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Volume Nro. 49, Sonnabend, den 9. März 1805

Full text: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz (Public Domain) Issue1805 (Public Domain)

— Den Nach richtest »er Pariser Zeltungen zu-olge, itl 
man in Deuischiand darüber einig, tan die Jenaische Lie. 
Ztug die Hallische sehr weit an Werth iibettrifff. Dieses ein- 
stchiöbolle Urtheil, das in Deutschland wohl wenige UndarkcHsche 
bekrastigen mochten, rührt vermuthlich aus derselben O.nelle her, 
aus welcher dir Jenaer Lit. Zkng so treffliche Briese aus Paris 
(man sehe da» vor. Bl.) erhalt. 
Wm rysteu Mär« 1804 ist in dem von dem berühmten Air 
William Jones <u Sn« William in Kalkutta gestifteten Kolle 
gium eine große akademische Feierlichkeit begangen worden. 
Die Neuigkeit ist nicht mehr sehr frisch folgende Umstande ver 
dienen aber gleichwohl noch seht mitgetheilt zu werden. Es 
wurden Disoukakioneu in der Periischen, Indostanische» und 
Bengalischen Sprache gehalten. Erwähnte Akademie, deren 
Hauptbestimmuug ist, die Engländer und Eingebornen einander 
tu nähern, har in den 1; Jahren ihrer Eristenz fünf und 
vierlig Werke drucken lassen, unter welche» vorzüglich ein« 
Sanskrit-Grammatik und eine Sammlung der Arabischen Klassi 
ker merkwürdig sind. 
Cllfftl, vom I8ten Februar 180;. 
Sinter den mancherlei Vergnügungen, welche Cassel In diesem 
Winter darbietet, find mir die Concerte die angenehmste». 
Die Over besuchte ich, seitdim mir di« Madam W>l»»anu«, 
als Camilla, «ns der letzten Note der Stelle, „er ist ja 
mein Alles" einen tüchtigen Triller schlug, wenig; und 
seitdem ich dies« liebe Frau als Konstante im Wasserträger sah, 
gar nicht mehr. 
In dem Concerte, welche» die Akademie (so nennt sich 
eine Gesellschaft Mnsikdilettanten, deren Zweck Unterstützung der 
Armen ist» giebt, hörte ich die Wilimanns mit sehr großem 
Vergnügen. Sie ist eine brave Concert-Sängerin. Neben ihr 
prangte nicht weniger die bescheidene u»b liebenswürdige Ma 
dame Böhler, mir ihrer Silber,Jumpe; auch sang ein Herr 
Brand». — 
Das Conservatorium, welches Grosheim stifte«, habe ich 
nur ein Mal erst besuchen können. E« skhile mir dis hierin 
nöthig« Bekanntschaft mi! einem Witgliede desselben, durch wel 
che» man dort etngcsührk werden muh. Endlich lern« ich 
4rn. von B. einen vortrefflichen Klavierspieler und eifrige» 
Thcilnchmer »es Conftrvatorinms, kenne», und so gelang e» 
mir, auch das Institut kennen zu lernen. 
Man führte Schiller« Glocke, n»e der Hurkaschcn, wie 
wohl von Grosheim etwas verändere«!!, und fiir's volle Or- 
chester gesetzten, in Solos, Duette, Trios, Chore abgetheilten 
Mustk aus. Beim ersten Blicke auf die Zubereitung der Ereeu- 
tanten, stet mir eine Stelle aus dem zweiten Seücke des Frei- 
mmhige» von diesem Jahre ein, worin gerade das von der 
Are die» Schiller,che Meisterstück gesagt wird , was ich hier fand. 
An der Partitur sah der Glockengieher-Meister; um ihn 
her standen sei»» Geselle» ldas biestgc Singe-Chor) und vor, 
»wischen und neben diesen sahen und standen die theilnehmendcn, 
moralistrenden Zuschauer. (die Zöglinge de« Eonseromorinm«, 
beiderlei Geschlechts. Meister und Gesellen fingen im Chore an: 
„Fest gemauert in der Erde" n. s. w. Nach dieser 
Stanze sang der Meister allein, bis zu der Stelle „denn 
mir der Freude Feierklang« n. s. w." Diese zarte 
Tvne trug eine iunge Dame vor, weiche noch nicht lange Mut 
ter geworden war. und wahrlich! cs ra„» mir eine Thran« 
übe» die Wangen. Diese Mutter wird ihren Säuglingen ge 
wiß keine PseuLoinutker unterschieben: da» Gefühl mit dem iie 
sang, ist mir sicherer Bürge dafür. — Bei den Wor en 
„die Jahre fliehen »fei lg es» >»i n » " trat ein Tenor 
ein, der ü» dei der Stelle „0 zarte Sehnsucht u. f. tu." 
mit einem Sopran zum lieblichen Duette vereinigte. Jetzt kam 
wieder eine Peobachlung des Meisters »bcr die im Werden 
seocnde Glocke, welche, wie alles was dahin gehört, die beide», 
Stanzen: „In dieErd' ist'« a u fg en » IN in e n", und „Jetzo 
mit der Kraft de» Stranges" welche Chor waren, ab 
gerechnet, vom Mclstcr alleta gesungen wurde. Eine blühend 
