wirklich mit
schwerem Herzen, obgleich unsere Bekanntschaft noch
nicht 24 Stunden alt war.
Schon waren wir einen Büchsenschuß weit vom
Dorfe entfernt, als es hinter uns rief: Mon Paire-J
mon Faire! — Es war Ieannette, die in vollen»
Laufe hinter unsrer gerannt kam, und als sie sah,
daß wir sie gehört hatten, etwas Weißes zwischen
den Fingerspitzen in die Höhe hielt. Ich besann mich,
was ich mochte vergessen haben und fand nichts.
Ais sie nahe genug war. sagte sie ganz außer A'örm
zu mir: „Verzeihen Sie mir, Bürger! Ich dummes
Ding hatte vergessen. Ihnen Sülz zu den Eiern zu
geben!"
K...d.».chs..n.