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Volume Nro. 184, Sonnabend den 14. September

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

ihn in dir größte Verwunderung setzt. Da« zweite 
Zeitwort des Griechischen Gruße«. Len Alcthophcne 
ausspricht, wird ein harte« Kreuz für manchen hand- 
pesten Arisiarch werten. Wörter, wie Koryphont 
für DortLnzcr, Demeterissa für Pricsterin der 
Ceres, Zistra für Seistron, Isiöklarper, Stre- 
phon, was dcch eine so glänzende Rolle in der 
Dichtung selbst spielt und so oft vorkommt, sürStro- 
xhion, eine Kopf: oder Busenbinde, sind Formen 
und Wortbeugungen, die sich schwerlich durch irgend 
eine Autorität al« die der Willkühr rechtfertigen 
lassen dürften. Wie sehr wäre hier da« Beispiel ei 
ne« Römischen Imperators, der sich sonst viel für er 
laubt hielt, de« Tiberius zu empfehlen, welcher so 
gar die Nacht nicht schlafen konnte, weil er in ei 
nem Befehl über die Neujahregeschenke sich eines 
einzigen GricchischenWortes bedient hatte. 
Man müßte billig Bedenken tragen, dergleichen 
rücksichtlosen Tadel bei einem sonst so genialischen 
und in jedem Betracht ausgezeichneten Werke zur 
Sprache zu bringen, wenn nicht grade ein solches 
Beispiel bei einem so leicht verführbaren Publikum, 
das jede geistreiche Verirrung durch geistlose Nach 
ahmung überbietet, sehr geschmacklose Nachäffungen 
hervorlocken könnten. Auch ist es jedem Freunde des 
Schönen, was für alle Zeitalter und alle Geschlech 
ter gleich schön bleiben muß, doppelt empfindlich, 
durch solche Flecken und Geburtömaale.E die freilich 
dem Liebenden wohl eben so gut als SchönheitSfiegel 
erscheinen können, wie (in den Horazischen Sa 
tiren) ein Fleischgewächü dem zärtlichen Balbin, 
so viel Anmuth und Reize verunstaltet und — ver 
rufen zu sehn. Wir fürchten in der That, daß die 
nach der dcutungsreichcn, schönen Allegorie auf dem 
Titelkupfer, auf einem zweiten Blatte folgende Lyra, 
mit ihren sonderbar verzückten und ausgerenkten 
Handhaben in menschlicher Gestalt, von vielen als 
ein Abzeichen des Hanges zum Abentheuerlichen und 
Phantastischen in einer Composition werde angesehn 
werden, die in so mancher Beziehung vielleicht ein 
zig in unserer Literatur ist. C- A- 
Reise von Frankfurt a. M. zur Schweiz. 
(Fortsetzung.) 
Auf dem Aldi«, den rzften In«,. 
bin früher erwacht, als es nöthig seyn wird, 
da der Himmel schon wieder mit Wolken überzogen 
ist und wir daher zwar wohl unsere Reise nach Zug 
werden fortsetzen, aber nicht noch einmal die Hoch 
wacht auf dem Aldis werden besteigen können, um 
uns auch des Anblicks der aufgehenden Sonne 
von dieser Bergspitze herab zu erfreuen. Wir haben 
gestern unser Gutes genossen, und so können wir 
uns heute schon zufrieden geben. Zwar war auch 
gestern der Horizont nicht ganz rein, indeß sahen wir 
doch außer einem großen Theil des Züricher Sees 
den ganzen Zuger See sammt^ dem Lande das ihn 
umgiebr im Abendglanz der Sonne vor uns liegen. 
Das Hauptsächlichste aber waren die Schneegebirge» 
deren Gipfel in Purpur glüheten und die in so hohen 
Massen vor uns aufgethürmt da lagen, daß wir oft 
unsern Augen nicht trauten, und was dem Menschen 
