221
hielt. Weit stärker ging schon der Recensent im 7?flen
Bande der Neuen AUgem. Deutschen Biblio
thek mit der Sprach« heraus. Allein die Sache
verdiente in eignen Cchußschristen erwogen und ver
theidigt zu werden. Auch an diesen ließ mans nicht
fehlen. Zuerst trat der Dänische Professor der Be
redsamkeit und alten Literatur Olaus Worinius,
mit einer Dertheibigungsschrift auf, die mit dem Ti
tel: iVl. Tullü Ciceroni* oni Lion ein pro M, Mar
cel Io fSiitf «uspicione, quam nuper iuiiciebat
F. A. Wolfius liberare conatus est, Ül. VVor-
mius zu Copenhagen igoz erschien. Dem Mann
fehlt es weder an Scharfsinn noch Deiedsamkeit, den
Auwald der armen Beklagten zu machen. Nur ist
die Vertheidigung weder erschöpfend noch überzeugend
genug. Dann schrieb derConreclorKalau in Frank
furt im Jahr 1804 ein Programm dagegen, welches
freilich schon um des engen Raums willen einen sol
chen Gegenstand weder umfassen noch durchprüfen
konnte. Seit voriger Woche, ist nun aber eine förm
liche und ausführliche Rechtfertigung der auf Tod
und Leben angeklagten Rede von einem Manne er
schienen, dem innerer und äußerer Beruf zu dieser
Rolle eines Sachwalters schwerlich abgestritten wer
den kann. Hr. Weis kr, vormals Conrector an der
blühenden Fürstenschule Pforte, jetzt seiner Gesund
heit wegen in Meissen privatisirend, und durch seine
nun vollendete Ausgabe des Lenophon sowohl, als
durch dir Bearbeitung mehrerer Schriften des Cicero
in der philologischen Welk mit gebührender Achtung
genannt, unternahm er, Wolfs Angriffe Schritt vor
Schritt zu verfolgen, und dieser Vertheidigung zu
gleich «inen vollständigen Commenrar über die aller
Schuld entbundene Rede einzuweben. Der Titel
dieses Buchs heißt: Commentarius perpetuus et
plenus in orationem Ciceroni« pro M.Marcello,
auctore Benj. Weiske, Leipzig, Sommer. istoZ,
272 S. in gr. 8- Mit einem Aufgebot von Bele
senheit und Scharfsinn, einer Gegners, der es mit
Wolf aufzunehmen Lust hat, ganz würdig, und
in einer Sprache, die man im Ganzen Römisch
zu nennen kaum Bedenken tragen wird, beantwortet,
widerlegt, bestreitet Weiske jede Behauptung de« An
kläger«, ob durchaus mir Erfolg, ist hier der Platz
nicht, auszuführen. Um den Zuschauer von dem Un
recht, das Cicero hier erlitt, noch deutlicher zu über
zeugen, hat Weiske gleich in der Vorrede den Ein
fang der Wölfischen Anklageschrift kritisch beleuchtet
und dargeihan, daß diesen Wolf nimmermehr geschrie
ben haben könne, weil er alle Mrrkmaale eines
Pseudo Wolfiu» an sich trage. Mil mehr Grarltät
und scheinbarem Ernste wird dies lose Spiel in einem
Anhange zum Commenkar fortgesetzt, wo Weiske die
Ciceronische Rede pro Ligario, die Wolf mehrmals
als eine unbestreitbare Richtschnur echter Ciceronischer
Beredsamkeit belobt und aufgeführt hatte, als unten
geschoben, gleich aus der ersten Periode des Eingangs
jener Rede, mit großem 'Aufwand von Witz und
Scharfsinn vorzustellen sucht.
Wolf kann und darf zu dieser Vertheidigung,
die zugleich die schärfste Anklage seiner Kritik und
der ganzen Manier, sie vorzutragen enthält, nicht
stillschweigen. Der Gegner, den er hier gesunden hat,
ist wenigstens einer Antwort werth. gehört keiner
Schule, als seiner eigenen, an, und beträgt sich über
all, wo er im Ernste spricht, mit anständiger Beschei
denheit und humaner Frein,üthigkeit, die nicht heu
chelt, aber auch nicht beißt. Das ganze philologische
Publikum ist voll Erwartung, wie der gelehrte Vete
ran den ihm hingeworfenen Fehde-Handschuh aufneh
men werde, und da er selbst das sogenannte Vornehm
thun in dieser Art von Untersuchungen so laut misbik-
ligte, jö ist cs um so weniger zu vermuthen» baß
er in diesen Ton verfallen werde, wo es der Sache,
rlicht der Person gilt. Es muß so zu einigen allge
mein gültigen Resultaten kommen, ohne welche die
schon sehr verschrieene Kritik der verrufnen wäct,fernen
langen Nase gleichen würde, auf welche alle hundert
Haugischen Epigramme paßten. Freilich beruht
hierbei vieles auf Gefühl», die sich nicht immer in
Regeln und Buchstaben binden lassen. Aber immer
laßt sich wenigstens angeben, auf welchen Wegen die
ser feine Tact erworben wurde Er laßt sich durch
Beispiele und Induktionen rechtfertigen. Wie lehr
reich würde dies alle» ausfallen, wenn sich ein Wolf
dieß alles zu entwickeln einschließen könnte. Mag
immer das alte in Phryge periculum gelten. Das
Periculum selbst wäre und bliebe unschätzbar.
Bemerkungen auf einer Reise durch Utrecht
und Geldern, im May und Iuny 1805.
Dritter Brief.
Den Uten Man 1805.
(*V
^)ch habe Sie neulich, lieber Freund, ziemlich lange
über sogenannte Reliquien und über den Wunder-
Stier oder eigentlich da« Stierwunder unterhalten,
und gehe jetzt zu wesentlicheren Dingen über, die ich
zum Theil noch gestern und zum Theil heute besich
tigt habe. Sie wünschten vorzüglich von derUtrecht-
schrn Universität etwa» näheres zu hören, und ich
kann auch ein'germaaßen Ihre Wünsche befriedigen,
ohne Sie deswegen zu großen Erwartungen berech
tigen zu wollen. Denn daß diese Universität gegen