schöne Matchengestalt, mit »ollen rothen Wangen, (die ma« 
in C. sonst selten hak,) »nd einer vo«rcffli»en Stimme, sang 
das: „Lieblich in der Bräute Locken" u. s. w. meister 
haft. Da wo es beißt: „der Mann muß hinaus" trat 
eine Bah,Am,ne ein, die jedoch bei de» Worten, welche das 
weibliche Hinzuthun zum häuslichen Glücke beschreiben, von je- 
nein Soprane stet« unterbrochen wurde, bis sich beide, zum 
Schlüsse vereinigte». Die Brandseene war Chor: „Here ihr'« 
wimmern" so st»g eine Stimme nach der andern an, und 
wie das Gemälde nun in seinem Furchtbaren zunahm, warfen 
stch Meister, Geselle» und Zuschauer scheinbar zu Rettern ans. 
ES war ein fürchterliches Tongcwimmol »nb Tongewimmer, d»S 
durch Etwa«, dem ganzen Audikorio lange unerklarbares noch 
fiirchrerlichcr wurde; man hör« nehmlich gleich Anfangs, da 
der Chor noch leiser sang, ein unrhvihmisches Getöse, da«, wah 
rend der ganzen Scene, leise erst, dann starker, dann wieder 
abnehmend, leben Zuhörer in sichtbare Unruhe versetzte. Ans 
seiner Stelle stehe» zu bleiben, wäre wahrlich eine Kunst ge 
wesen. Endlich, al« bei den Worten: „beulend kommt 
der Sturm geflogen" die nur von einer Baßstimme ge 
geben wurde, das Orchester etwas leiser ward, gewahrte man 
einen Mnstker der auf einer Trommel Fenerlärm schlug. — 
Ich kenne die Gränzen der mnstkalischen Malerei nicht , aber 
bas fühlt' ick, daß dieser Tambour nicht der Göckeliiah» in 
Haodns Jahreszeiten war. Wie rührend, wie krostvoll zugleich 
war nicht das folgende Solo: „Einen Blick nach dem 
Grade seiner Haabe" u. s. w. wobei ein Fagott mit 
dem Gesäuge im Einklänge ging. Jetzt folgte das rührende 
Gemälde des Leicheiizuge» der eine Mutter zu Grabe tragt. 
Feierlich führ« da«Recitativ: „dem dunkeln Schoos der 
hcil'gen Erde" u. s. w. zu dem: „Von dem Dome 
schwer und bang':, weiches die Stelle eines Erabgefange« 
hier vertrelend, von dem Chore, jedoch all’ unisono gesun 
gen wurde, und wozu die Baffe und Hörner eine Art von 
Grabgel仫 gaben. Bo» da „all, die Gattin ist'«" 
u, s. iv. war es wieder Solo, und wenn jetzt Dichrcr und 
Compviiift im Schmerze steigen, trat höher und höher und im 
mer klagend«' ein Blasinstrument nach dem andern ein; mit 
einem Male aber ward es eine Todtenstille, die Wo!«: „Ach 
des Hauses zarte Bande sind aelöst auf immer 
dar", wurden ohne alles Accon.pagnement gesungen; doch jetzt 
erschallten tief und schaurig, wie ans einer Todiengrnft die 
Hörner, bei den Worten: „denn sie wohnt im Schatten 
lande" n, s. w. — Eine, in Concert,aien sonst ungewöhn 
liche Stille, namentlich bei dergleichen Episoden, war zu glei 
cher Zeit, Beweis für dk!i Triumph der Kunst, und den guten 
Geschmack de« Andikvrium. Der schwarze Vorhang rollte end 
lich hinaus, und das bethrän« Auge wurde bei dem Anblick 
einer unschuldsvollen ländlichen Scene wieder heiterer. Eine 
Schalmey th.'.i bei der Mußt die zu den Worten „munter 
fördert seine Schrille" u. s. >». g-setzi ist, oorerefftichc 
Wirkung. Aus der Stelle „Heil'ge Ordnung" n. s. w. 
ist ein Terzett für Sopran, Alk und Tenor geworden, welches 
bei den Worwn „Tausend fleißige Handr" u. s. w. in 
einen prachtvollen Chor übergebet. Ein lielsticher Sopran von 
einem noch lieblicheren Mädchen gesungen, enizückke in der 
Stanze „Holder Friede" u. s. w. gar sehr. Die Rcvo- 
lu.'ionsseene wurde von einem Bassisten aus dem Chore vorge 
tragen. (Der hiestgc Chor ist unter der Anleitung eines Predi 
gers Namens Wernebnrg, zum Ersten von Deutschland gewor 
den, was selbst Berliner Sachverständige gern cingcstehen.)' 
Endlich ü-l der Glockengießer - Meister (d«ß Grosheim dies selbst" 
war, fand ich in der Ordnung,) das „Herein, herein 
Gesellen alle" u. s. w. an, und als der letzte Chor 
„Jetzo mir der Kraft des Stranges" ertönte, da 
stimmten die theilnchmendc und moralistrende Zuschauer, beim 
Schluß, und indem ste sich von ihren Sitzen erhoben, mit ein, 
und: Friede sey ihr erst Geläute! ertönte ans aller 
Munde. 
Leben Sie wohl! Bald bin ich wieder in meinem 
lieben B.
	        
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