so oft begegnet. Dünste für Berge hielte». Es blieb 
aber dabei, was wir sahe» waren Berge, deren Spi 
tzen mit ewigem Schnee bedeckt, von der Abendsonne 
beleuchtet, sich über die tiefer liegenden Berge erho 
ben, die vom Licht des Taggcstirnes früher verlassen, 
sich schon mit dem Dunkel der Nacht zu vermischen 
begannen, und Schatten stakt Rosendüfte um ihre 
Häupter trugen. Unser Führer Salomo nannte uns 
die verschiedenen Namen der Gebirge, die unsere Au 
gen gefesselt hielten, die uns früher auch Ebel schon 
genannt hatte, dessen Buch über die Schweiz, wie 
wir täglich mehr einsehen, ein Meisterstück ist. End 
lich als die Nacht, nachdem sie alle Tiefen verschlungen 
hatte, auch die Gipfel der Berge in ihren Mantel 
einhüllte, schieden wir von der Scene, die uns mit 
hohem Erstaunen erfüllt hatte, und kehrten zu unserm 
gutmüthigen Schweizer Wirth am Fuß derHocdwache 
zurück. Es herrschte em wunderliches Gewühl in 
dem Wirthshause. Aus der Ferne tönte Musik. Es 
war Sonntag. Wir traten naher und erblickten eine 
Schaar rüstiger Jünglinge, die theils an Tischen sa 
ßen und schmauften, theils in frohen Tänzen das 
Zimmer auf unv nieder wogten, die meisten von ih 
nen trugen Kronen auf den Häuptern- Was soll 
da«? fragten wir unsern Führer. Es ist eine Hoch 
zeit auf dem Aldis, versetzte dieser. — So, sagten 
wir, in der Schweiz also kragen die Brautleute schon 
vor der Hochzeit Kronen auf dem Haupt! In Städ 
ten mag man mit dem bedenklichen Zeichen nicht« 
zu thun haben. Wir feiern das Glück das uns be 
vorsteht im Stillen. — Hier ist es grade umgekehrt, 
erwiederte Salomon. Die jungen Hirten ziehen mor 
gen in^ dem Schmuck nach der Stadt, durchwandern 
eine Straße nach der andern und kehren nicht ehen 
der wieder zurück, als bis alle Einwohner von Zürich 
davon unterrichtet sind, daß sie ein Weib genommen 
haben. Die Bursche müssen ihrer Sache gewiß seyn. 
Wohl dem Menschen der in dem Wahn steht, es seye 
so viel an ihm, daß es jedem, der ihn anblickt zur 
Freude gereichen müsse, ihn gesehen zu haben. Am 
Ende, Krone bleibt Krone, ob von Papier oder Gold, 
wenns nur dem der sie trägt wohl dabei zu Muth 
ist. Unsere Hirten schienen sämmtlich in dem schönen 
Fall zu seyn. Ihr Auge funkelte, ihre Wangen 
glühten. Es war eine Lust ihnen zuzusehen. Deß 
Lebens höchste Fülle war über sie ausgegossen, sie 
waren glücklich und wußten es. — Welch ein Jubel, 
so viele tausend Fuß hoch über dem Meere; "welch' 
eine Glut in der Nähe der Schneegebirge. — Ich 
ließ den Wirth den Leuten mehr Wein auftischen. 
Unser Bedienter gesellte sich mit seinem Horn zu den 
Spielleuten, die ohne die mindeste Ahndung davon 
zu haben, bisher, zumal der Baß, jeder fein nctutf 
in einem andern Takte, abgespielt hatten. Die Le- 
bensflamme in den Hirten stieg immer höher, di« 
Begeisterung wurde allgemein, eins riß das andere 
mit sich fort, schloß das andere an sich, drückte ihm 
die Hand, strebte eins mit ihm zu werden, gleichen 
Jubel, gleiches Hochgefühl in seinem Innern zu er 
wecken. Und das Alles, wie's der reinen Menschen 
natur ziemt, ohne Beimischung von Neben-Ideen,
	        
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