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ein Harfenmädchen, da« eine Romanze obleiert, und
einen Greis, der durch die Worte:
Ja, wcffeil To» »er Herr fiii vorbehalte«,
Der wird »ur<t> Weii,«be»ha«re nie erkalten,
die Leser auf die Vermuthung bringt, daß da« Fa
tum in diesem Trauerspiele herrschen solle.
Am Ende de« Stücks stirbt Gabriele; plötz
lich kommt nehmlich die Nachricht, sie sey er
mordet, dann wird sie auf das Thea'.er getragen,
spricht viel und lange mit allerlei Leuten, und schließt
da« Auge — in poetisch-religiöser Verzuckung.
Wae die Diktion anlgpgt: so sieht man den
Verfasser zwar öfter« auf Schillern und Göthen
ausgerupften, wenigstens mit ihren Farben benialten
Federn in den Aether steigen; aber dann immer wie
der tief in den Sumpf einer- matten Prosa hinab
stürzen.
Der Verfasser hat sich nicht genannt: — er
sorge, daß sein Name nicht bekannt werde.
Neue Zeitschriften.
Wöchentliche Unterhaltungen für Liebha
ber Deutscher Lektüre in Rußland.
(Schluß.)
E>n Aufsatz über den Aberglauben der Let
ten ist sehr lehrreich, und in mancher Hinsicht der
Aufmerksamkeit der Polieei sehr zu empfehlen. Tie
ketten feiern ein Fest zum Gedächtniß der abge-
schietnen Seelen, welches am Michaelirtage anfängt,
und drei, auch wohl fünf Wochen dauert. 'Während
dieser Zeit wird in keinen» Dauerhause Abends gear
beitet. Sobald es finster wirb, legt sich alles zur
Ruhe, um die Geister der Vorfahren, welche dann
in ihren alten Wohnungen herumirren, nicht zu
stören. Selbst wenn Geräusch in Ställen und
Scheunen gehört wird, hetzt man keinen Hund an,
welches natürlich die Diebe sich oft zu Nutze machen.
Am letzten Abend dieser festlichen Zeit wird wacker
geschmaußt, aber auch eine wohlbesetzte Tafel für die
Geister in da« Borhaus >c. gestellt (gerade wie bei
den alten Preußen) und Lichter werden darauf ange
zündet; di« sehr oft, da die trunknen Hausgenossen
sich schlafen legen, Feuerebrünste verursachen.
Auch auf die Begräbniß. Plätze wird ein Dund
Späne zum Anzünden gelegt, damit die Geister sich
deren im Finstern bedienen können. Gebildete ketten
spotten selbst über diese Gebräuche, macken sie aber
doch mit. — Ein Windei, durch Zufall an den
Rand des Feldes oder in die Nähe des Viehstalles
geworfen, ein wenig Dlut au» einem Steine, und
dergleichen schlägt des ketten Muth oft so sehr nie
der, daß mancher wohlhabende Wirth dadurch zum
Dettler wird, denn er glaubt sich ve,zaubert. Ee ist
höchst merkwürdig, daß er (Lutheraner) in so>chen
Fällen seine Zuflucht zu den Gebeten katholischer
Priester nimmt, auch zu Bärenführern. —
Bei Bestimmung der Feldarbeiten sind die ketten
große Tagewähler. An den beiden Donnerstagen
vor Himnielfahrt arbeiten sie nie auf ihren Aeckern,
weil sonst Hagelwetter kommt. Wer am grünen
Donnerstage Holz fällt, bringt sicher, ihrer Meinung
nach, Schlangen noch Hause, wenn er nicht einen
Span zurück in den Wald wirft. Läßt er das Holz
iin Waide liegen, so findet man den ganzen Som-
n»er hindurch Schlangen darunter, die sie am Feuer
trocknen, zu Pulver reiben, und a(« Arznei gebrau
chen. u. s. w. — Wenn Garn auf den Weberstuhl
gebracht worden, müssen die Hausgenossen dicke
Grütze schmausen, sonst wird die Leinwand nicht
dicht und fest. — Taufwasser schützt vor Zahnweh. —
Beim Abendmahl nehmen viele einen Theil der Ob
late wieder aus dem Munbe, bestreichen damit Ge-
treidekasten, Bienenstöcke u. s. w. — Diele Zaube
rer giebt es unter ihnen, meist alte Weiber, Vit
durch Tradition und Erfahrung alle in Kurland
wildwachsende Pflanzen kennen, und ihre Kranken
besondere mit einem Mittel kurlren, welches au«
wilden Rosmarin (Porst, Deckum palestre L.)
Wiesensalbei (»alvia pratensis L.) und andern
solchen betäubenden Kräutern zusamoiengesetzt ist.
Sie heilen auch durch besprechen; sie weissagen
und geben sich mit allerlei schändlichen Gaukeleien
ab. Auf dem Krongutr S — wurde im vorigen
S ahre ein Wirth erschlagen; der Thäter war ein
erl, den ein Zauberer dazu verleitet hatte, indem
er ihn versicherte, er könne nie entdeckt werden,
wenn er den Stiefel, den sein Herr zuletzt auf dem
linken Fuße getragen, auf dem Acker verscharre, auch
ein von einem Grabe gensnimenes Kreuz darauf
pflanze, u. dgl. mehr.
Zn Nr. 2. des Freimüthigen ,goZ wird die
Bemerkung gemacht, daß eine Sammlung sonderba
rer und lächerlicher ^Dedikationen ein sehr unterhal
tendes Werk seyn würde, wobei zugleich eine Zueig
nungsschrift an die Mutter Gottes angeführt wird.
Nr. io. dieser wöchentlichen Unter haiiungen liefert
gleichfalls einen Beirrogi ein Buck nehmlich, wel
ches den Titel führt: Rechte Glaubens reget
U. si w. Fürgestellet durch iM elchiorem
BilterlingAnhaltinum, ®«utf(b«nrasto-
rem der christlichen Gemeinde zu Doblen
u. s. w. ist der heiligen Dreyeinigkeit folgen dergestalt
gewidmet: „Gott dem Vater der niich erschaffen hat,
„Gott dem Sohn der mich erlöset hat, Gott dem
„heil. Geist der mich geheiligt hat, der hochgelebten
„heil. Dreyeinigkeit, zur gebührenden Ehre und zur
„schuldigen Dankbarkeit, in tiefster Herzensdemuth
„dekicire und schreibe ich zu dies.« reckt geistliche
„Büchlein." — Am Schlüsse unterzeichnet: Dei
ner göttlichen Majestät treuer Diener so