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Volume Nro. 201, Dienstag den 8. Oktober

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

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Leider war der Mann dem Bachus noch mehr 
zugethan als der Flora. Wahrend unserer Abweftn- 
beit, von Niemand bemerkt, ergab er sich dem 
Trünke mehr als jemals, ließ alles drüber und Lrun- 
tcr gehn, erschrack darüber in einem nüchternen 
Augenblicke, und lief davon. A!ö wir nach Hause 
kamen und durch den Park fuhren, wurden wir die 
Verwüstung schon gewahr. Alles verdorrt, vergrast, 
von Maulwürfen durchwühlt; die Gegend gleich dem 
Vvrhof einer öden Burg, in der nur Gespenster 
Hausen. „Ach! mein arme« Gürkchen!" rief Ferdi 
nand, und, kauni aus dem Wagen gestiegen, eilte 
er dahin. Kietze, da blühte alles lustig, kein Un 
kraut war zu sehn, jede Blume aufgebunden, jede 
begossen. 
„Gottlob! sagte Ferdinand, wenigstens hat er 
doch niein Gärtchen treulich besorgt." „ Mit Nichten 
gnädiger Herr" so ließ der Hausknecht sich verneh 
men, der hinter ihm stand; „hierher ist er gar nicht 
„gekommen; aber die kleine Therese ist alle Tage 
„zweimal von Aschershausen herüber gelaufen, und 
„hat gejätet, begossen, und emsig viele Stunden 
„lang ihr Wesen getrieben." 
„Da» gute Kind!" sagte Ferdinand: „Aschers- 
„hauien liegt eine starke Viertelnieile von hier, und 
„Therese ist kaum 9 Zahr alt!" 
z. D i e R ä u b e r.» 
Er batte das kleine Mädchen recht lieb, und be 
schenkte es oft mit allerlei ^pielwerk, auch Kleinig 
keiten von Werth, Halsbänder, Schaumünzen und 
dergleichen. Gewöhnlich machte ihr das große 
Freude, aber nicht immer. Wenn zum Beispiel der 
Later, an Ferdinant» Geburtstage, sie wohl geputzt 
herüberjchickte, um einen gereimten Glückwunsch her 
zusagen , den der alte Prediger zusammengestöppelt 
hatte, so schien sie dos nicht gern zu thun, war im 
mer sehr verlegen dabei. Hatte sie nun vollendet, 
und schloß Ferdinand seinen Schreibtisch auf, um 
ein Geschenk für sie heraus zu holen, so brannte et 
was in ihrem Auge, da» fast dem Unwillen ähnlich 
sah; sie nahm schweigend, niachte mit niedergeschla 
genen Blicken einen liefen Knix, und schlich still da 
von. Wenn sie aber in kindischer Fröhlichkeit um 
ihn her hüpfte, mit seiner Uhrkette spielte, wa« ihr 
neu war anstaunte, und er es ihr mit den Worten 
gab: „Behalt' es zu meinem Andenken!" oder wenn 
er au« der Statt kam, und rief: „komm her The- 
„rese! ich habe dir auch etwa« mitgebracht. Siehst 
„du, daß ich immer an dich denke." — so nahm sie da« 
Geschenk mit Freuden, zeigte es aller Welt, trug 
sich lange damit, und legte es endlich zu den übri 
gen, in ein schönes, buntes Kästchen, da» ihr der 
Vater zu diesem Behuf hatte kaufen müssen. 
Der alle Verwalter war nun gestorben, und 
Joseph Dromnier an dessen Stelle getreten, wohnte 
also jetzt auf dem Schloste, und da« Kind umgau 
kelte Ferdinanden so oft er sich blicken ließ. Aber 
rin neugebornes Zartgefühl sagte Theresen schon da 
mals, man müsie auch durch Liebe nicht lästig wer 
den; sie wußte e« ihm an den Augen abzusehn, 
