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Leider war der Mann dem Bachus noch mehr
zugethan als der Flora. Wahrend unserer Abweftn-
beit, von Niemand bemerkt, ergab er sich dem
Trünke mehr als jemals, ließ alles drüber und Lrun-
tcr gehn, erschrack darüber in einem nüchternen
Augenblicke, und lief davon. A!ö wir nach Hause
kamen und durch den Park fuhren, wurden wir die
Verwüstung schon gewahr. Alles verdorrt, vergrast,
von Maulwürfen durchwühlt; die Gegend gleich dem
Vvrhof einer öden Burg, in der nur Gespenster
Hausen. „Ach! mein arme« Gürkchen!" rief Ferdi
nand, und, kauni aus dem Wagen gestiegen, eilte
er dahin. Kietze, da blühte alles lustig, kein Un
kraut war zu sehn, jede Blume aufgebunden, jede
begossen.
„Gottlob! sagte Ferdinand, wenigstens hat er
doch niein Gärtchen treulich besorgt." „ Mit Nichten
gnädiger Herr" so ließ der Hausknecht sich verneh
men, der hinter ihm stand; „hierher ist er gar nicht
„gekommen; aber die kleine Therese ist alle Tage
„zweimal von Aschershausen herüber gelaufen, und
„hat gejätet, begossen, und emsig viele Stunden
„lang ihr Wesen getrieben."
„Da» gute Kind!" sagte Ferdinand: „Aschers-
„hauien liegt eine starke Viertelnieile von hier, und
„Therese ist kaum 9 Zahr alt!"
z. D i e R ä u b e r.»
Er batte das kleine Mädchen recht lieb, und be
schenkte es oft mit allerlei ^pielwerk, auch Kleinig
keiten von Werth, Halsbänder, Schaumünzen und
dergleichen. Gewöhnlich machte ihr das große
Freude, aber nicht immer. Wenn zum Beispiel der
Later, an Ferdinant» Geburtstage, sie wohl geputzt
herüberjchickte, um einen gereimten Glückwunsch her
zusagen , den der alte Prediger zusammengestöppelt
hatte, so schien sie dos nicht gern zu thun, war im
mer sehr verlegen dabei. Hatte sie nun vollendet,
und schloß Ferdinand seinen Schreibtisch auf, um
ein Geschenk für sie heraus zu holen, so brannte et
was in ihrem Auge, da» fast dem Unwillen ähnlich
sah; sie nahm schweigend, niachte mit niedergeschla
genen Blicken einen liefen Knix, und schlich still da
von. Wenn sie aber in kindischer Fröhlichkeit um
ihn her hüpfte, mit seiner Uhrkette spielte, wa« ihr
neu war anstaunte, und er es ihr mit den Worten
gab: „Behalt' es zu meinem Andenken!" oder wenn
er au« der Statt kam, und rief: „komm her The-
„rese! ich habe dir auch etwa« mitgebracht. Siehst
„du, daß ich immer an dich denke." — so nahm sie da«
Geschenk mit Freuden, zeigte es aller Welt, trug
sich lange damit, und legte es endlich zu den übri
gen, in ein schönes, buntes Kästchen, da» ihr der
Vater zu diesem Behuf hatte kaufen müssen.
Der alle Verwalter war nun gestorben, und
Joseph Dromnier an dessen Stelle getreten, wohnte
also jetzt auf dem Schloste, und da« Kind umgau
kelte Ferdinanden so oft er sich blicken ließ. Aber
rin neugebornes Zartgefühl sagte Theresen schon da
mals, man müsie auch durch Liebe nicht lästig wer
den; sie wußte e« ihm an den Augen abzusehn,
wenn er gestimmt war mit ihr zu spielen, und hielt
sich schüchtern fern, wenn kein freundlicher Blick sie
beherzt machte. Fuhr Ferdinand nach der Stadt,
welches oft geschah, so hatte sie sich stillschweigend
ein Recht auf sein Gärtchen erworben, und keine
Witterung hielt sie dann zurück, emsig darin zu ar
beiten.
Damals machten Räubereien, des Krieges Nach-
wehen, die Gegend unsicher. Eines Tages hatten
wir uns in der Stadt verspätet, es war schon dun
kel als wir in den Wald kamen, der Ferdinands
Gülher begrenzte. Plötzlich sahen wir uns von ei-
ncui Haufen verwegener Kerle umringt, die. bei der
geringsten Widersetzlichkeit uns zu erschießen droh
ten. Wir retteten unser Leben, indem wir geduldig
alles hergaben, was wir hatten. Als wir nach
Hause kamen, eilte Ferdinand sogleich zu Drcmmer,
und erzählte was ihm begegnet. Mit starrem Ent
setze» hing Theresens Auge an seinen Lippen, und
als er einigemal wiederholte: „Sie haben mich rein
„ausgeplündert, mir gar nichts gelassen." — da flog
sie in die Kammer, kam mit ihrem Kästchen zurück,
und bat ihn beweglich es anzunehmen; ja es schien
ihr nicht einmal recht, als Ferdinand ihr liebkosend
erklärte: nur was er bei sich gehabt, sey ihm genom
men worden, übrigen« sey er noch eben so reich als
zuvor. — S 0? sprach sie fast verdrießlich, als ob
sie herzlich gewünscht hätte, ihn ganz arm zu sehn.
AI« er das nächste Mal wieder nach der Stadt
wollte, bat sie ihn ängstlich es nicht zu thun, warnte
ihn vor den Räubern, und sah ihn mit großer Ban-
g'rkeir wegfahren. Auch mußte er ihr, wa« vorher
niegeichehn. den Tag seinerRückkunft genau bestimmen.
Der Fürst hatte indessen durch seine Truppen
den Wald gesäubert; wir ließen un« daher unbesorgt
durch Geschäfte und Vergnügungen abermals so
lange in der Stadt zurückhatten, daß wir, zwar am
bestimmten Tage, doch erst ziemlich spät in der
Nacht eintreffen konnten. Schon hatten wir fast
der Waldes Ende erreicht, als wir fern unter den
Bäumen eine klein« weiße Gestalt erblickten. Erst
Räuber, nun Gespenster, scherzte ich. Es war The
rese. „Die Angst hat mich herausgetrieben" sagte
sie fast weinend, denn sie hatte schon über zwei
Stunden dort gewartet, und obgleich Nacht und
Einsamkeit so heftig auf sie gewirkt hatten, daß ihr
im Fieberfrost die Zähne kloppten, so war sie doch
nicht von der Stelle gewichen. „O! sagte sie und
machte sich stark, hier hab« ich mich gar nicht ge
fürchtet, denn ich konnte in der Ferne das Licht au«
den Fenstern meines Vater« schimmern sehn, und
folglich konnte mir nichts widerfahren."
Wir nahmen sie mit in den Wagen; Ferdinand
schalt, aber es ging ihm nicht vom Herzen, und sie
hörte ihn auch nicht, denn ganz erschöpft war sie
an seinen Busen eingeschlummert. Als wir allein
waren, sagte Ferdinand: „ES ist ein herzige» Kind!
„und erst zehn Jahr alt!"
(Die Fortsetzung folgt.)
Beruhigung.
^§ein Verlangen ist gestillt:
©UMuegt ward Krickln.
Wenn er einen Pietz nickt füllt,
511 Ui der Platz doch ihn.