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Volume Nro. 123, Freitag, den 21. Juny 1805

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

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nach welchem man streben soll, und als ihre Weisen 
blühten, hatte der Despotismus seine Opfer bereits 
geschlachtet, so daß das Wohlthätige ihrer Erschei 
nung für diese Zeit verloren ging. Durch mancherlei 
Kriege abgemattet, sehnten sich die Römer nachRuhe 
und sinnlicher Lust. Pracht und Vergnügen waren 
das vornehmste Ziel ihres Streben«, und beides hoff 
ten sie durch die Künste und Wissenschaften zu er 
langen. AuS Ehrsucht wollten sie nicht weniger seyn, 
als die Volker, welche sie überwunden hatten, und sie 
besaßen Geld und Macht genug, um zur Befriedi 
gung dieser Ehrsucht Künstler von allerlei Art an sich 
zu locken. Kein Wunder also, daß die Kräfte der 
Nation auf diese Weise nicht nur keine stärkende 
Nahrung aus den Wissenschaften und Künsten zogen, 
sondern vielmehr sich schnell verminderten. Der freie 
Grieche übte die Künste und Wissenschaften aus un 
eigennützigem Sinne für das Schöne und Wahre, 
der Römer aus Ehrsucht, Prahlerei und Luxus. Je 
höher der erste stieg, desto mehr hob sich die Kraft 
seines Geistes, und desto vsrtheilhaster wirkte er auf 
die Kraft des Staats zurück,—wahrend der zweite in 
eben dem Maaße erschlaffenund die innere Kraft 
des Staates abnehmen sehen mußte, in welchem er 
höher stieg. 
Doch nehme niemand diese meine Behauptung 
in der höchsten Allgemeinheit auf! Eü ist die große 
Menge, von welcher ich spreche, nicht dieser und jener 
Römische Dichter und Geschichtschreiber de« goldenen 
Zeitalters. Es gab gewiß manche, die durch reinen 
Kunstsinn und Liebe zur Wissenschaft getrieben, in 
ihren Schriften immer leben werden. Aber diese 
waren nicht im Stande, jenen edlen Trieb, den sie 
in sich selber fühlten, ihren verderbten Zeitgenossen 
einzuflößen, und die Nation umzuschaffen. 
(Der Schluß im nächsten Blatt.) 
Schauspiele im Jahre 1702. 
23ei dem täglich zunehmenden Interesse an der dra 
matischen Kunst ist es vielleicht nicht ganz zur Un 
zeit, einmal zur Unterhaltung die Frage auszuwerfen: 
was im Jahre 1702 (außer den Extemporarstücken) 
für Theaterstücke in Deutschland herauskamen? 
Welche überhaupt Mode waren, ist zum Theil 
schwerer zu beantworten. — In breiten Ueber- 
setzungen erschienen Corneille'« Ein na, oder die 
Gütigkeit des Augufli, und Brutus; und zum er 
stenmal ward Christ. Weisen« curiöser Körbel 
macher in Görlitz ausgeführt, eben so in Arnstadt 
die Klugheit der Obrigkeit in Anord 
nung des Bierdrauens, eine Oper! 
Ueberhaupt war das Jahr 1702 an Singstücken 
sehr fruchtbar: Galathea (in einer Postorella), Otto, 
Alceste, die siegende Unschuld unter dem Beispiele 
HummiS, Grafen zu Oldenburg, Jupiter und Cal- 
listo, Circe, Penelope (des Ulyssis erster und zweiter 
Theil) Berenice, Perjenna, Älarich, Victor Herzog 
der Normannen, Streit der vier Iahrszeiten, 
Phaeton, Paus Tod, Euridice und Orpheus 
(zwei Theile), Beatrix, der Sieg der fruchtbaren 
