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Nicht-politische Zeitung. Nro. 144.
Aus Brrlin, am »8t«n Zul.
^^rek «eue Erscheinungen auf «nfvet Bühne Labe« uns in
»en letzten Lage,, beschäftigt. Die erste ist eine Bcaibcirung
de« duslnpilble die unter dem Titelt der Empfindliche, gege-
ben wurde. Sie ist im eigentlichen Sinn eine Verdeutschung,
kenn die Hanplhandknng, die Erhöben, das Coloeir der Cha-
rakiere, alle» ist »ach Deutschland überlragen: nur die Fadel
und die Gnentzcichnung der Charaktere scheint noch dem Origi
nal zu geboren. Der Professor Deuter kommt in die Resi
dent , um s»r siel, ein« Stelle im Lrzichungs -Rath ,u suchen,
für seine Toelitcr eine Heirach abzuschließen. Sein unglücklicher
Hang in Allem Kränkungen zu sch-», dringt ihn in immer neue
Misverstandnisse mit seinen Freund.« und veruneinigt ihn mit
dem tunftlgen Schwiegervater seiner Tochter; — zum Glück ist
sein« Schwachheit bekannt und fei« Verdienst zu grob, als Lai
man ihm ste nicht verzeihen soüke. Man versöhnt fich wieder
mit Uim und auer. nimmt ein gutes Ende. Für Inland, der
den Euivfindlichen mach«, war diese Rolle voll seiner Züge,
«iu weites Feld, seine Kunst im Feinkomischen ganz zu zeigen.
Der Vater seines Schwiegersohnes, «in ,ei>r rechliichcr und »er-
nünstiger aber etwa« ungcchliffeuer Kaufmann, Deuters Gegen,
bild, eine «ichl so schwierige Rolle als Deuter, aber wegen der
Situationen mit diesem, doch auch nicht ganz tcichic Rolle,
ward von Hrn. Herdt gut durchgeführt; — und «de» so ei»
Mivcrschawtce Eheraar au» der Provinz, das in der Restde«!
alles glaubt fordern zu tonnen, weit c« in seinem Landstadlcheil
viel gilt, — vo» Hrn. Schwad« und Madame Müller.
Am löte» Jul. erschien eine neue Uebersetzung von Cima,
rvsa's Mammon,«' segveto aus unsrer Buhne. Man halle
dirs Singspiel schon vor zwölf Jahren hier gegeben, aber ohn,
Glück: es hatte so wenig gesaücn, das nian es na« der dritten
Vorstellung bei Seite legte. Jetzt machte cs das glanzende
Glück, daS seiner reizenden Musik gebührt.
Hr. Gern gab den alten Kaufmann. Hr. Beschort dm
Grase» , und beide entsprachen im vollsten Maaße den Erwar-
iungcn, die man von ihrer reisen Kunst und ihrem Talent
fürs Komische zu hegen berechtigt war. Das schone aber
lang« Duett im Anfange des zweiten Aktes wurde Dacapo
aesordcrl und die beiden Künstler stimmten es — Italiänisch
<111 und führten u mit einem nach Italiänischem Geschiu«ck ver
stärkten Spiele aus. Allgemeines zwei oder dreimal von neuem
ausbrcchendes Apvlaudissemeni dank« ihnen. Die alle Tan« zu
besetzen, war schwierig gewesen, nicht etwa, weil uns Eänge-
riiiiicn ftdl-n, welche hinlängliche Reise für das Fa» der Tan
ten haben, sondern u. s. w. Man hak« diese Rolle
daher elucr »er Schönsten unter den junge» Künstlerinnen ge
geben, die sie mit Freude übernahm. Demoisclle Mebus stu-
dj«e st» «inen altfränkischen Putz aus und eine Gesichtsmalerei,
die ihre Reize verstecken, sie recht alt sollten erscheinen lasst«:
sie trat auf, und war aller angewandten Kunst ungeachtet rei
zend. Wenn ihr wohlgemeintes Ovfer ihr »ns eine so ange
nehme Weise mislang, gelang ihre Ausführung der Rolle in
desto vollerm Maaße. Eie rnkivickelte in ihrem Spiel ein so
glanzendes Talenl für das Komische, daß selbst dieienizen, die
bisher die voreheilhafttste Meinung Von ihr hatten, sehr über-
ra,chk wurden. Ihre Darstellung hatte die voüeste Kraft, ohne
irgendwo iu lleberkreibung auszuarten. Ihr Gesang — sie
har eine nirrallrciche kiese Altstimme, — zeig«, daß sie auch
aus diesen großen Fleiß gewendet hatte, und diesmal gelaug
es ihr. die allgemeine Anerkennung zu erringen, die ste ver
dien,c. — Madame Lauz gab die älter- Richte. Ihr Spiel
hatte keine Spur von Komik, aber ihr Gesang war gut. Ma
dame Müller spielte die zwei« Richte Und sang, vorzüglich eine
eingelegte Arie vo» Righint, »orkeesli«, — ebe» so Hr. Eu
nike, als Liebhaber.
