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Volume Nro. 119, Sonnabend, den 15. Juny 1805

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

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ein Harfenmädchen, da« eine Romanze obleiert, und 
einen Greis, der durch die Worte: 
Ja, wcffeil To» »er Herr fiii vorbehalte«, 
Der wird »ur<t> Weii,«be»ha«re nie erkalten, 
die Leser auf die Vermuthung bringt, daß da« Fa 
tum in diesem Trauerspiele herrschen solle. 
Am Ende de« Stücks stirbt Gabriele; plötz 
lich kommt nehmlich die Nachricht, sie sey er 
mordet, dann wird sie auf das Thea'.er getragen, 
spricht viel und lange mit allerlei Leuten, und schließt 
da« Auge — in poetisch-religiöser Verzuckung. 
Wae die Diktion anlgpgt: so sieht man den 
Verfasser zwar öfter« auf Schillern und Göthen 
ausgerupften, wenigstens mit ihren Farben benialten 
Federn in den Aether steigen; aber dann immer wie 
der tief in den Sumpf einer- matten Prosa hinab 
stürzen. 
Der Verfasser hat sich nicht genannt: — er 
sorge, daß sein Name nicht bekannt werde. 
Neue Zeitschriften. 
Wöchentliche Unterhaltungen für Liebha 
ber Deutscher Lektüre in Rußland. 
(Schluß.) 
E>n Aufsatz über den Aberglauben der Let 
ten ist sehr lehrreich, und in mancher Hinsicht der 
Aufmerksamkeit der Polieei sehr zu empfehlen. Tie 
ketten feiern ein Fest zum Gedächtniß der abge- 
schietnen Seelen, welches am Michaelirtage anfängt, 
und drei, auch wohl fünf Wochen dauert. 'Während 
dieser Zeit wird in keinen» Dauerhause Abends gear 
beitet. Sobald es finster wirb, legt sich alles zur 
Ruhe, um die Geister der Vorfahren, welche dann 
in ihren alten Wohnungen herumirren, nicht zu 
stören. Selbst wenn Geräusch in Ställen und 
Scheunen gehört wird, hetzt man keinen Hund an, 
welches natürlich die Diebe sich oft zu Nutze machen. 
Am letzten Abend dieser festlichen Zeit wird wacker 
geschmaußt, aber auch eine wohlbesetzte Tafel für die 
Geister in da« Borhaus >c. gestellt (gerade wie bei 
den alten Preußen) und Lichter werden darauf ange 
zündet; di« sehr oft, da die trunknen Hausgenossen 
sich schlafen legen, Feuerebrünste verursachen. 
Auch auf die Begräbniß. Plätze wird ein Dund 
Späne zum Anzünden gelegt, damit die Geister sich 
deren im Finstern bedienen können. Gebildete ketten 
spotten selbst über diese Gebräuche, macken sie aber 
doch mit. — Ein Windei, durch Zufall an den 
Rand des Feldes oder in die Nähe des Viehstalles 
geworfen, ein wenig Dlut au» einem Steine, und 
dergleichen schlägt des ketten Muth oft so sehr nie 
der, daß mancher wohlhabende Wirth dadurch zum 
Dettler wird, denn er glaubt sich ve,zaubert. Ee ist 
höchst merkwürdig, daß er (Lutheraner) in so>chen 
Fällen seine Zuflucht zu den Gebeten katholischer 
Priester nimmt, auch zu Bärenführern. — 
Bei Bestimmung der Feldarbeiten sind die ketten 
große Tagewähler. An den beiden Donnerstagen 
vor Himnielfahrt arbeiten sie nie auf ihren Aeckern, 
weil sonst Hagelwetter kommt. Wer am grünen 
Donnerstage Holz fällt, bringt sicher, ihrer Meinung 
nach, Schlangen noch Hause, wenn er nicht einen 
Span zurück in den Wald wirft. Läßt er das Holz 
iin Waide liegen, so findet man den ganzen Som- 
n»er hindurch Schlangen darunter, die sie am Feuer 
trocknen, zu Pulver reiben, und a(« Arznei gebrau 
chen. u. s. w. — Wenn Garn auf den Weberstuhl 
gebracht worden, müssen die Hausgenossen dicke 
Grütze schmausen, sonst wird die Leinwand nicht 
dicht und fest. — Taufwasser schützt vor Zahnweh. — 
Beim Abendmahl nehmen viele einen Theil der Ob 
late wieder aus dem Munbe, bestreichen damit Ge- 
treidekasten, Bienenstöcke u. s. w. — Diele Zaube 
rer giebt es unter ihnen, meist alte Weiber, Vit 
durch Tradition und Erfahrung alle in Kurland 
wildwachsende Pflanzen kennen, und ihre Kranken 
besondere mit einem Mittel kurlren, welches au« 
wilden Rosmarin (Porst, Deckum palestre L.) 
Wiesensalbei (»alvia pratensis L.) und andern 
solchen betäubenden Kräutern zusamoiengesetzt ist. 
Sie heilen auch durch besprechen; sie weissagen 
und geben sich mit allerlei schändlichen Gaukeleien 
ab. Auf dem Krongutr S — wurde im vorigen 
S ahre ein Wirth erschlagen; der Thäter war ein 
erl, den ein Zauberer dazu verleitet hatte, indem 
er ihn versicherte, er könne nie entdeckt werden, 
wenn er den Stiefel, den sein Herr zuletzt auf dem 
linken Fuße getragen, auf dem Acker verscharre, auch 
ein von einem Grabe gensnimenes Kreuz darauf 
pflanze, u. dgl. mehr. 
Zn Nr. 2. des Freimüthigen ,goZ wird die 
Bemerkung gemacht, daß eine Sammlung sonderba 
rer und lächerlicher ^Dedikationen ein sehr unterhal 
tendes Werk seyn würde, wobei zugleich eine Zueig 
nungsschrift an die Mutter Gottes angeführt wird. 
Nr. io. dieser wöchentlichen Unter haiiungen liefert 
gleichfalls einen Beirrogi ein Buck nehmlich, wel 
ches den Titel führt: Rechte Glaubens reget 
U. si w. Fürgestellet durch iM elchiorem 
BilterlingAnhaltinum, ®«utf(b«nrasto- 
rem der christlichen Gemeinde zu Doblen 
u. s. w. ist der heiligen Dreyeinigkeit folgen dergestalt 
gewidmet: „Gott dem Vater der niich erschaffen hat, 
„Gott dem Sohn der mich erlöset hat, Gott dem 
„heil. Geist der mich geheiligt hat, der hochgelebten 
„heil. Dreyeinigkeit, zur gebührenden Ehre und zur 
„schuldigen Dankbarkeit, in tiefster Herzensdemuth 
„dekicire und schreibe ich zu dies.« reckt geistliche 
„Büchlein." — Am Schlüsse unterzeichnet: Dei 
ner göttlichen Majestät treuer Diener so
	        
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