Pomona, (dreizehn Opern in Hamburg allein), die 
in Banden und Freiheit obsiegende Liebe, der sich 
über Chloris erfreuende Zephyr und die verachtete 
Eitelkeit der Welt (auf dem Merseburg! sehen Schut- 
theater vorgestellet). Manche von diesen Singstücken 
hatten gemeinschaftliche Musik, manche wurden nach 
bekannten Melodien gesungen. — Vergleichungen 
mit Jetzt — welcher Stoff zur Unterhaltung, zu Witz 
und — Lehre! — K — pf. 
Nicht -politischeZeitung. Nro. 125. 
Aus Petersburg, vom Waq igo5, 
Unlängst ftgrb (litt die bekannte Sitrsttit Gagarin, gcborne 
Fürstin »avuchin, in den Woche». Sie stand einige Tage eil 
jmatle i« dem schönen Hotel an der Newa, welches Kaiser 
Paul ausdrücklich für sie erbauen ließ, in einem schwarz aus- 
geschlagenen sä-ön drapirren Zimmer unter einem Baldachin, auf 
welchem der Fürstenhut prangte. Um stc her lagen aus Tabou- 
relien die Insignien des großen Maliheser-, de« Catharinea- 
und des Porträt-Ordens, und ihr Sarg war immer von Meh 
rern Großen des Hofes in tiefster Trauer umgehen. Sehr 
prachtvoll war das Leichenbegangniß zun, Rewskvschen Kloster 
hin. dem Ruheplätze aller Nuss,schon Großen, wo die Galitzine, 
Besborodko's, Schuwalows, Suwarows liegen. Zwei Lhörc, 
die hohe Geistlichkeit, die tat,er!. Kammerherrn, die Hosbedi» 
nung, die eigene Dienerschaft, der mit sechs Pferden bespannte 
Leichenwagen, mit Sammt überzogen »nd mit einem Baldachin 
bedeckt, deffen Troddeln vier Lssi iere von der Chevalier-Garde 
tragen, würden einen noch imoo,'ankern Anblick gewahrt haben, 
wenn mehr Ordnung ln dem Zuge gehcrr.che hätte. 
Der bekannte reiche Gras S ch c r e », c t 0 ft gab in der vo 
rigen Woche dem ganzen Hose ein Fest, wo sürtiltche Pracht 
mit dem feinsten Geschmacke wetteiferten. Das Ganze bestand 
aus einem Balle, einer prächtigen Illumination sowohl nach 
der Fonkanka heraus, an welcher bas gräfliche Hotel liegt, als 
vorzüglich in dem dahinter l-esindlichen Garten und in einem 
Souper, wo an zwanzeg Tasek» nur von Gold und Silber ge- 
speis't wurde. Die Kirschen ans diesen Tafeln haben allein 
zweitausend Rubel gekostet, man kann als» leicht ans das uv 
»rige einen Schluß machen. Plötzlich in diese glanzenden Sät» 
»ersetzt, hatte es gewiß schwer werden sollen zu entscheiden. Me 
ter welchem Himmelsstriche und ln welcher Jahreozeit man sich 
befände. Die Kosten dlests Festes, dem die ganze Kaiserfan,il-e, 
außer dem Monarchen selbst, beiwohnte, sollen 80,000 Rubel 
»«tragen. 
Der Hr. General von Zastrow ist hier mit der größten 
Rusmertsamkeit aufgenommen worden. Der Monarch unterhalt 
sich bei allen Gelegenheircn fast ausschließend mit ihm, und 
scheint sich ein Bergungen daraus zu machen, dem verdtenstrot- 
lcn Helden die schönen Trurven selbst ,n zeigen, welche bi- hie 
sigen Garden ausmachen, «ud die gewiß die Bewunderung etncS 
ieden verdienen, vorzüglich ln Vergleich mir dem Zustande, 
worin sie sich vor Kaiser P a« l befanden. Dem Hn. General 
zu Ehren werden viele diplomatisch« Diners gegeben. So gab
	        
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