— Den Nach richtest »er Pariser Zeltungen zu-olge, itl
man in Deuischiand darüber einig, tan die Jenaische Lie.
Ztug die Hallische sehr weit an Werth iibettrifff. Dieses ein-
stchiöbolle Urtheil, das in Deutschland wohl wenige UndarkcHsche
bekrastigen mochten, rührt vermuthlich aus derselben O.nelle her,
aus welcher dir Jenaer Lit. Zkng so treffliche Briese aus Paris
(man sehe da» vor. Bl.) erhalt.
Wm rysteu Mär« 1804 ist in dem von dem berühmten Air
William Jones <u Sn« William in Kalkutta gestifteten Kolle
gium eine große akademische Feierlichkeit begangen worden.
Die Neuigkeit ist nicht mehr sehr frisch folgende Umstande ver
dienen aber gleichwohl noch seht mitgetheilt zu werden. Es
wurden Disoukakioneu in der Periischen, Indostanische» und
Bengalischen Sprache gehalten. Erwähnte Akademie, deren
Hauptbestimmuug ist, die Engländer und Eingebornen einander
tu nähern, har in den 1; Jahren ihrer Eristenz fünf und
vierlig Werke drucken lassen, unter welche» vorzüglich ein«
Sanskrit-Grammatik und eine Sammlung der Arabischen Klassi
ker merkwürdig sind.
Cllfftl, vom I8ten Februar 180;.
Sinter den mancherlei Vergnügungen, welche Cassel In diesem
Winter darbietet, find mir die Concerte die angenehmste».
Die Over besuchte ich, seitdim mir di« Madam W>l»»anu«,
als Camilla, «ns der letzten Note der Stelle, „er ist ja
mein Alles" einen tüchtigen Triller schlug, wenig; und
seitdem ich dies« liebe Frau als Konstante im Wasserträger sah,
gar nicht mehr.
In dem Concerte, welche» die Akademie (so nennt sich
eine Gesellschaft Mnsikdilettanten, deren Zweck Unterstützung der
Armen ist» giebt, hörte ich die Wilimanns mit sehr großem
Vergnügen. Sie ist eine brave Concert-Sängerin. Neben ihr
prangte nicht weniger die bescheidene u»b liebenswürdige Ma
dame Böhler, mir ihrer Silber,Jumpe; auch sang ein Herr
Brand». —
Das Conservatorium, welches Grosheim stifte«, habe ich
nur ein Mal erst besuchen können. E« skhile mir dis hierin
nöthig« Bekanntschaft mi! einem Witgliede desselben, durch wel
che» man dort etngcsührk werden muh. Endlich lern« ich
4rn. von B. einen vortrefflichen Klavierspieler und eifrige»
Thcilnchmer »es Conftrvatorinms, kenne», und so gelang e»
mir, auch das Institut kennen zu lernen.
Man führte Schiller« Glocke, n»e der Hurkaschcn, wie
wohl von Grosheim etwas verändere«!!, und fiir's volle Or-
chester gesetzten, in Solos, Duette, Trios, Chore abgetheilten
Mustk aus. Beim ersten Blicke auf die Zubereitung der Ereeu-
tanten, stet mir eine Stelle aus dem zweiten Seücke des Frei-
mmhige» von diesem Jahre ein, worin gerade das von der
Are die» Schiller,che Meisterstück gesagt wird , was ich hier fand.
An der Partitur sah der Glockengieher-Meister; um ihn
her standen sei»» Geselle» ldas biestgc Singe-Chor) und vor,
»wischen und neben diesen sahen und standen die theilnehmendcn,
moralistrenden Zuschauer. (die Zöglinge de« Eonseromorinm«,
beiderlei Geschlechts. Meister und Gesellen fingen im Chore an:
„Fest gemauert in der Erde" n. s. w. Nach dieser
Stanze sang der Meister allein, bis zu der Stelle „denn
mir der Freude Feierklang« n. s. w." Diese zarte
Tvne trug eine iunge Dame vor, weiche noch nicht lange Mut
ter geworden war. und wahrlich! cs ra„» mir eine Thran«
übe» die Wangen. Diese Mutter wird ihren Säuglingen ge
wiß keine PseuLoinutker unterschieben: da» Gefühl mit dem iie
sang, ist mir sicherer Bürge dafür. — Bei den Wor en
„die Jahre fliehen »fei lg es» >»i n » " trat ein Tenor
ein, der ü» dei der Stelle „0 zarte Sehnsucht u. f. tu."
mit einem Sopran zum lieblichen Duette vereinigte. Jetzt kam
wieder eine Peobachlung des Meisters »bcr die im Werden
seocnde Glocke, welche, wie alles was dahin gehört, die beide»,
Stanzen: „In dieErd' ist'« a u fg en » IN in e n", und „Jetzo
mit der Kraft de» Stranges" welche Chor waren, ab
gerechnet, vom Mclstcr alleta gesungen wurde. Eine blühend
schöne Matchengestalt, mit »ollen rothen Wangen, (die ma«
in C. sonst selten hak,) »nd einer vo«rcffli»en Stimme, sang
das: „Lieblich in der Bräute Locken" u. s. w. meister
haft. Da wo es beißt: „der Mann muß hinaus" trat
eine Bah,Am,ne ein, die jedoch bei de» Worten, welche das
weibliche Hinzuthun zum häuslichen Glücke beschreiben, von je-
nein Soprane stet« unterbrochen wurde, bis sich beide, zum
Schlüsse vereinigte». Die Brandseene war Chor: „Here ihr'«
wimmern" so st»g eine Stimme nach der andern an, und
wie das Gemälde nun in seinem Furchtbaren zunahm, warfen
stch Meister, Geselle» und Zuschauer scheinbar zu Rettern ans.
