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nach welchem man streben soll, und als ihre Weisen
blühten, hatte der Despotismus seine Opfer bereits
geschlachtet, so daß das Wohlthätige ihrer Erschei
nung für diese Zeit verloren ging. Durch mancherlei
Kriege abgemattet, sehnten sich die Römer nachRuhe
und sinnlicher Lust. Pracht und Vergnügen waren
das vornehmste Ziel ihres Streben«, und beides hoff
ten sie durch die Künste und Wissenschaften zu er
langen. AuS Ehrsucht wollten sie nicht weniger seyn,
als die Volker, welche sie überwunden hatten, und sie
besaßen Geld und Macht genug, um zur Befriedi
gung dieser Ehrsucht Künstler von allerlei Art an sich
zu locken. Kein Wunder also, daß die Kräfte der
Nation auf diese Weise nicht nur keine stärkende
Nahrung aus den Wissenschaften und Künsten zogen,
sondern vielmehr sich schnell verminderten. Der freie
Grieche übte die Künste und Wissenschaften aus un
eigennützigem Sinne für das Schöne und Wahre,
der Römer aus Ehrsucht, Prahlerei und Luxus. Je
höher der erste stieg, desto mehr hob sich die Kraft
seines Geistes, und desto vsrtheilhaster wirkte er auf
die Kraft des Staats zurück,—wahrend der zweite in
eben dem Maaße erschlaffenund die innere Kraft
des Staates abnehmen sehen mußte, in welchem er
höher stieg.
Doch nehme niemand diese meine Behauptung
in der höchsten Allgemeinheit auf! Eü ist die große
Menge, von welcher ich spreche, nicht dieser und jener
Römische Dichter und Geschichtschreiber de« goldenen
Zeitalters. Es gab gewiß manche, die durch reinen
Kunstsinn und Liebe zur Wissenschaft getrieben, in
ihren Schriften immer leben werden. Aber diese
waren nicht im Stande, jenen edlen Trieb, den sie
in sich selber fühlten, ihren verderbten Zeitgenossen
einzuflößen, und die Nation umzuschaffen.
(Der Schluß im nächsten Blatt.)
Schauspiele im Jahre 1702.
23ei dem täglich zunehmenden Interesse an der dra
matischen Kunst ist es vielleicht nicht ganz zur Un
zeit, einmal zur Unterhaltung die Frage auszuwerfen:
was im Jahre 1702 (außer den Extemporarstücken)
für Theaterstücke in Deutschland herauskamen?
Welche überhaupt Mode waren, ist zum Theil
schwerer zu beantworten. — In breiten Ueber-
setzungen erschienen Corneille'« Ein na, oder die
Gütigkeit des Augufli, und Brutus; und zum er
stenmal ward Christ. Weisen« curiöser Körbel
macher in Görlitz ausgeführt, eben so in Arnstadt
die Klugheit der Obrigkeit in Anord
nung des Bierdrauens, eine Oper!
Ueberhaupt war das Jahr 1702 an Singstücken
sehr fruchtbar: Galathea (in einer Postorella), Otto,
Alceste, die siegende Unschuld unter dem Beispiele
HummiS, Grafen zu Oldenburg, Jupiter und Cal-
listo, Circe, Penelope (des Ulyssis erster und zweiter
Theil) Berenice, Perjenna, Älarich, Victor Herzog
der Normannen, Streit der vier Iahrszeiten,
Phaeton, Paus Tod, Euridice und Orpheus
(zwei Theile), Beatrix, der Sieg der fruchtbaren
Pomona, (dreizehn Opern in Hamburg allein), die
in Banden und Freiheit obsiegende Liebe, der sich
über Chloris erfreuende Zephyr und die verachtete
Eitelkeit der Welt (auf dem Merseburg! sehen Schut-
theater vorgestellet). Manche von diesen Singstücken
hatten gemeinschaftliche Musik, manche wurden nach
bekannten Melodien gesungen. — Vergleichungen
mit Jetzt — welcher Stoff zur Unterhaltung, zu Witz
und — Lehre! — K — pf.
Nicht -politischeZeitung. Nro. 125.
Aus Petersburg, vom Waq igo5,
Unlängst ftgrb (litt die bekannte Sitrsttit Gagarin, gcborne
Fürstin »avuchin, in den Woche». Sie stand einige Tage eil
jmatle i« dem schönen Hotel an der Newa, welches Kaiser
Paul ausdrücklich für sie erbauen ließ, in einem schwarz aus-
geschlagenen sä-ön drapirren Zimmer unter einem Baldachin, auf
welchem der Fürstenhut prangte. Um stc her lagen aus Tabou-
relien die Insignien des großen Maliheser-, de« Catharinea-
und des Porträt-Ordens, und ihr Sarg war immer von Meh
rern Großen des Hofes in tiefster Trauer umgehen. Sehr
prachtvoll war das Leichenbegangniß zun, Rewskvschen Kloster
hin. dem Ruheplätze aller Nuss,schon Großen, wo die Galitzine,
Besborodko's, Schuwalows, Suwarows liegen. Zwei Lhörc,
die hohe Geistlichkeit, die tat,er!. Kammerherrn, die Hosbedi»
nung, die eigene Dienerschaft, der mit sechs Pferden bespannte
Leichenwagen, mit Sammt überzogen »nd mit einem Baldachin
bedeckt, deffen Troddeln vier Lssi iere von der Chevalier-Garde
tragen, würden einen noch imoo,'ankern Anblick gewahrt haben,
wenn mehr Ordnung ln dem Zuge gehcrr.che hätte.
Der bekannte reiche Gras S ch c r e », c t 0 ft gab in der vo
rigen Woche dem ganzen Hose ein Fest, wo sürtiltche Pracht
mit dem feinsten Geschmacke wetteiferten. Das Ganze bestand
aus einem Balle, einer prächtigen Illumination sowohl nach
der Fonkanka heraus, an welcher bas gräfliche Hotel liegt, als
vorzüglich in dem dahinter l-esindlichen Garten und in einem
Souper, wo an zwanzeg Tasek» nur von Gold und Silber ge-
speis't wurde. Die Kirschen ans diesen Tafeln haben allein
zweitausend Rubel gekostet, man kann als» leicht ans das uv
»rige einen Schluß machen. Plötzlich in diese glanzenden Sät»
»ersetzt, hatte es gewiß schwer werden sollen zu entscheiden. Me
ter welchem Himmelsstriche und ln welcher Jahreozeit man sich
befände. Die Kosten dlests Festes, dem die ganze Kaiserfan,il-e,
außer dem Monarchen selbst, beiwohnte, sollen 80,000 Rubel
»«tragen.
Der Hr. General von Zastrow ist hier mit der größten
Rusmertsamkeit aufgenommen worden. Der Monarch unterhalt
sich bei allen Gelegenheircn fast ausschließend mit ihm, und
scheint sich ein Bergungen daraus zu machen, dem verdtenstrot-
lcn Helden die schönen Trurven selbst ,n zeigen, welche bi- hie
sigen Garden ausmachen, «ud die gewiß die Bewunderung etncS
ieden verdienen, vorzüglich ln Vergleich mir dem Zustande,
worin sie sich vor Kaiser P a« l befanden. Dem Hn. General
zu Ehren werden viele diplomatisch« Diners gegeben. So gab