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Volume Nro. 64, Sonnabend, den 30. März 1805

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

Nro. 64- 
1805» 
Sonnabend, 
s 
Der Freimüthige 
oder 
den zo. März. 
ruft und Scherz. 
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Ueber Mißhandlung geweihter Gegenstände. 
e ist für den Menschen--Beobachter gewiß eine 
sehr auffallende Erschemung, wenn er Gegenstände 
einer übermenschlichen Verehrung, nicht etwa von 
Ungläubigen und Spöttern, sondern selbst von ihren 
eifrigsten Anhängern verspotten, schmähen und miß 
handeln sieht. wie dies voriges Jahr im November 
bei Tom; del Greco mit der Bildsäule des heiligen 
Januarius geschah. (S. Nr. 4. des Freim. von 
diesem Jahr.) So unnatürlich solche Ausbrüche des 
Unwillen« auch einem Jeden auf den ersten Blick 
erscheinen müssen, so sind doch Beispiele davon bei 
rohen und abergläubischen Menschen gar nicht selten. 
In den finstern Jahrhunderten des Mittelalters, 
jener langen Schlummer-Periode des menschlichen 
Verstandes, war es bei schweren und anhaltenden 
Landplagen gar nicht ungewöhnlich, die Bilder der 
Heiligen zu geiffeln. in« Wasser z» werfen und sonst 
auf mancherlei Weise zu beschimpfen, wenn die Hoff 
nungen getäuscht wurden, die man auf ihren Bei 
stand gebaut hatte. Noch im löten Jahrhundert 
war es im Königreiche Navarra Sitte, daß man bei 
einer langen Düne das Bild des heiligen Petrus, 
des Schutzheiligen des Königreichs, in feierlicher 
Processivn umher trug, und drei Mal um Hülfe an 
rief; wenn aber auch dann kein Regen erfolgte, so 
drohte man dem heiligen Petrus, daß man ihn ins 
Wasser werfen wolle» welches auch wirklich geschah, 
wenn nicht die anwesende Geistlichkeit die Bürgschaft 
übernahm, daß der heilige Petrus in kurzer Zeit un 
fehlbar helfen würde. 
Die alten Römer, welchen man schwerlich Un 
recht thut, wenn man sie für eins der abergläubigsten 
Völker erklärt, (selbst das Zeitalter des August nicht 
ausgenommen), glaubten, wenn fie durch die sorgfäl 
tigste Beobachtung aller zum Lultu« gehörigen Ceri- 
nionien, reichliche und tadellose Opfer (sacrisicia justa), 
Supplicationen, Lustrakivnen rc. allen billigen Forde 
rungen der Götter ein Genüge gethan hatten, da 
durch ein vollkommenes Recht auf die Erkenntlich- 
keit derselben, auf Schutz und Wohlthaten erworben 
zu haben. Ihre Gelübde waren eigentliche Contracte, 
auf beiden Seiten verbindlich, und durch ihre Ge 
schenke an die Götter wollten sie denselben öfter 
Verbindlichkeiten auflegen, als abtragen. Halfen die 
Götter dessen ungeachtet nicht, oder fuhren sie fort 
Beweise ihrer Ungnade (ira, invidia) zu geben, so 
glaubte man entweder bei den Bemühungen sie zu 
versöhnen und zu gewinnen etwas versehen zu haben, 
oder man führte bittere Klagen über dir unerbittliche 
Härte, die Ungerechtigkeit und Partheilichkeit der 
Götter. Nach dem Tode des Germanicu« zerschlug 
das ihm enthusiastisch ergebene Volk mehrere Sta 
tuen der Götter, weil dieselben diesen Liebling der 
Nation nicht besser beschützt hatten. Man glaube 
nicht, daß die unwürdigen Begriffe von der Gott 
heit, die bei einem solchen Verfahren zum Grunde 
liegen mußten, sich nur beim Pöbel gefunden hät 
ten. Don den Vorstellungen, daß dir Götter schul-
	        
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