wenn er gestimmt war mit ihr zu spielen, und hielt 
sich schüchtern fern, wenn kein freundlicher Blick sie 
beherzt machte. Fuhr Ferdinand nach der Stadt, 
welches oft geschah, so hatte sie sich stillschweigend 
ein Recht auf sein Gärtchen erworben, und keine 
Witterung hielt sie dann zurück, emsig darin zu ar 
beiten. 
Damals machten Räubereien, des Krieges Nach- 
wehen, die Gegend unsicher. Eines Tages hatten 
wir uns in der Stadt verspätet, es war schon dun 
kel als wir in den Wald kamen, der Ferdinands 
Gülher begrenzte. Plötzlich sahen wir uns von ei- 
ncui Haufen verwegener Kerle umringt, die. bei der 
geringsten Widersetzlichkeit uns zu erschießen droh 
ten. Wir retteten unser Leben, indem wir geduldig 
alles hergaben, was wir hatten. Als wir nach 
Hause kamen, eilte Ferdinand sogleich zu Drcmmer, 
und erzählte was ihm begegnet. Mit starrem Ent 
setze» hing Theresens Auge an seinen Lippen, und 
als er einigemal wiederholte: „Sie haben mich rein 
„ausgeplündert, mir gar nichts gelassen." — da flog 
sie in die Kammer, kam mit ihrem Kästchen zurück, 
und bat ihn beweglich es anzunehmen; ja es schien 
ihr nicht einmal recht, als Ferdinand ihr liebkosend 
erklärte: nur was er bei sich gehabt, sey ihm genom 
men worden, übrigen« sey er noch eben so reich als 
zuvor. — S 0? sprach sie fast verdrießlich, als ob 
sie herzlich gewünscht hätte, ihn ganz arm zu sehn. 
AI« er das nächste Mal wieder nach der Stadt 
wollte, bat sie ihn ängstlich es nicht zu thun, warnte 
ihn vor den Räubern, und sah ihn mit großer Ban- 
g'rkeir wegfahren. Auch mußte er ihr, wa« vorher 
niegeichehn. den Tag seinerRückkunft genau bestimmen. 
Der Fürst hatte indessen durch seine Truppen 
den Wald gesäubert; wir ließen un« daher unbesorgt 
durch Geschäfte und Vergnügungen abermals so 
lange in der Stadt zurückhatten, daß wir, zwar am 
bestimmten Tage, doch erst ziemlich spät in der 
Nacht eintreffen konnten. Schon hatten wir fast 
der Waldes Ende erreicht, als wir fern unter den 
Bäumen eine klein« weiße Gestalt erblickten. Erst 
Räuber, nun Gespenster, scherzte ich. Es war The 
rese. „Die Angst hat mich herausgetrieben" sagte 
sie fast weinend, denn sie hatte schon über zwei 
Stunden dort gewartet, und obgleich Nacht und 
Einsamkeit so heftig auf sie gewirkt hatten, daß ihr 
im Fieberfrost die Zähne kloppten, so war sie doch 
nicht von der Stelle gewichen. „O! sagte sie und 
machte sich stark, hier hab« ich mich gar nicht ge 
fürchtet, denn ich konnte in der Ferne das Licht au« 
den Fenstern meines Vater« schimmern sehn, und 
folglich konnte mir nichts widerfahren." 
Wir nahmen sie mit in den Wagen; Ferdinand 
schalt, aber es ging ihm nicht vom Herzen, und sie 
hörte ihn auch nicht, denn ganz erschöpft war sie 
an seinen Busen eingeschlummert. Als wir allein 
waren, sagte Ferdinand: „ES ist ein herzige» Kind! 
„und erst zehn Jahr alt!" 
(Die Fortsetzung folgt.) 
Beruhigung. 
^§ein Verlangen ist gestillt: 
©UMuegt ward Krickln. 
Wenn er einen Pietz nickt füllt, 
511 Ui der Platz doch ihn.
	        
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