durch die Bosheit seiner Feinde, die alle Schonung
gegen ihn und die übrigen Mitarbeiter an der Ency
clopädie au« den Augen setzten, schrieb er diesen lan
gen, sehr langen Dialog, zwischen einem rechtlichen
Gelehrten und einem literarischen — Lumpenhunde, —
zarter weiß ich ihn nicht zu nennen, — einem jener
Menschen, die ihre unvollkommne Anlagen für Talente,
für einen Beruf zur Wissenschaft und zu den Kün
ste» ansehn, die aber, weil es denn doch keine Ta
lente sind, nichts daraus machen können, uud nun
ins Elend und durch dieses in Verworfenheit und
Ehrlosigkeit herabsinken: kurz, einem Menschen der
zur literarischen Canaille gehört, von der Voltaire
mit Recht sagte, daß sie sehr viel verwor/ener sey,
als die der Hallen, des FifchmarktS. Diesen Men
schen laßt Diderot sich selbst als eine der scheußlich
sten Carikaturen von Niedrigkeit und halbem »Wahn
sinn bekennen, stellt, wo sich nur eine Gelegenheit
findet, seine eignen Feinde dem Scheusal als Lama-
raden zur Seite, und — läßt ihn ein Neffe des be
rühmten Ccmponisten Rameau seyn, ui» dabei über
Musik zu rasonniren. Will man dies Buch für eine
Sitten- und Charakter-Schilderung erkennen, so ist
eü da« Gemälde eines in der ekelhaftesten Faulniß
ze, stieße,iden Leichnams; will man es als eine Streit
schrift betrachten, so ist es eine so boshaft-gemeinte,
daß man sich mit Widerwillen wegwendet; — und
was die Kunst-Räsonnement- betrifft, — was von
diesen nicht zu spät kommt, ist wenigstens in diesem
Werke sehr am unrechten Ort.
llebrigenS hat das Buch auch die Vorzüge der
Ditervkschen Werke: kräftige Zeichnung und lebhaf
tes Colorit der Schilderungen, philosofhische Unbe
fangenheit der Ansichten, einen großen Reichthum
von blendenden und treffenden Restexionen, dir so
energisch ausgedrückt sind, daß sie ganz eigentlich
Schlagreden genannt zu werden verdienen. Die
Uebrrsehung ist so schön, wie man es von ihrem Ver
fasser erwarten durfte, und Göthe hat einen likerär-
historifchen Anhang beigefügt, der manche sehr be
lehrende, interessante Bemerkung erhält. Dor;üglich
ist das sehr wahr, was 'S. 470 und 471 über die
Versuche gesagt wird, Schriftsteller, über deren Ta
lente allein, dem Publikum zu richten gebührt, durch
Herabsetzung ihres moralischen Charakters zu ve> klei
nern. — Aber dieses von Göthe gepriesene lind
übersetzte Buch, ist ja selbst ein solcher Ver'uch? Di«
Reflexionen und Kunst»Räsonnements sind nur di«
vergoldete Befiederung des begifteten Pfeiles. den
Diderot seinen Feknden — Nein, er hak ihn n cht
abgeschossen. Geschrieben ward das Werk, nach Gö
thens Berechnung, 1764, gedruckt noch nie. G. M.
Etwas über den Reim.
i) ^er Reim ist unstreitig nicht für'S Auge, son
dern für das Ohr. Denn der Reim besteht im
Klang«, und das Auge kennt keinen Klang. Der
Rhythmus geht nicht aus dem einzelnen Buchstaben,
sondern aus der harnionischen Verbindung und Asso
nanz einer oder mehrerer Sylben hervor, über di«
nur das Ohr richten kann und darf. Warum tadelt
man also die Reime: schweigen und reichen, steigen,
erbleichen, sagen, sprachen, siechen, liegen — und
ähnliche?
Für das Ohr ist hier nur ein geringer Unter
schieb de« Tons und des Tonfalls. Das Auge dage
gen fühlt sich beleidigt,'-weil nicht gleiche Buchstaben
wiederkehren. Das entscheidet hier aber nichts.
Ueberdies giebt es Wörter, die für's Auge reinien
und dem Ohr zuwider sind: z. B. Fuß, Gruß —
ab, Trab — um, Heiligkhum, Troß, groß u. a.
2) Hat man Grund, Reinie zu tadeln, wo nur
eine kleine, — fast unmerkliche Verschiedenheit des
Ton« hörbar wird, wie.z. B- in Seiten Lind meiden?
Soll man, um 'solche Reime zu vernieiden, einen
ganzen Gedanken aufopfern? .Der Grundsatz: e«
muß bei» Dichter nicht schwer werden> seinen Ge
danken tausendmal umzuformen und zu verändern,
ist recht gut. Der Dichter muß das auch können.
Aber nicht immer läßt sich der Gedanke so um-
schinelzen, daß er nichts dabei an seiner Einfachheit
und.Natürlichkeit vertiert, «voran dem Dichter, der
nicht alles Ungewöhnliche auch ungewöhnlich sagen
will, — doch am »leisten gelegen iss Zn „Tag und
Dank" macht die Aussprache des d und t allerdings
einen Unterschied, weniger aber und fast ganz unmerk-
Iich, wenn unbetviite Endsylben damit endigen. Und
ist die Forderung nicht übertrieben, einer solchen Klei
nigkeit wegen — ganze Strophen umzuschnieizen? —
Zn diese Rubrik gchdren alle, folgende» Reime und
noch viel mehrere, die hier nicht angeführt werden
können: Zeiten, weiden, — Leid, Ewigkeit — Rede,
Drommete, — Rvihe — Lied, errieth —
Hirte, schwirrte — verbannt, Vaterland — Strande.,,
verwandte — Gebieter, Lieder — und andere mehr.
3) Töne, (Vokale) die bei aller Aehnlichkei't
der Sylben und Buchstaben — eine auffallende Ver
schiede, ibeik für da« Ohr haben, sind freilich zum
Reim untauglich, — doch gebrauchen sie unsere größ
ten Dichter. — Zst die» bloß eine poetische Lizenz,
oder ist unsere Sprache an ganz richtigen Reimen zu
arm? Zch glaube dak letztere, denn bei allen Dich
tern, aus allen Seiten stoßt man auf Reime, welche