ES war ein fürchterliches Tongcwimmol »nb Tongewimmer, d»S
durch Etwa«, dem ganzen Audikorio lange unerklarbares noch
fiirchrerlichcr wurde; man hör« nehmlich gleich Anfangs, da
der Chor noch leiser sang, ein unrhvihmisches Getöse, da«, wah
rend der ganzen Scene, leise erst, dann starker, dann wieder
abnehmend, leben Zuhörer in sichtbare Unruhe versetzte. Ans
seiner Stelle stehe» zu bleiben, wäre wahrlich eine Kunst ge
wesen. Endlich, al« bei den Worten: „beulend kommt
der Sturm geflogen" die nur von einer Baßstimme ge
geben wurde, das Orchester etwas leiser ward, gewahrte man
einen Mnstker der auf einer Trommel Fenerlärm schlug. —
Ich kenne die Gränzen der mnstkalischen Malerei nicht , aber
bas fühlt' ick, daß dieser Tambour nicht der Göckeliiah» in
Haodns Jahreszeiten war. Wie rührend, wie krostvoll zugleich
war nicht das folgende Solo: „Einen Blick nach dem
Grade seiner Haabe" u. s. w. wobei ein Fagott mit
dem Gesäuge im Einklänge ging. Jetzt folgte das rührende
Gemälde des Leicheiizuge» der eine Mutter zu Grabe tragt.
Feierlich führ« da«Recitativ: „dem dunkeln Schoos der
hcil'gen Erde" u. s. w. zu dem: „Von dem Dome
schwer und bang':, weiches die Stelle eines Erabgefange«
hier vertrelend, von dem Chore, jedoch all’ unisono gesun
gen wurde, und wozu die Baffe und Hörner eine Art von
Grabgel仫 gaben. Bo» da „all, die Gattin ist'«"
u, s. iv. war es wieder Solo, und wenn jetzt Dichrcr und
Compviiift im Schmerze steigen, trat höher und höher und im
mer klagend«' ein Blasinstrument nach dem andern ein; mit
einem Male aber ward es eine Todtenstille, die Wo!«: „Ach
des Hauses zarte Bande sind aelöst auf immer
dar", wurden ohne alles Accon.pagnement gesungen; doch jetzt
erschallten tief und schaurig, wie ans einer Todiengrnft die
Hörner, bei den Worten: „denn sie wohnt im Schatten
lande" n, s. w. — Eine, in Concert,aien sonst ungewöhn
liche Stille, namentlich bei dergleichen Episoden, war zu glei
cher Zeit, Beweis für dk!i Triumph der Kunst, und den guten
Geschmack de« Andikvrium. Der schwarze Vorhang rollte end
lich hinaus, und das bethrän« Auge wurde bei dem Anblick
einer unschuldsvollen ländlichen Scene wieder heiterer. Eine
Schalmey th.'.i bei der Mußt die zu den Worten „munter
fördert seine Schrille" u. s. >». g-setzi ist, oorerefftichc
Wirkung. Aus der Stelle „Heil'ge Ordnung" n. s. w.
ist ein Terzett für Sopran, Alk und Tenor geworden, welches
bei den Worwn „Tausend fleißige Handr" u. s. w. in
einen prachtvollen Chor übergebet. Ein lielsticher Sopran von
einem noch lieblicheren Mädchen gesungen, enizückke in der
Stanze „Holder Friede" u. s. w. gar sehr. Die Rcvo-
lu.'ionsseene wurde von einem Bassisten aus dem Chore vorge
tragen. (Der hiestgc Chor ist unter der Anleitung eines Predi
gers Namens Wernebnrg, zum Ersten von Deutschland gewor
den, was selbst Berliner Sachverständige gern cingcstehen.)'
Endlich ü-l der Glockengießer - Meister (d«ß Grosheim dies selbst"
war, fand ich in der Ordnung,) das „Herein, herein
Gesellen alle" u. s. w. an, und als der letzte Chor
„Jetzo mir der Kraft des Stranges" ertönte, da
stimmten die theilnchmendc und moralistrende Zuschauer, beim
Schluß, und indem ste sich von ihren Sitzen erhoben, mit ein,
und: Friede sey ihr erst Geläute! ertönte ans aller
Munde.
Leben Sie wohl! Bald bin ich wieder in meinem
lieben B.