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Volume Nro. 20, Montag, den 28. Januar 1805

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

1805- 
Nro. 20. 
D e r Freimüthige 
Montag, > oder ^ den 28.Zanuar. 
Ernst und Scherz 
Ueber die Oper. 
iele Kunstrichter erklären die Oper für ein poe- 
risches Unding, während der größte Theil des Publi 
kums an ihrer Darstellung sich ergeht. Dies letztere 
würde indeß — vielleicht ein Grund für ihre Beibe 
haltung auf den Bühnen, aber keiner für ihren ästhe 
tischen Werth seyn- St. Evremond nennt sie ein 
lustiges Werk, worinneu Dichter und Lonkünstler sich 
einander im Wege stehn, und sich gleich stark- bemü 
hen, etwas schlechtes zu Stande zu bringen. 
Wenn die Opern, wie sie uns gewöhnlich gege 
ben werden, von Unsinn und Abgeschmacktheiten wim 
meln , so hebt das die poetische Existenz einer Oper 
an sich — nicht auf. Vielmehr scheint gewiß, daß 
eine wahre Oper, die in einer echt lyrisch-dramati 
schen Darstellung romantischer Begebenheiten, durch 
Poesie, Musik und Schauspielkunst zu einem künstle 
rischen Ganzen geordnet, bestehen soll — allerdings 
den Namen eines Kunstwerks verdiene, wenn ihr 
auch—eben wegen jener künstlichen Zusammensetzung 
das Höchste der Kunst, die — in einem andern Sinne 
des Worts — musikalische Einfachheit abgeht. 
Die Oper darf nur romantisch seyn, wenn sie 
poetisch werden soll. 
Sie darf weder Tragödie, noch Schauspiel, noch 
Lustspiel, — noch — wie viele zu glauben scheinen, 
eine Mischung von allen dreien seyn. Wie aber im 
tragischen Drama die Deklamation und die poetische 
Form der Sprache — die Handlung aus dem gemei 
nen Kreise des Lebens hinaushebt, und in eine der 
Freiheit des Gemüths angemessene poetische Welt ver 
seht ; so dient die Musik in der Oper, die romantische 
Wunderwelt, welche der Dichter erschafft, noch sinn 
licher anzudeuten und zu erhöhen. 
Deswegen ist die Musik in der Oper nicht die 
Hauptsache, — sie darf aber auch nicht Nebensache 
seyn. Poesie und Musik sollen sich in ihr wechselst 
tig ergänzen und erheben. 
Die Musik ist der Arther, in welcher sich die 
romantische Darstellung bewegt. 
Die Opera swia verlangt (nach Clodius) wegen' 
der ernsten Empfindung, die sie in uns erhalten soll, 
einen Grad von Wahrscheinlichkeit, und einen sorg 
fältigen Plan. — Sir verlangt aber, irre ich nicht, 
weit wehr, — nämlich künstlerische Wahrheit, —' 
sobald sie auf den Naiuen eines Kunstwerkes An 
spruch machen will. 
Nicht da» Aufhäufen wahrscheinlicher Ereignisse, 
nicht die Mannichfaitigkeit der Scenen, wie der Be 
gebenheiten, — geben der Oper Interesse; wer wollte 
an abgerissenen Erscheinungen und Bildern, wenn 
auch einzelne Farbenstialen noch so schön daran her- 
»orglänzten, überhaupt Gefallen finden? — Der be 
stimmte dramatische Umriß, die Wahrheit in der Fort-' 
schrcitung und Entwickelung der Handlung, darf in 
der Oper so wenig fehlen, wie ln dem Drama oder 
der Tragödie; nur, daß sie ein-freieres Bewegen in 
Hinsicht der Stoffs, der Zeit, und des Ort« jus 
läßt, und dem lyrischen Ausbruch der Empfindung
	        
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