Gestern trat Dernoiselle Maaß als Jungfrau von Orleans
aus. Die iunge Künstlerin ist kühn, — aber ste hat Talen«
für Deklamation, ha, Theater-Routine und Glück, und so
erwarb ste Beifall, obgleich ste offenbar von der Natur oichk
für das Fach der Heldinnen berufen ist.
Aus Braunschweig, am 8tea Iuly 1805.
t Fortsetzung, i
Was die Musik anbelangt, so giebt ihre Dortrektichkeit eine»
Beweis rwn dem, was Vogel geworde» sein dürfte, wenn
der Tod ihn nicht in der Blüthe seiner Jahre hinweggerasst
hatte. Die Kraft, K.arbeit und der Sinn, welche in diesem
Werke herrstbe«, find nur dem wahren Geult cige«, und biet«
den der blos nachahmenden, raisonnireoden oder «alkulirendcu
Unbcrusenheit ew,g verborgen. Doch bat dies Werk alle Feh
ler, zu denen Mgngel gn gehöriger Kunstdildung und Erfah
renheit »erlciien, und weichen derzenige unierworscn ist, der
über seine innere Kunüsahigkelt noch ,1» Dunkeln rappr. Das
Publikum urtheile selber.
Die Ouvertüre bebt mit einem mvst,scheu, heimlichen Largo
aus F mou an, dessen tiefer Sinn uns das Gortcrweie« >m
Skücke ahnen laßt. Es folgt rin Allegro «ns dem nehmliche»
Tone, weiches sich «ft Allem messen kann, was ft, der Art
Musikalisch:» dis jetzt geschrieben worden. ES ist so erhaben,
kräftig und voller Originalität, daß ihm nur das Gelungenste
in, Do» Juan an die Seite gestellt werden kann. Schade nur,
daß der mächtige Eindruck, welchen dieser Satz mache, nur von
sehr kurzer Dauer ist. Denn das Tempo wird durch ein S-rrö
t piö allegro) unterbrochen, und der nehmliche Satz in diesem
Zcitmaaße wi-d-rholr. Wer vermag diesen Verstoß gegen Ein
heit und ästhetische Behandlung, nehmlich einen und eben den
selben Satz in zwei verschiedenen Bewegungen vorlragen zu
lassen, zu erklären oder zu rcchtserrigen? Noch nicht genug -
Dieser Satz fällt aus bedeutenden F moll in ein nichts
sagendes, allen Effekt störendes, F dnr, und in diesem Tone
wird nun da« nehmliche Thema des vorigen Allegros bis an'«
Ende sorkzesviclt. Alzo ein und dasselbe Thema in Dur UN»
Moll! Was soll man zu einer solchen ganz veruaglückien Be
handlung sagen? Dennoch ist dieser S-tz in F dnr, als Skück
a» stch selbst betrachtet, mit seinen Verzierungen von so liebli
cher Wirkung, daß man nicht weiß, ob man sich ärgern oder
freuen soll. Leider hak es dabei »och kein Bewenden, und hin
terher kommt sogar ein Marsch, der, wriß der Himmel, viel-
lciche gar auf die Soldaten anspielen soll, die im Stücke ihr
Wese» treiben. Aber das Alleraraste ist folgendes. Man hat
es sich hier nehmlich erlaubt, den drei verschiedenen Tcmvo's,
welche ln der Partitur ang-denrek stnd, «och drei andere hinzu-
zusügen, und somir wird ln dieser Ouvertüre sechsmal, schreibe
sechsmal, der Take verändere. Uombile dictul Mit»
führt zum Grunde an, daß es die große Orer in Paris eben
so mache. Dieser Maebtspruch ist uns Dcuischen aber nicht
der allergeringsten Auftnerksamkeit werrh. Denn wir erhalten
von der großen Over ein« sehr kleine Idee, wenn st« stch solche
ungeheure Neistöße gegen musikalischen Effekt und sinnvolle
Eretution erlauben sollte. Die Sache srricht von selbst und
überhebt mich »cd« fernern Bemerkung.
G. L. P. Sicverff.
IDer Schluß folgt.)
Ein Jtakläner, ein Mitglied der Celkischen Akademie, ae-
beitek an einer Abhandlung über die Physik nnd vorzüglich die
Chemie der Ceilen; (!!) ein andere» Mftglied, an einer Uifter-
suchung über die botanischen Kcnnmisse der Celte, vor dem
Einbruch der Römer.